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Nach FTX-Pleite: Rekord neuer User bei Uniswap – sind dezentrale Börsen die Lösung?

Das Einhorn ist das Wappentier Schottlands und daher im Vereinigten Königreich relativ oft zu finden. Wie hier am Hampton Court Palace in London. Bild von Lemon~art via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

FTX war ein zentraler Treuhänder, der das Geld seiner User veruntreut hat. Bei dezentralen Börsen wie Uniswap gibt es keinen solchen Treuhänder mehr. Daher strömen derzeit mehr User denn je zu Uniswap. Doch sind dezentrale Börsen wirklich die Lösung – oder eher ein Teil des Problems?

Vielleicht hat die FTX-Pleite ja etwas Gutes. Vielleicht lehrt sie die Welt, dass man zentralen Mittelsmännern nicht vertrauen sollte. Vielleicht werden in Zukunft mehr Menschen ihre Schlüssel selbst verwahren und damit unabhängiger.

Vielleicht wird die FTX-Pleite rückwirkend zu dem Moment, der für dezentrale Finanzen (DeFi) zum Durchbruch wurde, vor allem für dezentrale Börsen (Dex). Etwa für Uniswap, der unangefochtene Marktführer.

Es gibt Anzeichen und Signale!

Am 8. November, dem Tag, als die Insolvenz von FTX nicht mehr zu übersehen war, verdreifacht sich das Handelsvolumen auf Uniswap beinah. Es steigt von 1,2 auf 3,59 Milliarden Dollar am Tag.

Am 14. November postet Uniswap Labs auf Twitter einen Chart mit der täglichen Anzahl neuer User bzw. Wallets, die mit dem Smart Contract von Uniswap interagieren. Die Anzahl erreichte mit mehr als 55.000 einen Rekord für das Jahr 2022.

Am 15. November tweetet Uniswap-Mitgründer Hayden Adams, dass Uniswap während der vergangenen 24 Stunden die US-Börse Coinbase als zweitgrößte Börse für den Handel mit Ethereum überholt habe.

Auch andere Börsen und DeFi-Plattformen, etwa Curve, berichteten, dass sich das Handelsvolumen verdoppelt habe.

1inch, eine Art Aggregator für verschiedene Dexes, tweetet am 11. November, dass das tägliche Volumen fast 2 Milliarden Dollar erreicht habe und die Anzahl der User aller dezentralen Börsen während der letzten drei Tage um 20 Prozent gestiegen sei.

Allein in den letzten Tagen wurden gut 20 Milliarden Dollar auf dezentralen Börsen umgesetzt. Und das am Tiefpunkt eines Bärenmarktes!

Man könnte das als monumentalen Erfolg feiern – als Meilenstein auf dem Weg zu einem dezentralen Finanzsystem ohne Treuhänder.

Aber die Geschichte ist, leider, nicht so einfach.

Dezentrale Börsen als Rettungsring

Beginnen wir mit dem einfachen und erfreulichen Teil: damit, dass es sehr starke Argumente für dezentrale Börsen gibt. Die zwei wichtigsten sind diese:

Erstens halten User, die auf ihnen handeln, ihre privaten Schlüssel. Es gibt keinen Treuhänder, der wie FTX etwas veruntreuen kann. User werden unabhängiger und die Märkte stabiler, da es ausgeschlossen ist, dass inkompetente oder korrupte Treuhänder Krisen auslösen.

Zweitens sind Dexes vollkommen transparent. Alles, was dort passiert, geschieht auf der Blockchain. Man kann keine Informationen verschleiern oder manipulieren. Es findet ein Dauer-Audit statt, in jedem Moment und durch jeden. Es entsteht ein reinerer Markt.

DeFis sind großartig. Sie machen Märkte bessern und stärken die Autonomie der User. Es ist schwierig, sich einen Zukunft vorzustellen, in der dezentrale Finanzplattformen nicht im Zentrum des globalen Finanzwesens stehen, und es wäre eine Schande, wenn dies nicht passiert.

Doch hier geht hier nicht um die Zukunft, sondern ums Heute. Es geht nicht um Potenziale, sondern um Tatsachen, nicht um abstrakte Ziele, sondern um konkrete Probleme:

Sind dezentrale Börsen eine Lösung für die heutigen Probleme des Krypto-Marktes? Oder sind sie vielmehr weniger Lösung, sondern Teil des Problems?

Warum es wahrscheinlicher ist, Geld durch dezentrale Börsen als durch Treuhänder zu verlieren

Natürlich kann eine Pleite wie von FTX einer dezentralen Börse nicht passieren. Es gibt ja per Definition keinen Mittelsmann, der treuhänderisch Token verwahrt.

Es wäre jedoch ein verheerender Kurzschluss, nun zu denken, User könnten auf dezentralen Börsen keine Coins verlieren. Das können sie – und wie!

Denn DeFis könne gehackt werden, und dies passiert in erschreckender Regelmäßigkeit. Die Webseite cryptosec.info listet seit 2020 122 DeFi-Hacks – viel mehr als bei zentralsierten Börsen. Die Schätzungen, wie viel dabei gestohlen wurde, gehen auseinander:

– Cryptosec nennt insgesamt 3,8 Milliarden Dollar,
Cointelegraph 10 Milliarden Dollar allein für 2021, und
Security Boulevard drei Milliarden für 2022 (Stand 17. Oktober).

Die Verluste sind offensichtlich enorm und in einer Liga mit denen durch FTX. Der schieren Anzahl wegen ist das Risiko eines Hacks auf einer dezentralen Börse sehr viel größer als auf einer zentralen. Es ist wahrscheinlicher, Geld auf einer Dex zu verlieren als auf einer klassischen Börse.

Es mag sein, dass solide Plattformen einen Smart Contract nutzen, der frei von Bugs ist. Aber das trifft auch auf solide Börsen zu. Hier wie da muss der User darauf vertrauen, dass die Leute, die den Code schreiben, ihren Job gut machen. DeFi ändert nichts am Sicherheitsmodell der User. Wenn überhaupt, macht es dieses schlechter.

Aber es geht noch weiter. Das Schlimmste kommt erst noch.

Warum DeFi ein zentraler Teil der Ursache der Kryptokrise ist

DeFi war ein essenzieller Teil der Vorgänge, die zur FTX-Insolvenz geführt haben.

Dies geschah auf die folgende Weise: FTX hat das Token FTT herausgegeben, die Schwesterfirma Alameda Research hielt gut 80 Prozent davon, die Börse Binance weitere 10-15 Prozent. Das Token war vollkommen illiquide, der Preis reine Phantasie.

Keine Bank und kein zentraler Darlehensgeber hätte FTT als Kollateral für einen Kredit akzeptiert. Niemals! Doch es gelang FTX, die Token im DeFi-Ökosystem als solches zu verwenden, um Darlehen aufzunehmen. Möglich wurde dies, weil FTX die Governance-Token, die solche Plattformen gerne herausgeben, akkumulierte, und die Abstimmung, ob man FTT als Kollateral zulässt, zu eigenen Gunsten manipulierte.

Ohne DeFis wären die FTT-Token vermutlich nur wertlose Shitcoins gewesen. Durch DeFi war es möglich, aus ihnen eine toxische Liquidität zu gewinnen. Ähnliches geschah vermutlich auch mit anderen illiquiden, hochgradig manipulierbaren Token. Und dies wurde vermutlich – dies ist noch etwas spekulativ – zur Ursache jener Krise, die FTX letztlich in die Insolvenz trieb.

Kurzum: Die unregulierte – und wohl auch unregulierbare – Natur der DeFis macht es sehr schwierig, Konstruktionen zu unterbinden, die systematische Risiken einführen.

Eigentlich sollte man dies wissen. Denn schon die Krise um Celius, 3 Arrows und Terra wurde durch verkorkste DeFi-Konstrukte ausgelöst: den Terra-Dollar und die unfassbar hohen Zinsen für diesen.

Eine (schlechte) Lösung für selbstgeschaffene Probleme

DeFi mag, theoretisch, eine Lösung sein. Die Autonomie und Transparenz, die dezentrale Börsen und Lending-Plattformen schaffen, können – und werden! – das künftige Finanzwesen sehr viel besser machen. Man wird irgendwann mit Schrecken an eine barbarische Zeit vor DeFi zurückdenken.

Doch zum derzeitigen Zeitpunkt muss man ernüchternd schlussfolgern: DeFi löst bestensfalls die Probleme, die es selbst mit verursacht hat – und zwar auf eine Weise, die zwar Treuhand-Risiken beseitigt, aber die User dafür einem vermutlich größeren Risiko durch Hacks aussetzt.

Das mag sich in Zukunft ändern. Hoffentlich. Doch derzeit ist es, wie es ist.

Über Christoph Bergmann (2796 Artikel)
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4 Kommentare zu Nach FTX-Pleite: Rekord neuer User bei Uniswap – sind dezentrale Börsen die Lösung?

  1. Um die Spreu vom Weizen zu trennen helfen i.d.R. Reviews, Tests, Nutzerbewertungen …
    Dafür lese ich ja unter anderem auch diesen Blog 😉
    Gibt es da ein Vertrauswürdiges Portal für Defis?

    Wenn man sich nicht sicher ist hilft auch mit kleinen Beträgen anfangen und schrittweise steigern. Und niemals mehr in die DeFi Pipeline geben, als man maximal durch einen Hack verlieren möchte.

  2. „Möglich wurde dies, weil FTX die Governance-Token, die solche Plattformen gerne herausgeben, akkumulierte, und die Abstimmung, ob man FTT als Kollateral zulässt, zu eigenen Gunsten manipulierte.“

    Das klingt jetzt aber so gar nicht dezentral….eher nach Vetternwirtschaft mit POS(Proof of Stake).

    ..das Governance-Token das den Plattform-Code umschrieb….

  3. Ein wieder guter Artikel. Defi ist momentan ausgetrocknet, auf aave oder Compound bekommt man für das Verleihen bestimmter stablecoins unter 0,5%, womit man den Zentralbanken wie Fed nun deutlich unterlegen ist. Und uniswap selbst ist riskant, solange man ohne kyc in den smart contract einzahlen kann ebenso wie Geldwäscher. Viele Hacks haben aber auch mit Bridges zwischen blockchains zu tun, also weniger Defi.

  4. Ich fand Bisq ja ganz interessant. Wenn man das mit einem CoinJoin wie WabiSabi verbunden hätte und in mobile Wallets integriert hätte wäre es sicher durch die Decke gegangen.
    Nach dem TornadoCash Debakel scheinen aber die Entwickler zu besorgt zu sein daran weiter zu arbeiten

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