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Juhu, die Bank ist pleite!

Santa Clara, wo die Silicon Valley Bank ihren Sitz hat. Bild von Will Buckner via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die Silicon Valley Bank wurde Ende letzter Woche insolvent. Für den Kryptomarkt wirkte das zunächst existenziell bedrohlich – entpuppte sich dann aber als das Beste, was dem Markt seit langem widerfuhr.

Vermutlich habt ihr es schon gehört: Die Silicon Valley Bank ist Ende letzter Woche pleite gegangen und das hat den Krypto-Markt durcheinander gewirbelt. Es ging ab, und es ging auf.

Die Silicon Valley Bank (SVB) war die 16.-größte Bank der Welt. Sie nahm in der Welt der Startups eine spezielle Rolle ein, da sie das Kapital zahlreicher Startups verwaltete. Allein zwischen 2019 und 2022 stiegen die Einlagen bei der SVB von 60 auf 189 Milliarden Dollar.

Die SVB hat nun rund 80 Milliarden Dollar in niedrigverzinste Wertpapiere investiert, die durch Hypotheken gedeckt waren. In der Phase der Niedrigzinsen schien das eine weise Entscheidung. Dann aber geschahen zwei Dinge: Erstens stiegen die Zinsen, weshalb die Marktpreise der niedrigverzinsten Wertpapiere sanken. Zweitens blieben bei vielen Startups die Kapitalspritzen aus. Dies brachte die Bank in eine Liquiditätsklemme, weshalb sie gezwungen war, Wertpapiere zu verkaufen, vermutlich mit Verlust. Das Drehbuch ist der Pleite der Silvergate-Bank frappierend ähnlich.

Bis hierhin war es unangenehm für die SVB, aber noch nicht tragisch oder gar existenzbedrohend. Doch auf Investoren wirkte es, als habe die Bank ein ernsthaftes Liquiditätsproblem. Nun ging alles rasend schnell. Ab dem 9. März kam es zu einem rapiden Abverkauf der Aktien, deren Kurs bis zum 10. März um rund 75 Prozent nachgab. Das Vertrauen implodierte, ein Bankrun setzte ein: Die Kunden zogen innerhalb eines einzigen Tages 42 Milliarden Dollar ab, woraufhin die Bank mit einer Milliarden Dollar im Minus war. Sie war nicht mehr in der Lage, Forderungen bedienen – sie war insolvent.

Die Kunden der SVB sind – oder waren – vorwiegend Unternehmen, die von Investoren Kapital eingeholt hatten. Das macht die SVB speziell. Nur ein kleiner Teil der Einlagen lag unter 250.000 Dollar, was in den USA die Grenze für den Einlagenschutz ist. 97,3 Prozent der Einlagen waren nicht gesichert.

Die Pleite der SVB kann für das Ökosystem der Startups im Silicon Valley verheerende Folgen haben. Es droht eine Welle an Zahlungsausfällen. Die Pleite kann auch auf andere Banken übergreifen – etwa wenn die Startups Kredite nicht mehr bedienen können – und damit zu einer Neuauflage der Lehmann-Krise 2008 führen. Was uns hier aber interessiert, sind die Folgen für Kryptowährungen. Denn diese hielten das Ökosystem übers Wochenende außer Atem.

Die direkten Folgen für Kryptowährungen

Schon am Donnerstag-Abend wurde bekannt, dass Circle einen zunächst ungenannten Betrag auf einem Konto der Silicon Valley Bank hielt. Circle ist die Herausgeberin von USDC, dem zweitgrößten Stablecoin des Marktes.

Auch wenn zunächst nicht viel konkretes bekannt war, reagierte der Kryptomarkt sofort: Auf Curve, einer dezentralen Plattform für Stablecoins, sanken die Tether-Reserven im Pool: Die Trader tauschten USDC gegen Tether. Das war der Vorbote für das, was kurz darauf auf den Spotmärkten der Börsen geschehen würde: USDC entkoppelte sich vom Dollar.

Circle ging am 11. März aus der Deckung und erklärte, dass 3,3 Milliarden Dollar der 40-Milliarden-Dollar-Reserve bei der SVB lagen. Das sind nicht mal zehn Prozent der Reserven, womit die Circle-Dollar weiterhin sehr viel besser gedeckt sind als die Gelder, die Banken an ihre Kunden ausgeben. Es gäbe eigentlich keinen direkten Grund für einen Bankrun. Dennoch brach der Kurs der USDC massiv ein.

Bis zum Nachmittag des 11. März sank der Preis der USDC auf bis zu 89 Cent. Während die Tether-Dollar USDT stabil blieben – teilweise sogar über einen Dollar stiegen – brach der dezentral herausgegebene DAI-Dollar mit USDC ein. Fast schon synchron fiel er ebenfalls auf 89 Cent. Der Grund: Die DAI-Reserven bestehen zu mehr als 40 Prozent aus USDC.

Wenn also ein Stablecoin rund acht Prozent seiner Reserven möglicherweise verliert, und ein anderer Stablecoin, der gut 40 Prozent seiner Reserven in jenem Stablecoin hält – dann fällt er nicht um etwa 3-4 Prozent – was dem realen Wertverlust der Reserven entspräche – sondern um rund 11 Prozent. So als wären die DAI nicht zu 30, sondern zu 100 Prozent durch USDC gedeckt.

Die Situation entzündete spannende spieltheoretische Theorien. Rein von den Reserven her sollten die USDC zwar einen Wert von 92 Cent erhalten. Doch da Circle gestattet, die Dollar-Token 1:1 gegen echte Dollar einzutauschen – das ist der Deal –, sinkt die Deckung je USDC, je mehr davon ausgelöst werden. Es gibt quasi einen Bankrun – wer kann, holt sich noch einen Dollar je USDC ab, wer zu spät kommt, droht, überhaupt nichts mehr zu bekommen. Circle kann nur hoffen, dass die SVB irgendwie gerettet wird oder ein Investor Kapital nachschießt. Wenn nicht müsste Circle die Auszahlungen stoppen oder an den Marktpreis anpassen, was einer Kapitulation gleichkäme.

Die Circle-Dollar sind sehr eng mit dem gesamten Ökosystem der Dezentralen Finanzen (DeFi) verwoben. Sie sind quasi seine Leitwährung. Ein vollständiger Kollaps würde in zahlreichen DeFi-Apps Liquidierungskaskaden einleiten, die drohten, das gesamte Ökosystem der Kryptowährungen mit sich zu reissen. Diese Befürchtung ließ die Preise quer durch den Markt purzeln. Die gesamte Marktkapitalisierung fiel von rund 990 auf 913 Milliarden Dollar, Bitcoin von 22.000 auf 19.600 Dollar, Ethereum von 1.530 auf 1.380 Dollar.

USDC-Kurs im 7-Tages-Kursverlauf nach coinmarketcap.com

Dann kehrte sich die Bewegung um und die Stablecoins stiegen bis zur Nacht wieder auf 98 Cent. Heute liegen sie wieder bei fast 99 Cent.

Was war geschehen? Zunächst hatte Circle dem Markt versichert, dass es durch die eigenen Mittel in der Lage sein wird, den Liquiditätsengpass durch die SVB-Pleite auszugleichen. Falls nötig, werde das Unternehmen „hinter USDC stehen und jeden Engpass durch eigene Ressourcen oder externes Kapital ausgleichen.“

Nicht lange darauf folgte die zweite rettende Nachricht: Das Finanzministerium der USA und die Zentralbank FED veröffentlichten eine Pressemitteilung. In ihr versicherten sie, sämtliche Einlagen bei der SVB zu schützen: „Kunden werden ab Montag, den 13. März, den Zugang zu ihren gesamten Einlagen haben.“ Der Einlagenschutz greift also grenzenlos, doch anders als bei den Bankenrettungen der Vergangenheit wird „kein Verlust, der mit der Auflösung der Silicon Valley Bank einhergeht, dem Steuerzahler aufgebürdet.“ Stattdessen müssen die Shareholder, also die Aktionäre, den Verlust tragen. Sie werden nicht geschützt, ihre Wertpapiere quasi liquidiert.

Die indirekten Folgen

Man kann an der Stelle aufatmen. Das Schlimmste wurde noch verhindert. USDC lebt weiter, auch wenn ein kleiner Vertrauensverlust bleibt, wie eine Narbe im Kurs, der nicht mehr ganz einen Dollar beträgt, sondern nur noch knapp 99 Cent. Bitcoin und Ethereum erholten sich rasch und entschieden.

Gesamte Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen nach Coinmarketcap

Denn nachdem sich der Nebel der offensichtlichen, direkten Folgen der SVB-Pleite verzogen hatte, offenbarten sich die indirekten, mittelfristig viel wichtigeren Folgen. Man könnte diese Folgen auf die alte Weisheit herunterbrechen: Not your keys, not your coins. Wer nicht die Schlüssel für seine elektronischen Werte hält, besitzt sie nicht. Diese Weisheit holt nun mehrere Parteien ein.

Erstens trifft sie all die Startups, die das Geld, das ihnen Investoren gegeben haben, bei der Silicon Valley Bank bunkerten, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Zwar springt die Regierung ein, um sie zu retten – doch der Warnschuss dürfte kaum zu überhören sein. Banken sind nicht sicher. Wer als Unternehmen mehr als 250.000 Dollar an liquiden Mitteln verwahrt, sollte sich entweder viele Banken aussuchen, um den Einlagenschutz zu genießen – oder er sollte zumindest einen Teil in Kryptowährungen speichern. Wer weiß, ob die Regierung auch das nächste Mal eingreift?

Zweitens spüren nun auch Stablecoins, die durch Dollar auf einer Bank gedeckt sind, dass diese Einlagen keine gute Sicherheit abgeben. Selbst wenn nur ein kleiner Teil der Bankeinlagen verschwindet, wird dies den Stablecoin entkoppeln. Die Herausgeber der Token müssen ihre Einlagen entweder auf sehr viele Banken streuen – oder sie durch Kryptowährungen decken.

Drittens funktioniert der Plan von DAI, die Reserve zu einem Teil durch andere Stablecoins zu decken, nicht, wenn es eng wird. Das Ganze ist nicht mehr, sondern weniger als die Summe ihrer Teile, da ein einzelner Teil für alles steht. Durch Bankeinlagen gedeckte Stablecoins lasten auf der Bilanz von DAI-Dollar und anderen dezentralen Stablecoins. Wenn sie stabil bleiben wollen, müssen sie diese durch Kryptowährungen ersetzen.

Diese Lektionen könnten zum Besten werden, was dem Kryptomarkt seit langem passiert ist. Sie führen ihm selbst vor Augen, wie gefährlich die zu enge Verstrickung mit dem System des Fiatgeldes ist – und den weiteren Märkten, wie unsicher Bankeinlagen sind.

Einer der ersten, der diese Lektionen voll und ganz begriffen hat, ist Chengpeng Zhao, der Chef der Börse Binance. Er hat den 1-Milliarden-Dollar-Fonds der Revocery Initiative seiner Börse, bisher in den Stablecoins BUSD, in native Kryptowähurngen gewechselt, darunter Bitcoin, Ethereum und BNB.

Er wird nicht der letzte sein.

Über Christoph Bergmann (2801 Artikel)
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5 Kommentare zu Juhu, die Bank ist pleite!

  1. Hier sind die Vorgänge sehr gut erklärt. Mir ist erst jetzt klar geworden, dass durch einen Bankrun JEDE Bank pleite geht, egal wie gut ihr Ruf vorher war, und dass schon einige schlechte Nachrichten dieses Ereignis auslösen können.

    Das, was also für die Stablecoins gefordert wird – mindestens vollständige Deckung durch Papiere guter Bonität – erfüllt keine Spareinlage einer Bank.

    Oder anders gesehen: Spareinlagen bei Banken dürften gar nicht Teil von Stablecoin-Deckung sein.

    Am Ende kann man nur froh sein über solche „Katastrophen-Testläufe“, weil es Lernen unter realistischen Bedingungen erlaubt.

  2. there's no free lunch // 13. März 2023 um 14:02 // Antworten

    Ich fürchte, es ist eine Wunschvorstellung, dass die Anlage der bisher bei Banken liegenden Gelder in Kryptowährungen die einzige Lösung für die Zukunft darstellen könnte.

    Eine wesentlich attraktivere Variante dürften für viele Institutionen und Unternehmen die kommenden CBDCs sein. Die Regierungen und Zentralbanken werden dann nur noch die auf den Zentralbankkonten gehaltenen Einlagen so umfänglich garantieren, wie es jetzt für die Einlagen bei der SVB gilt. Da werden sich viele entscheiden, aufgrund des nicht vorhandenen Kursrisikos lieber dort ihr Geld zu parken, als es in Kryptos zu tauschen.

    Damit taugt letztlich der aktuelle Vorfall nicht nur für einen (eventuell vorübergehenden) Push bei den Kryptos, sondern langfristig wird er den Weg für die Akzeptanz der CBDCs ebnen. Leider…

  3. Wie sollen die Aktionäre zahlen wenn die Aktie nichts wert ist?

  4. Noch ein interessanter Aspekt des Ereignisses – Anleihen höchster Bonität als Falle: https://www.faz.net/aktuell/finanzen/bankenpleite-wie-man-mit-sicheren-anleihen-geld-verlieren-kann-18747156.html

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