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CFTC klagt Binance an: Das skandalöse Innenleben der größten Kryptobörse der Welt

Blick auf Dubai. Bild von themonnie via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die CFTC klagt Binance an, und die Klageschrift gibt unschöne Einblicke in die größte Kryptobörse der Welt. Dass sich die CFTC zuständig fühlt, könnte für den Markt aber immerhin ein regulatorisch günstiges Signal sein.

Nachdem die US-Börsenaufsicht SEC in den vergangenen Monaten die Krypto-Branche vor sich hergetrieben hat, schlägt nun auch die CFTC zu, die „Commodity Future Trading Commission“, die den Handel mit Rohstoff-Derivaten überwacht und reguliert. Und die CFTC fackelt nicht lang, sondern nimmt sich gleich den größten Fisch zur Brust: die Kryptobörse Binance.

Die CFTC klagt Binance und ihren Gründer Chengpeng Zhao an, US-Bundesgesetze mutwillig verletzt zu haben und eine Illegale Plattform für den Derivatehandel zu betreiben. Die Klage wurde am US-Bezirksgericht Nord-Illinois eingericht. Neben Chengpeng Zhao wird auch der ehemalige Compliance Officer der Bröse, Samuel Lim, angeklagt.

Schon die Pressemitteilung deutet darauf hin, wie umfangreich die Klage ist. „Binance hat über Jahre hinweg bewusst CFTC-Regeln verletzt und aktiv an deren Umgehung mitgewirkt, damit das Geld weiter fließt,“ fasst der CFTC-Vorsitzende Rostin Behnam zusammen. Im Kern der Anklage stehe, präzisiert die CFTC-Direktorin Gretchen Lowe, „die mutwillige Unterwanderung von US-Gesetzen.“ Dies zeigten die Mails und Chats der Angeklagten, welche das Beweismaterial der Klage bilden.

„Futures, Swaps und Hebel digitaler Assets, die Commodities sind“

Sehr viel tiefer geht ein Blick in die Klageschrift selbst. Diese werden bei US-Behörden immer öffentlich gemacht. In ihnen erfährt man bis zum Gehtnichtmehr, wie skandalös es bei der größten Kryptobörse der Welt zuging.

Wesentliche Teile der Klageschrift gehen auf Nachrichten über den Messanger Signal zurück. Dieser erlaubt es, Nachrichten automatisch zu löschen, nachdem sie gelesen wurde. Obwohl  Zhao und die Mitarbeiter, mit denen er kommunizierte, diese Funktion benutzen, kennt die CFTC zahlreiche Konversationen. Entweder haben Mitarbeiter Screenshots gemacht, oder die Regierung hat Signal irgendwie gehackt oder gebrochen.

Natürlich können wir die umfangreiche Klage nur ausschnittsweise wiedergeben. Unter Zhaos „Vorsitz und Kontrolle“ und mit Lims „bereitwilliger und substanzieller Unterstützung“ habe Binance Personen in den Vereinigten Staaten erlaubt und ermöglicht, „mit Futures, Swaps und Hebel digitale Assets zu handeln, die Commodities sind“, also Rohstoffe im finanztechnischen Sinn.

Das ist ein extrem interessanter Punkt. Die CFTC versteht „bestimmte digitale Assets“ als Commodity, darunter „BTC, ETH, LTC und zumindest zwei durch Fiatgeld gedeckte Stablecoins, Tether (USDT) und die Binance USD (BUSD)“. Das ist eine regulatorisch heiße Aussage, da die Börsenaufsicht SEC meint, dass alle Kryptowerte außer Bitcoin Securitys seien, also Wertpapiere, und deswegen derzeit in allen Himmelsrichtungen Klagen anstößt, unter anderem gegen Paxos, weil diese mit BUSD unerlaubt eine Security herausgeben haben.

Was sind ETH und Stablecoins nun? Security oder Commodity? Oder beides, je nachdem, mit welcher Behörde man es zu tun hat? Dass sich die beiden wichtigsten Regulierer in den USA derart uneinig sind, dürfte für die Branche anstrengend sein, da es keine klaren Regeln gibt, auf die man sich verlassen kann – aber es dürfte auch Stoff dafür abgeben, um vor Gericht für die eigenen Interessen zu streiten.

Aber zurück zur Klage.

Das 2-BTC-Schlupfloch

Die CFCT wirft Binance also vor, mutwillig die Regeln in den USA ignoriert zu haben, um Umsatz und Profit durch US-Kunden zu machen.

Die Regulierer in den USA verlangen grundsätzlich, dass jeder nach ihren Regeln spielt, der US-Bürger als Kunden hat. Egal wo der Firmensitz ist. Wenn man wie Binance also Derivate anbietet – Futures, Optionen, Swaps, gehebelte Trades – dann muss man dies bei den zuständigen US-Behörden anmelden und die entsprechenden Auflagen umsetzen. Und da die CFTC Kryptowährungen für Commodities hält, sieht sie sich zuständig.

Um den Anschein zu erwecken, diese Vorgaben zumindest ernstzunehmen, hat Binance ab Mitte 2019 angeblich Kunden blockiert, die sich mit einer IP-Adresse aus den USA anmelden wollten. Allerdings habe Binance laut CFTC nicht den Zugang wirklich blockiert, sondern lediglich ein Pop-Up aufsteigen lassen, durch das die Kunden bestätigen müssen, keine US-Bürger zu sein. Dies entspricht etwa den Gepflogenheiten europäischer Banken, denen man bestätigen muss, kein US-Bürger  zu sein.

Nach diesem kurzen Schritt konnte man bei Binance ohne weitere Prüfung handeln. An sich verlangt zwar auch Binance eine KYC-Prüfung, bei der die Börse unvermeidbar erfahren würde, welche Kunden US-Bürger sind. Doch das „Zwei-BTC-Schlupfloch“ erlaubt es, sich nur mit einer E-Mail zu registrieren, wenn man je Tag Kryptowährungen im Wert von maximal zwei Bitcoin abbucht. Erst bei größeren Auszahlungen ist (oder war) es notwendig, seine Identität mit einem Ausweisdokument zu verifizieren.

Dieses Schlupfloch habe es erlaubt, informierte Lim seinen Chef Zhao, dass US-Bürger die Plattform weiterhin benutzen. Das war wohl durchaus erwünscht. Noch Anfang und Mitte 2020 kamen fast 20 Prozent der Kunden von Binance aus den USA, darunter nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen wie Marketmaker oder Broker.

Für 600 Dollar kann man kaum ein Maschinengewehr kaufen?

Dass das 2-BTC-Schlupfloch nicht nur legale User anzog, die das Pech hatten, in der falschen Jurisdiktion zu leben, nahm man bei Binance offenbar hin. Das ist die Stelle, ab der es skandalös wird.

Chats und Emails zeigen immer wieder, dass die Mitarbeiter von kriminellen Aktivitäten der User wussten. Im Februar 2019 kommentierte Lim etwa eine Transaktion, die in Bezug zur palästinensischen Terrororganisation Hamas stand. Die Summe sei mit 600 Dollar doch gering, mit dem Betrag könne man sich „kaum eine AK47“ kaufen. Auch später gestand er ein, dass Kriminelle unter den Kunden seien und man das sehe, „aber zwei Augen“ verschließe.

Das hatte durchaus System, auch bei größeren Beträgen. Als ein Mitarbeiter Lim Mitte 2020 darüber informierte, dass eine Transaktion von mehr als 5 Millionen Dollar in Verbindung mit dem Darknetmarktplatz Hydra stand, instruierte Lim ihn, er solle den Kunden darüber informieren, vorsichtiger mit seinen Geldströmen zu sein. Der Account müsse zwar geschlossen werden, doch der Kunde sollte wissen, dass er sich einen neuen anlegen könne. So als ginge es nicht um Drogengeld in Millionenhöhe, sondern um einen Troll in einem Internetforum.

Blockaden durch VPNs umgehen

Mit am ärgsten stößt der CFTC aber wohl auf, dass das Personal bei Binance selbst daran arbeitete, die laxen Kontrollen und Sperren zu umgehen. Zwar habe Binance „IP-basierte Compliance-Kontrollen“ eingerichtet, welche den Zugang von Kunden aus bestimmten Ländern, darunter der USA, begrenze. Hier ist die Klageschrift etwas widersprüchlich. Gab es nur ein Pop-Up – oder eine echte Blockade? Oder hat Binance die Blockade im Lauf der Zeit verschärft?

So oder so haben die Maßnahmen nicht ausgereicht, meint die CFTC. Vor allem aber habe Binance selbst die Kunden instruiert, die Kontrollen durch Virtuelle Private Netzwerke (VPNs) zu umgehen. Das hatte bei Binance System. So hat etwa „Binance Academy“ einen Leitfaden veröffentlicht, der über VPNs informierte, und sogar erklärte, dass man durch sie „Seiten aufrufen kann, die in deinem Land blockiert sind.“ Ein Schelm, wer dabei —

Das ist wohl der Moment, in dem sich Lim und Zhao nicht mehr mit Nachlässigkeit herausreden können.

Handel gegen die eigenen Kunden

Während viele in der Kryptoszene an sich ein gewisses Verständnis dafür haben, es mit regulatorischen Auflagen nicht ganz so ernst zu nehmen, dürfte ein Vorwurf, den die CFTC eher nebensächlich erwähnt, stärker empören: „In der relevanten Zeitspanne hat Binance auf seiner eigenen Plattform mit etwa 300 ‚Hausaccounts‘ gehandelt, die alle direkt oder indirekt Zhao gehörten.“

Die CFTC klagt nun, dass Binance dieses Eigentrading geheim gehalten hat, anstatt die Kunden darüber zu informieren. Beweise dafür, dass Binance mit ihnen betrogen oder Insidertrading betrieben hat, nennt die Klageschrift nicht. Dennoch dürfte klar sein, dass Binance eine große Menge Geld damit verdient hat, gegen die eigenen Kunden zu handeln. Des einen Gewinn ist des anderen Verlust. Anders geht Trading nicht. Darüber hinaus sind 300 Accounts eine ideale Grundlage, um Wash-Trading zu machen – um ein Handelsvolumen zu faken, welches Binance größer erscheinen lässt, als die Börse tatsächlich ist.

Das könnte erklären, wie Binance es schaffte, die Handelsgebühren so stark zu senken, und dennoch genügend Geld einzunehmen, dass der Gründer Chengpeng Zhao zum (vorübergehend) reichsten Asiaten der Welt wurde. Es gibt aber vor allem einen guten Grund ab, auch als Nicht-US-Bürger einen weiten Bogen um die Börse zu machen.

Und nun?

Wohin die Klage geographisch geht, ist eine nicht ganz einfache Frage. Denn die im Internet monolothisch erscheinende Börse ist tatsächlich ein Geflecht zahlreicher Unternehmen, die an verschiedenen Gerichtsorten sind – Irland, die Cayman-Islands, Singapur, Malta, Dubai, Tokio, die USA und andere – und zu den weitesten Teilen unter Kontrolle von Zhao stehen: Binance Holdings, Binance Serices, Binance UAB, Merit Peak, Sigma Chain, BAM Trading, und viele andere.

Dieses Firmengeflecht verschleiere absichtlich die Identität und den Gerichtsstandort der Handelsplattform, beklagt die CFTC. Zwar betreibe die Börse transparent Büros und Abteilungen an vielen Standorten, doch die leitenden Büros, wo die Officers und die C-Riege arbeiten, hält sie geheim. „Stattdessen hat Zhao immer wieder konstatiert, dass das Hauptquartier von Binance dort ist, wo er sich befindet.“ Und das ist derzeit mutmaßlich Dubai, ein Ort, der kein Auslieferungsabkommen mit den USA unterhält.

Daher dürften Zhao und Lim nicht unmittelbar vor Gericht gezerrt werden. An ihrer statt könnten US-Mitarbeiter von Binance oder andere führende Manager per Auslieferungsbefehl angeklagt werden. Auch US-Unternehmen, die bisher noch mit Binance zusammenarbeiten – etwa Blockchain-Analysten, Cloud-Hoster und Trading-Unternehmen – dürften die Zusammenarbeit angesichts der Klage zügig abschießen.

Binance selbst wird wohl trotz dieser Einschränkungen munter weiteroperieren – und auch unverdrossen US-Kunden bedienen. Nachhaltig verhindern könnte dies erst ein Gesetz, dass die Nutzung von VPNs durch Kunden ernsthaft verbietet – wie es der Kongress derzeit angeblich plant.

Bis dahin wird die Klage der CFTC vor allem den Effekt haben, Binance so wie Bitfinex in den Underground zu treiben und damit noch weiter dem Einfluss der Regulierung zu entziehen. Denn auch wenn sich Binance vielen Regeln widersetzt, die die Börse als geschäftsschädigend wahrnimmt, so bemüht sie sich doch auch, etwa die Blacklists des US-Finanzministeriums umzusetzen und zumindest teilweise als Partner von Strafverfolgern und Regulierern aufzutreten.

Daher wird sich noch zeigen, wem die Klage der CFTC mehr schadet – der Börse Binance oder den Regulierern selbst.

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3 Kommentare zu CFTC klagt Binance an: Das skandalöse Innenleben der größten Kryptobörse der Welt

  1. Binance war leider schon immer shady und reiht sich zwar in die Reihe von Exchanges, die Monero listen, aber ihre Wallet wegen „Network issues“ oder „Wallet maintenance“ ständig für Auszahlungen offline nehmen oder einzelne (meist größere) ablehnen, obwohl es keinerlei Staus auf der Blockchain gibt.

    Viele in der Community vermuten, dass Binance größtenteils „Paper XMR“ tradet, insbesondere weil man die Wallet anders als bei transparenten Chains extern nicht überwachen kann. Der Kurs zudem ist meistens deutlich niedriger als bei Kraken oder dezentralen Exchanges, beim „Monerun“, der in der Community vor ca. 1 Jahr organisiert wurde und aufgerufen hat, alle XMR von zentralisierten Exchanges zu nehmen, waren Auszahlungen auf Binance für über eine Woche gesperrt, während der Preis bei Kraken um über 10% gestiegen ist…

    Zentralisierte Exchanges eignen sich bestenfalls als Fiat On-/Off-Ramps, man sollte seine Funds aber möglichst sofort von diesen abziehen sobald der Trade durch ist, die Geschichte zeigt uns genügend Beispiele von verbrecherischen Exchanges. Dezentrale Börsen sind viel weniger anfällig für Preismanipulation, da das Orderbook immer akurat den aktuellen Zustand zeigt, wohingegen auf zentralisierten Börsen beliebig manipuliert werden kann. Gerade beim Margin Trading lohnt es sich für Börsen die Positionen seiner Kunden zu beobachten und ggf. um wenige Prozent in die eine oder andere Richtung auszuschlagen, um Liquidationen hervorzurufen.

    • Hast du gerade versehentlich eingeräumt, dass eine intransparente Blockchain auch Nachteile haben kann? 🙂

      • Im Falle von zentralisierten Börsen definitiv, das beobachten wir schon seit Jahren, aber dezentrale Alternativen mit entsprechendem Volumen und User Experience lassen leider noch auf sich warten… In der Monero Community gab es sogar schon einen Aufruf, sich an Binance zu wenden, XMR komplett zu delisten, nur bräuchten wir einfache dezentrale Alternativen. Die meisten Swap Services sind weiterhin zentralisiert und eignen sich daher nur für überschaubare Beträge.

        Langfristig bin ich positiv gestimmt, dass wir nach all den Scams der letzten Jahre trotzdem irgendwann zu großen Teilen auf dezentrale Alternativen umsteigen werden, lediglich bankenähnlich durchregulierte Verwahrer werden für institutionelle Anleger übrig bleiben, die ihre Assets nicht selbst verwahren wollen oder können. Dieser Service wird aber wahrscheinlich ähnliche Kosten wie ein Aktiendepot, ETF oder Fund generieren, wenn die Anbieter kein Schindluder mehr damit treiben können, für Privatpersonen wird sich das kaum lohnen.
        Nur: Ich prognostiziere einen wirklichen Switch in 10+ Jahren, davor werden etliche Prozesse gegen zentralisierte Börsen und (Stable-)Coin Aussteller ausgefochten werden usw.

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