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Shitcoins auf Bitcoin lassen Gebühren eskalieren

Traffic Jam! Bild von hillman54 via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Auf der Bitcoin-Blockchain ist es derzeit voll. Der Mempool schwillt an, die Gebühren steigen. Für die meisten User, die einfach nur Bitcoins versenden wollen, wird dies zum Ärgernis – für die Miner dagegen zur Quelle schöner Profite.

Es gibt ein Fee-Event: ein MemPool-Ereignis, einen Stau auf der Blockchain. Die User fragen wesentlich mehr Transaktionen nach, als die Miner bestätigen können, weshalb, ganz nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage, die Gebühren steigen, ach was: explodieren.

Da alles auf der Blockchain geschieht, ist alles völlig transparent, und wir können mit weitgehend objektiven Daten zeigen, was passiert. Man muss nur wissen, wie man die Daten deutet.

1.) Die Gebühren

Den meisten Usern ist es egal, was ein Mempool ist, wie viel in einen Block passt, was ein virtuelles Byte ist und so weiter. Sie wollen Bitcoin nicht studieren, sondern benutzen, und das, was für sie zählt, sind die Gebühren. Wie viel muss man blechen, damit die Überweisung bestätigt wird? Hand aufs Herz – wie viel?

Die Gebühren betragen derzeit, am Dienstag-Nachmittag, laut mempool.space zwischen 48 und 217 Satoshi je virtuellem Byte (vByte), je nachdem, ob man sie priorisiert. In Dollar umgerechnet kostet eine nicht priorisierte typische Transaktion 1,86 Dollar. Nicht-priorisiert meint vermutlich, dass sie eine Chance hat, bestätigt zu werden, aber nicht so rasch. Wenn man dagegen möchte, dass die Transaktion mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Minuten bestätigt wird, muss man derzeit 8,41 Dollar bezahlen. Je nach Transaktionsgröße eine bittere Pille.

Chart nach mempool.space

In der Nacht auf Dienstag, zwischen 1:00 und 2:00, erreichten die Gebühren ihre Spitze. Um es in den nächsten Block zu schaffen, musste man mehr als 300 vByte je Satoshi bezahlen, also ungefähr dass Doppelte wie aktuell.

Die hier vermerkten Gebühren gehen von durchschnittlichen Transaktionen mit einer Größe von 140 virtuellen Byte aus. Je nach Komposition können Transaktionen aber auch deutlich größer sein, etwa wenn man mehrere Inputs verbindet. Wenn eure Wallet es erlaubt, solltet ihr prüfen, wie viele Inputs in eine Transaktion einfließen, und diese gegebenenfalls reduzieren.

Wer zu wenig Gebühren bezahlt, riskiert, dass seine Transaktion auf schwer absehbare Zeit im Nirwana der Mempool-Hölle festhängt. Wer das vermeiden will, sollte in seiner Wallet wenn möglich RBF aktivieren (Replace by Fee). Damit kann man die Transaktion beschleunigen, indem man nachträglich die Gebühren erhöht. Gerade bei größeren Beträgen und eiligen Überweisungen empfiehlt sich das.

Die Wallet Electrum beispielsweise unterstützt RBF, und ihr könnt so gut wie jede Wallet über den Seed bei Electrum importieren. Das könnte derzeit wichtig sein.

Wer das Glück hat, bereits ein funktionierendes Lightning-Setup zu haben, sollte davon Gebrauch machen und wo es geht mit Lightning bezahlen. Keine Onchain-Transaktionen, keine Onchain-Gebühren. Nun einen Lightning-Channel zu eröffnen, dürfte jedoch viel zu teuer sein.

2.) Der MemPool

Anders als die Blockchain ist der MemPool keine objektive Größe. Er umfasst die Transaktionen, die unbestätigt im Speicher eines Nodes liegen, also eben noch nicht Teil der Blockchain sind. Über sie herrscht per Definition kein Konsens, weshalb der MemPool nur die individuelle Sicht eines einzelnen Nodes abbildet.

Mempool.space zeigt derzeit rund 415.000 unbestätigte Transaktionen mit einer Größe von beinah 200 virtuellen Megabyte. Jochen Hoeneckes MemPool-Visualisierung zeigt ein weitgehend identisches Bild. Blendet man hier jedoch die Transaktionen ein, die 0-1 sat / vByte an Gebühren bezahlen, schwillt der MemPool auf mehr als 250 virtuelle Megabyte an.

Aber ich gebe zu, für viele dürften diese Zahlen mehr Verwirrung stiften als Klarheit schaffen …

Was bedeuten diese Zahlen? Wie übersetzt man virtuelle Bytes in Bytes?

Wir haben hier eine etwas verkorkste Größenordnung. Mit SegWit wurden die „virtuellen Bytes“ eingeführt, eine Größe, die aus Sicht des Technikers sinnvoll sein mag, alle anderen aber eher verwirrt. Seit SegWit werden die verschiedenen Bestandteile einer Transaktion unterschiedlich gewichtet, weshalb es nicht pauschal möglich ist, virtuelle in echte Bytes umzurechnen.

Aber wir versuchen uns einer Übersetzung anzunähern.

MemPool nach Blockchain.com.

Blockchain.com zeigt etwas über 30 Megabyte im MemPool an. Das erscheint aber so wenig, dass man annehmen muss, dass der Node von Blockchain.com den MemPool relativ scharf abriegelt. In jedem Fall weicht die Zahl deutlich von allen anderen Schätzungen ab.

Geht man von einer durchschnittlichen Transaktionsgröße von 200-300 Byte aus, würden die gut 415.000 unbestätigten Transaktionen gut 100 Megaybte entsprechen. Bei einer derzeitigen Größe der Blöcke von etwa 1,7 Megabyte bräuchte es gut 60 Blöcke oder 600 Minuten, also 10 Stunden, um sie zu bestätigen.

Man kann auch andersherum kalkulieren: In einen Block passen maximal viertausend virtuelle Bytes. Das ist das sogenannte Gewicht. Daher würde es knapp 50 Blöcke, also 500 Minuten oder achteindrittel Stunden dauern, um den derzeitigen MemPool zu leeren. Nochmal anders gerechnet, enthalten die meisten Blöcke etwa 4.000 Transaktionen, weshalb noch mit gut 100 Blöcken zu rechnen ist, bis das Backlog von 415.000 Transaktionen abgearbeitet ist, was etwa zwei Drittel eines Bitcoin-Tages von 144 Blöcken bedeutet.

Das wiederum trifft sich ganz gut damit, dass im Laufe der letzten 24 Stunden rund 640.000 Transaktionen bestätigt wurden. Somit haben wir keine exakte Zahl, aber einige einigermaßen konsistente Schätzungen.

3.) Die Einnahmen der Miner

Die Gebühren erreichen ein neues Hoch. Es gibt mehr Transaktionen denn je zuvor – dazu gleich mehr – und die Gebühren sind extrem gestiegen.

Gesamte Transaktionsgebühren der Miner nach blockchain.com.

Kein Wunder, verdienen sich die Miner derzeit eine goldene Nase. Man kann sie sich wie ein Unternehmen vorstellen, das bei gleichen Herstellungskosten nicht nur mehr Produkte verkauft – sondern auch noch zu höheren Preisen. Klingt nach Reibach und ist auch so.

Der Chart mit den von den Minern durch Gebühren vereinnahmten Bitcoins steigt in den letzten Tagen geradezu senkrecht an, von knapp 14 BTC Ende April auf nun mehr als 635 BTC. Am Tag haben die Bitcoin-Miner gestern mehr als 17 Millionen Dollar durch Transaktionsgebühren eingenommen.

… und in Dollar.

Zum Vergleich: Durch den nativen Reward von 6,25 Bitcoin je Block haben die Miner gestern 900 Bitcoin verdient. Die Einnahmen durch Gebühren tragen damit einen erheblichen Teil zur Sicherheit von Bitcoin bei. Wenn es so weitergeht, wird Bitcoin das kommende Halfing überstehen, ohne Einbußen bei der Sicherheit durch die Mining-Power befürchten zu müssen.

So unangenehm das hohe Transaktionsniveau für die User ist – es ist notwendig, damit Bitcoin nachhaltig sicher bleibt.

4.) Anzahl und Aufkommen der Transaktionen

Die Anzahl der bestätigten Transaktionen ist auf einem Allzeithoch. Noch nie hat das Netzwerk so viele Überweisungen verarbeitet. Bitcoin skaliert also doch.

Die täglich bestätigten Transaktionen, normalisiert nach dem 30-Tages-Schnitt nach Blockchain.com

Am ersten Mai haben die Miner 682.000 Transaktionen bestätigt und damit ein Allzeithoch erreicht. Seitdem bleibt die Anzahl täglicher Transaktionen auf einem hohen Niveau, mit rund 575.000 am 8. Mai und noch etwas mehr im Verlauf der letzten 24 Stunden.

Wie drastisch dieser Anstieg ist, zeigt der 30-Tages-Durchschnitt. Dieser lag in den letzten Jahren in der Regel zwischen 200.000 und 350.000.

Damit durchbricht Bitcoin zum ersten Mal in seiner Geschichte die magische Marke von sieben Transaktionen je Sekunde. Soviel sollte Bitcoin in seiner ursprünglichen Gestalt erreichen, wenn alle nur minimale Standard-Transaktionen versenden. Da echte Transaktionen aber komplexer sind, mäanderte Bitcoin in der Regel zwischen 2,5 und 3,5 Transaktionen je Sekunde. Am 8. Mai hingegen waren es sogar mehr als 9.

Bitcoin skaliert – aber wofür wird die Kryptowährung benutzt?

5.) Der Wert der Transaktionen

Die etwas ernüchternde Nachricht lautet, dass Bitcoin zwar Transaktionen skaliert, aber nicht den Transfer von Werten. Der korreliert geradezu negativ zum Transaktionsaufkommen:

Wert der Bitcoin-Outputs nach blockchain.info

Der Wert der durch Transaktionen versendeten Bitcoins sinkt, anstatt zu steigen. Er rangiert in der Gegend eines 3-Jahres-Tiefs, was auch nicht besser wird, wenn man den Dollarwert der geschätzten Zahlungen als Maßstab nimmt.

Es sind also nicht Zahlungen. Es wäre schön, doch die Nutzung als Geld erklärt nicht, warum das Transaktionsaufkommen bei Bitcoin gerade explodiert.

6.) BRC-20 Token

Wenn man sich die Charts zu den Transaktionstypen anschaut, fällt auf, dass eine Art von Transaktionen rasant wächst: Taproot-Transaktionen.

Taproot ist jener neuer Transaktionstypus, der, eher versehentlich, als Basis für Ordinals Inscriptions und die darauf aufbauenden BRC-20-Token dient. Die Anzahl der Taproot-UTXOs explodierte von etwa 1,85 Millionen Ende April auf nun beinah 5 Millionen, und die Anzahl der Taproot-Outputs stieg von etwa 5.000 auf teilweise mehr als 250.000.

Taproot-Statistiken bei txstats.com

An manchen Tagen Anfang Mai waren mehr als 50 Prozent der Transaktionen Taproot-Transaktionen, die keine Bilder, sondern einen Text in den Merkle-Tree eingeflochten hatten – ein klares Zeichen für ein BRC-20-Token.

Ein BRC-20-Dashboard bei Dune Analytics.

Und ein Dashboard auf Dune Analytics bestätigt genau das: Allein gestern fielen 320.000 BRC-20-Transaktionen an. Kein Wunder – es gibt mittlerweile schon mehr als 14.000 BRC-20 Token, was vor allem Memecoins wie Ordi oder Meme oder Pepe meint.

Screenshot von brc-20.io

Bitcoin skaliert also – aber es skaliert als Plattform für Shitcoins, nicht als neues, starkes Geld.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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5 Kommentare zu Shitcoins auf Bitcoin lassen Gebühren eskalieren

  1. Paul Janowitz // 9. Mai 2023 um 17:19 // Antworten

    Bitcoin skaliert also – aber es skaliert als Plattform für Shitcoins, nicht als neues, starkes Geld.

    Ich halte das für ziemlich stark formuliert, auch wenn ich $PEPE & co. durchaus so bezeichnen würde, aber nicht weiß, ob sich doch nicht ein sinnvolles Projekt darunter befindet.

    Hingegen bist Du bei der Schätzung der Gebühren ziemlich gnädig, ich war zwischendurch auf mempool.space, als innerhalb der letzten 5 Blöcke keine Transaktion unter 400 Sat/vB durchgekommen ist. Keine einzige. Der Schnitt lag bei deutlich über 500.

    Derweil schossen LTC Transaktionen auf das 5-fache hoch und könnten BTC sogar überholen. Kurzfristig macht das ja auch Sinn, denn auch ich weiche auf LTC oder BCH aus, wenn ich kein Monero nutzen kann, selbst wenn die Transaktionsgebühren nicht komplett durchdrehen, weil die meisten Dienstleister für BTC eben ein gewisses Risiko hoher Gebühren einberechnen und ich am Ende ein paar Euro draufzahlen müsste. Langfristig hat Litecoin und auch BCH das selbe Problem wie Bitcoin, nur eben etwas zeitlich verschoben: Eine starre Blocksize.

    Und wer hat – mal wieder – eine mögliche Lösung parat? Ja, genau! Monero 😉
    Und zwar eine, die schwache Nodes nicht von einem Tag auf den anderen ausbootet wie bei BSV, sondern eine, die nachhaltig skalieren kann und wird. Miner müssen einen Teil des Base Rewards dafür opfern, die Block Size zu vergrößeren, User müssen die Fees dafür übernehmen. Je schneller die Erhöhung laufen soll, desto teurer wird es, umgekehrt quadatisch: 10% Erhöhung sind 1% Strafe des Base Rewards, 50% Erhöhung sind 25% Strafe, basierend auf dem Median der letzten 100 Blöcke.

    Die üblichen Verdächtigten wie Roman Rehar oder Jonas Schnelli zwitschern schon von den bösen Big Blockern, wahrscheinlich per SMS vom Nokia 3310.
    https://twitter.com/janowitz/status/1655812971820380163

  2. Wolfgang Lohmann // 9. Mai 2023 um 17:55 // Antworten

    Bitcoin skaliert.
    BTC (noch?) nicht.

    Das, was man da sieht, ist auch kein hohes Transaktionsvolumen. Das beginnt bei 1000TPS 😉

    Kleine Auffrischung?

    „The existing Visa credit card network processes about 15 million Internet purchases per day worldwide. Bitcoin can already scale much larger than that with existing hardware for a fraction of the cost. It never really hits a scale ceiling.“ (https://bitcointalk.org/index.php?topic=1391350.0)

    Bitcoin SV beweist es durch Vorführen. Es scheitert nur daran, dass man im BTC Bereich andere Vorstellungen davon hat, was wichtig ist, wie z.B. dass jeder Raspi eine Kopie der ganzen Kette haben soll, die spezielle Form von Dezentralität eben. Ist ja auch legitim. Aber Satoshi sah es anders.

    @Paul: 1) Ganz falsch ist der Verdacht auf Bigblocker nicht. 3 mitmischende Firmen waren früher auf BSV unterwegs. Jetzt haben sie ihr Knowhow auf BTC übertragen und machen Geld. Ihnen wurde ja immer hfsp vorgeworfen ;-).
    2) Bei BSV gibt es eine Policy-API, mit der Knoten sich gegenseitig über die von ihnen akzeptierte Blockgröße austauschen. Sollten mal mehr Knoten im Netzwerk sein, würde dies verhindern, dass die Blockgröße zu schnell hochgesetzt würde, weil sich sonst diese Knoten dadurch wegforken. Ein gewisser Druck auf die schwachen Knoten würde das aber trotzdem ausüben. Monero hat eine interessante Lösung, aber sie ist etwas komplizierter. Ich beobachte.

    PS: virtuelle Bytes sind aus meiner „Ingenieurssicht“ nicht sinnvoll. Sie dienen dazu, die Blockgröße zu vergrößern, obwohl man behauptet, man bleibe bei 1 MB. Auf diese Weise kann man die Blöcke für Softfork beliebig vergrößern, niemand kann sich wehren.

    • Paul Janowitz // 9. Mai 2023 um 19:31 // Antworten

      2) Bei BSV gibt es eine Policy-API, mit der Knoten sich gegenseitig über die von ihnen akzeptierte Blockgröße austauschen. Sollten mal mehr Knoten im Netzwerk sein, würde dies verhindern, dass die Blockgröße zu schnell hochgesetzt würde, weil sich sonst diese Knoten dadurch wegforken.

      Bei 2 oder von mir aus 10 Nodes (die sich kennen) kann das funktionieren, nicht aber dezentral. Können wir gerne ausdiskutieren.

      PS: virtuelle Bytes sind aus meiner “Ingenieurssicht” nicht sinnvoll. Sie dienen dazu, die Blockgröße zu vergrößern, obwohl man behauptet, man bleibe bei 1 MB. Auf diese Weise kann man die Blöcke für Softfork beliebig vergrößern, niemand kann sich wehren.

      Stimme weitgehend zu. Dem normalen User nicht vermittelbar und zwar prunebar, aber warum diese Daten dann mit 75% Discount gewertet wurden und jetzt eben exploited, kann ich nicht verstehen.

  3. Interessant, dass diese hohen Einnahmen der Miner noch nicht in den Aktienbewertungen der Miner angekommen sind – siehe der entsprechende ETF „WGMI“. Sie bewegen sich einfach nur mit dem BTC-Kurs. Das Geschehen wird im Moment wohl nur von Crypto-Insidern verstanden.

    • Paul Janowitz // 10. Mai 2023 um 7:50 // Antworten

      Die Akteure am Markt beobachten das wahrscheinlich, aber sie halten es für eine sehr kurzfristige Erscheinung, die nicht wirklich in die Bewertung einer Aktie (die eher langfristig ist) einfließt. Einem Aktionär bringen 100% Mehreinnahmen über zwei Wochen halt nicht wirklich viel, das Jahres-Ergebnis wird dadurch maximal um 4% gestüzt.

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