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Ist der Bitcoin-Preis wirklich gestiegen, weil Großbritannien die EU verlassen wird?

Die Briten haben sich entschieden, die EU zu verlassen. Für die Wirtschaft Europas bedeutet das nichts Gutes, die meisten Börsenkurse stürzten ab – nur der Bitcoin ging steil nach oben. Wie hängen Bitcoin und Brexit jedoch wirklich zusammen?

Vergangenen Freitag hat sich, wie ihr alle wisst, die Mehrheit der Briten entschieden, die EU zu verlassen. Vermutlich strebt Großbritannien eine Stellung an, die der der Schweiz oder Norwegens ähnelt: der Union europäischer Staaten eng verbunden, aber nicht deren Mitglied zu sein. Ob sich dies so entwickelt, wie es sich die „Brexit“-Anhänger wünschen, ist derzeit noch unklar.

Klar sind hingegen die wirtschaftlichen Verwerfungen des Brexit: Das britische Pfund verlor gut 11 Prozent, der Euro einen halben Dollar-Cent; der Dax stürzte um über 10 Prozent ab, der europäische Banken-Index legte mit minus 15 Prozent den stärksten Verlust seiner Geschichte hin. Die Ratingagentur S&P hat die Kreditwürdigkeit Großbritanniens herabgestuft, der britische Milliardär Richard Branson sagt seiner Heimat eine Rezession voraus, während sein Unternehmen, das unter anderem eine Fluggesellschaft umfasst, ein Drittel seines Wertes verlor. Und die EU schließlich, die bis vor kurzem noch die Wirtschaftszone mit dem weltweit größten Bruttoinlandsprodukt war, wird vermutlich hinter die USA und China abrutschen.

Während auf den Börsen also Blut floss, gab es zwei Anlagen, die starke Gewinne verzeichneten: Gold – und Bitcoin. Unsere Kryptowährung ist von gut 500 auf deutlich über 600 Euro gestiegen. Ist das Zufall – oder System? Welchen Einfluss hat der Brexit auf den Bitcoin? Investieren die Briten jetzt in Bitcoin, um sich vor einem Crash des Pfundes zu schützen?

Wenn man sich das Handelsvolumen von Börsen, die Bitcoins auch gegen Pfund handeln, anschaut, etwa von Coinfloor oder GDAX, dann sticht der vergangene Freitag zwar etwas heraus. Allerdings nicht wesentlich deutlicher als bei anderen Währungspaaren.

Der 30-Tages-Chart von Coinfloor. Das Volumen am Tag des Brexit-Referendums sticht nicht übermäßig heraus.

Der kräftige Anstieg des Bitcoins an jenem Tag hätte zu jeder Zeit, unabhängig vom Brexit, zu einem erhöhten Handelsvolumen geführt. Wenn man sich den 30-Tages-Kursverlauf von Coinfloor, der wichtigsten Pfund-Bitcoin-Börse, anschaut, fällt auf, dass das Volumen am vergangenen Freitag sogar geringer war wie anlässlich der anderen Kursturbulenzen in diesem turbulenten Juni. Auch im Anschluss an den Freitag fällt kein im Durchschnitt auffällig hohes Handelsvolumen auf.

Alles in allem ist also kein spezieller Zusammenhang zwischen der Nachfrage nach Bitcoins der Briten und dem Brexit festzustellen. Ist die Korrelation also nur Zufall?

Vermutlich nicht. Wenn man sich anstatt der Bitcoin-Kurse die „Google-Kurse“ – also google-trends – vornimmt, findet man eine klare Korrelation.

Vergleicht man das britische mit dem deutschen Interesse am Bitcoin laut Google-Trends, zeigt sich, dass die Spitze in Großbritannien deutlich stärker ausfällt:

Die rote Kurve ist das Interesse aus Deutschland, das anlässlich des Brexits auch deutlich steigt, aber längst nicht so stark wie das der Briten. Den Bewohnern der britischen Inseln muss also am Freitag bewusst gewesen sein, dass der Bitcoin aufgrund des Brexits für sie besonders interessant ist. Nur – warum?

Ich kann nur spekulieren. Zum einen dürfte natürlich ein Crash der eigenen Währung Grund genug sein, um sich für eine Alternative zu informieren. Zum anderen können wir darüber nachdenken, was der Brexit nicht konkret bewirkt, sondern BEDEUTET, um so zu erkennen, welche Folgen dies auf die Wahrnehmung des Bitcoins hat.

Der Brexit und die auf ihn folgenden wirtschaftlichen Vewerfungen zeigen erstens, wie sensibel die etablierten Währungen, die Aktienindize und die Banken auf politische Veränderungen reagieren. Wenn die Politik Unsinn macht, werden Werte zerstört. Zweitens ist der Brexit ein Symptom dafür, dass Europa zurück in die Nationalstaatlichkeit flüchtet. Nationaler Egoismus obsiegt über die instituionelle Verbrüderung Europas in der EU; die Bevölkerung unseres phantastischen Kontinents ist ja gerne bereit, die Segnungen des Metastaats EU zu „ertragen“, macht die Schotten aber dicht, wenn es darum geht, anderen EU-Ländern aus der Patsche zu helfen oder Flüchtlinge zu verteilen. Der Brexit ist ein Symptom für die Grenzen der europäischen Kooperation.

Und was hat dies mit dem Bitcoin zu tun? Direkt nur wenig, indirekt umso mehr. Denn der Bitcoin ist erstens eine vollständig entnationalisierte Währung. Wenn weltweit nun die Nachfrage nach Bitcoins steigt, so ist das auch ein Zeichen dafür, dass die Märkte und Menschen eine Entnationalisierung des Geldes wollen, aber den Glauben daran verlieren, dass es der Politik gelingen wird, die vielen Reibungen und Ineffizienzen, die mit Nationalgeld einhergehen, jemals zu beseitigen.

Zweitens hat Bitcoin, wie Gold, Eigenschaften eines „sicheren Hafens“: eines Anlageobjektes, das sich den Turbulenzen der wirtschaftspolitischen Ströme entzieht, weil es nicht wie Fiat-Geld gedruckt werden kann, sondern auf einer begrenzten Menge beruht. Die Kryptowährung ist eines jener Investmentgüter, die gerne gewinnen, wenn die anderen verlieren. Immer dann, wenn die Politik in die Wirtschaft eingreift und Schaden stiftet, beweist dies, dass ein „entpolitisiertes Geld“ wie Bitcoin die bessere Alternative ist.

Der Brexit ist nun eines dieser politischen Ereignisse, durch die die meisten vermutlich verlieren werden. Und er wird wahrscheinlich nicht das letzte sein.

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