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„Es wäre nicht klug, virtuelle Währungen abzuschreiben.“

Gepunktete Welt. Bild von Matti Mattila via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Nun, da Bitcoin Kurse von deutlich mehr als 10.000 Euro erreicht, wird es wahrscheinlicher, dass Kryptowährungen tatsächlich einen Effekt auf das globale Finanzwesen nehmen werden. Institutionen, Banken und Ökonomen sind sich dessen aber nur teilweise bewusst.

Vielleicht geht ja, um Marx zu paraphrasieren, derzeit tatsächlich ein Gespenst um in der Finanzwelt, und vielleicht heißt dieses Gespenst Bitcoin und die Furcht, die es begleitet, ist, dass die Kryptowährung die globalen Finanzsysteme destabilisiert.

Dass Bitcoin, ein staaten- und bankenloses und inflationsfreies Geld, einen Effekt auf das Weltfinanzsystem nehmen kann, wird seit 2009 behauptet. Ein solcher Einfluss wäre kein Zufall, sondern beabsichtigt. Denn Bitcoin wurde nicht geschaffen, um friedlich neben dem herkömmlichen Finanzwesen zu koexistieren – sondern um es herauszufordern, zu bekämpfen und zu ersetzen. Bitcoin eliminiert den Einfluss von Mittelsmännern und Zentralbanken auf das Geldwesen. Dass dies revolutionär ist, versteht sich eigentlich von selbst.

Die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, wurde für lange Zeit jedoch für äußerst gering erachtet. In der Regel hat die Idee, dass Bitcoin das Finanzwesen umwälzt, bei Bankern und Ökonomen lange Zeit nur ein spöttisches Lächeln hervorgerufen. Die Regulierer rund um die Welt haben sich zwar der Kryptowährung zugewandt, allerdings lediglich, um die kriminelle Nutzung von Bitcoin einzudämmen, also auf dem Mikro-Level der individuallen Handlungen zu intervenieren. Dass Bitcoin auch einen Effekt auf dem Makro-Level, also auf der Ebene des globalen Finanzwesens haben kann, wurde lange ignoriert.

Auch heute, bei einem Wert von mehr als 13.000 Euro je Einheit, ist Bitcoin weiterhin zu klein, um in dieser Hinsicht ernsthaft zu zählen. Aber, immerhin, mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 300 Milliarden Dollar, könnte Bitcoin bereits einige ernsthafte Effekte auf große Märkte nehmen – etwa auf die Chipproduktion – und es ist vielleicht sogar schon sichtbar auf globaler Ebene. Die Voraussage, dass Bitcoin einmal globale Finanzmärkte erschüttert, ist nicht mehr lächerlich aufgeplustert – sie wurde zu einer gar nicht mehr so unwahrscheinlichen Möglichkeit.

Gibt es Hinweise, dass große Finanzinstitutionen sich damit auseinandersetzen? Dass sie sich darauf vorbereiten, dass Bitcoin die Weltwirtschaft verändert? Wir haben ein wenig in aktuellen Nachrichten gesucht, und nicht eben viel, aber immerhin einige Hinweise gefunden.

Organe der US-Regierung

In den letzten Monaten haben mehrere US-Behörden einige Kommentare zu Bitcoin abgegeben. Die Kommentare zeigen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Bitcoin mit dem Vermerk abgewatscht werden kann, dass es zu klein und unbedeutend ist. Heute beschäftigen sich alle Behörden ernsthaft mit Bitcoin und Kryptowährungen und haben begonnen, die notwendige Debatte auch öffentlich zu führen.

Der neue Governeur der US-Zentralbank, der Federal Reserve, kurz FED, Randal Quarles, hat jüngst gewarnt: „Während diese digitalen Währungen bei der gegenwärtigen Nutzung noch keine große Gefahr darstellen, könnte es zu ernsthafteren Problemen mit der finanziellen Stabilität führen, wenn sie einmal weitläufig genutzt werden.“

Quarles hat dabei Bitcoin explizit so gut wie gar nicht genannt. Seine Bemerkung handelte eher von digitalen Währungen als einem neuen technischen Paradigma, um Werte zu repräsentieren. In dieser Hinsicht zielen seine konkreten Sorgen weniger darauf, dass Bitcoin die Weltwirtschaft übernimmt, als dass die Zentralbanken die Technologie von Bitcoin übernehmen werden. „Ich habe vor allem Bedenken, dass eine von einer Zentralbank herausgegebene digitale Währung, die weitläufig auf der Erde in Umlauf ist, zum Opfer ernsthafter Cyberangriffe wird und genutzt wird, um Geld zu waschen und Terror zu finanzieren.“

Die Mahnung von Quarles wird untermalt durch weitere Warnungen von US-Behörden. Eine Gruppe von Regulierern, darunter neben der Zentralbank das Finanzministerium und die Börsenaufsicht, hat jüngst der Besorgnis Ausdruck verliehen, dass die wachsende Beliebtheit von Bitcoin und anderen digitalen Währungen das Potenzial zeigt, die finanzielle Stabilität zu gefährden. Die Behörden verlangen daher eine Verschärfung der Aufsicht.

Banken

Bei Banken hat es mittlerweile Tradition, vor Bitcoin zu warnen. Meist waren die Warnungen vor der Kryptowährung weniger ein Produkt einer gründlichen Analyse, sondern eher ein Reflex gegen ein Geld, das für Banken – verständlicherweise – unvorteilhaft ist, da es finanzielle Intermediäre überflüssig macht. Meist haben Banken das Phänomen als irrevelant abgetan.

Nun, Ende 2017, hat sich der Ton dieser Warnungen geändert. Ein hervorragendes Beispiel ist die von der Deutschen Bank herausgegebene Liste mit 30 Risiken für das globale Finanzwesen im nächsten Jahr. Auf Platz 13 listet der Bericht ein Crash von Bitcoin.

Es mag ein Stück übertrieben sein, einem Bitcoin-Crash globale Folgen zuzuschreiben – doch es zeigt, wie wach die Welt geworden ist, und wie weit sich Bitcoin von dem winzigen Nischengeld entfernt hat, das es noch vor einigen Jahren war. Eine Bedrohung für die Weltwirtschaft kommt nicht aus der Nische.

Der IWF

Wenn es so etwas gibt, wie eine Welt-Finanz-Regierung, dann dürfte es der Internationale Währungsfond, kurz IWF, sein. Dessen Direktorin Christine Lagarde hat kürzlich einen Kommentar zu Bitcoin abgegeben:

„Derzeit geht von Bitcoin wenig oder gar keine Herausforderung der existierenden Ordnung der Fiat-Währungen und Zentralbanken aus,“ so Lagarde, „Warum? Weil es zu volatil, zu riskant, zu energieintensiv ist, und weil die unterliegende Technologie noch nicht skaliert. Viele [der Kryptowährungen] sind zu undurchsichtig für Regulierer; und manche wurden gehackt.“

Mit anderen Worten, der IWF sieht Bitcoin oder andere Kryptowährungen derzeit noch nicht als ernstzunehmende Konkurrenz für das Fiat-Geld. Daher sind die Risiken für den IWF überschaubar. Allerdings ist Lagarde klar, dass sich dies ändern kann. „Vor nicht allzu langer Zeit haben einige Experten gemeint, dass PCs niemals angenommen werden, und dass Tablets nur als teure Kaffeehalter benutzt werden. Ich denke daher, es wäre nicht klug, virtuelle Währungen abzuschreiben.“

In einer Pressekonferenz führt ein IWF-Mitarbeiter die Haltung der Institution zu Bitcoin ein Stückchen weiter aus: „Wir haben also zu Bedenken gegeben, dass Kryptowährungen ernsthafte Risiken in sich tragen, als potenzielle Vehikel für Dinge wie Geldwäsche, Terrorfinanzierung, Steuerflucht und so weiter zu dienen. Es ist also notwendig, Kryptowährungen gut ausbalanciert einzuschätzen.“ Sowohl Kryptowährungen als auch ICOs sollen, so der Pressesprecher, angemessen reguliert und überwacht werden.

Insgesamt scheint der IWF Bitcoin weiter so zu sehen, wie man es die Jahre über gehandhabt hat: als ein Ziel von Regulierung und Strafverfolgung. Ernsthafte Effekte auf die globalen Finanzsysteme erkennt der IWF, zumindest derzeit, noch nicht.

Ökonomen

Joseph E. Stiglitz ist einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler der Gegenwart. Der ehemalige Vize-Präsident und Chef-Ökonom der Weltbank wurde vor einigen Jahren mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.

In einem Interview hat Stiglitz unlängst ein Verbot von Bitcoin und anderen Kryptowährungen verlangt: „Eine der wichtigsten Funktionen von Regierungen ist es, eine Währung zu schaffen, und Bitcoin ist nur erfolgreich, weil es das Potenzial hat, die Aufsicht zu umgehen. Es scheint mir, als müsste man es verbieten.“

Bitcoins, meint Stiglitz, „erfüllen keine nützliche soziale Funktion. Wir sollen einfach zu etwas zurückgehen, das wir bereits hatten … Wenn wir von dem Tauschmittel für Transaktionen reden, würde ich sagen, entsorgen wir das Papiergeld, im 21. Jahrhundert einer digitalen Wirtschaft.“

Stiglitz meint vor allem, dass Bitcoin mehr Schaden anrichtet als Nutzen zu bringen. Er zeigt aber keinen Hinweis, dass er sich über systemische Risiken durch das Wachstum von Bitcoin bewusst ist. Sandra Phlippen, eine belgische Ökonomin, fürchtet hingegen, dass Bitcoin die Weltwirtschaft destabilisieren kann.

„Wir wissen, dass der Preis rasch ansteigt, und dass bereits Milliarden von Dollar investiert wurden,“ schreibt Phlippen. „Und da liegt die echte Gefahr: Eine Welt des Bitcoins kann die echte Wirtschaft destabilisieren.“ Für die Ökonomin verursacht Bitcoin mehrere Probleme: „Erstens untergräbt Bitcoin die Regierung, da eine Menge der Transaktionen gemacht werden, um Geld zu waschen oder Steuern zu vermeiden. Ein anderes Problem ist, dass die Einnahmen durch neue Bitcoins keiner Regierung nützen (wie die normale Geldschöpfung), sondern lediglich die Umwelt mit Computerleistung schwer belasten.“

Die meisten Bitcoin-User finden es gut, dass Zentralbanken keinen Einfluss auf die Währung haben. Für Phlippen ist genau das gefährlich: „In Zeiten der Krise können Zentralbanken ihren Einfluss auf gewöhnliche Banken nutzen, um die Kreditvergabe zu befördern und Leute zu ermutigen, Geld auszugeben. Über eine Bitcoin-Ökonomie hat die Bank keine Macht, weshalb Krisen tiefer gehen können.“

Mit diesen interessanten Sorgen über eine künftige Bitcoin-Ökonomie steht Phlippen derzeit noch weitgehend alleine da. Vermutlich liegt dies daran, dass noch kaum jemand wirklich daran glaubt, dass Bitcoin oder eine andere Kryptowährung einmal die Finanzwirtschaft auffressen wird.

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