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Pseudo-Satoshi Craig Wright wird auf 10 Milliarden Dollar verklagt

Craig Wright behauptet, gemeinsam mit dem verstorbenen Dave Kleiman Bitcoin erfunden zu haben. Da sich Craig aber anscheinend die gesamten 1,1 Millionen Bitcoin sowie das geistige Eigentum des Teams Satoshi unter den Nagel gerissen hat, verklagt ihn nun der Erbe von Dave, sein Bruder Ira, auf die unglaubliche Summe von 10 Milliarden Dollar.

Manchmal sind Gerichtsvorgänge amüsanter als jede Komödie. Die Anklageschrift gegen Craig Wright, die gestern veröffentlicht wurde, fügt der Operette um den australischen Pseudo-Satoshi zwar nichts wesentliches hinzu. Sie bringt aber eine interessante, an Ironie kaum zu überbietende Wendung ins Spiel: Der Bruder von Dave Kleiman, der angeblich mit Craig Bitcoin erfunden hat, nimmt dessen Geschichte ernst – und findet darin Hinweise, dass Craig seinen Bruder massiv um Bitcoins und geistiges Eigentum an der Erfindung betrogen hat. Also hat er die Anwaltskanzlei Boies Schiller Flexner damit beauftragt, diesen zu verklagen.

Wenn du eine Geschichte erfindest und dann von den Protagonisten verklagt wirst ….

Der Großteil der Klageschrift beruht auf den unzähligen Quellen, die es im Falle Craig Steven Wright bereits gibt, auch wenn bei den meisten bezweifelt werden kann, dass sie echt sind. Dieser Story zufolge waren Craig Wright und Dave Kleiman bereits seit 2003 befreundet. „Die Beziehung, geboren aus einer beidseitigen Obsession mit Kryptographie und Datensicherheit“, fand hauptsächlich über E-Mails und in Internet-Foren statt.

Dave Kleiman war ein ehemaliger Hubschraubermechaniker der Army, der seit einem Motorradunfall im Rollstuhl saß, sich aber einen Namen als Experte für Computersicherheit machte. Er war Mitglied zahlreicher einschlägiger Organisationen und Autor diverser Bücher und Paper. Er steckte sich 2010 mit MSRA an und war seitdem in medizinischer Behandlung. Am 22. März 2013 brach er die Behandlung ab, am 26. April starb er.

Laut der offiziellen Craig-Story hat Craig Dave Ende 2008 gebeten, ihm beim Verfassen des Bitcoin-Whitepapers und auch bei der Realisierung des Programms zu helfen. Angeblich haben die beiden zusammen 1,1 Millionen Bitcoin gemined. Darin involviert war die von Dave 2011 in Florida gegründete Firma W&K Info Defense Research, welche sich laut von Craig produzierten Dokumenten mit dem Mining von und der Softwareentwicklung rund um Bitcoin beschäftigte. Im Frühjahr 2014 wurde sie von der Sekretärin Uyen Nguyen übernommen. Über die Frau ist aber nicht viel mehr bekannt, außer dass sie W&K im Spätsommer 2016 wieder auflöste. Es wäre natürlich sehr erheiternd, wenn Uyen es gelungen wäre, sich die Bitcoins anzueignen, hinter denen Craig Wright her ist. Aber bleiben wir bei der Geschichte um die 10-Milliarden-Dollar-Klage.

Ein Serienbetrüger — oder einfach nur eine schlecht konstruierte Geschichte?

Laut Angaben von Craig Wright gegenüber dem australischen Finanzamt haben er und Dave 1,1 Millionen Bitcoins erzeugt. Dies bestätigte er in mehreren E-Mails. Anscheinend verwahrte Dave bzw. die Firma W&K die Bitcoins mit einem angeblich komplizierten Fonds. Zahlreiche Mails und andere Dokumente belegen, dass Dave und Craig die gemeinsamen Besitzer der Bitcoins waren.

In einer E-Mail, die Craig nach Daves Tod an dessen Bruder Ira schrieb, bestätigte er, dass Dave zumindest der Besitzer eines Drittels der Bitcoins war. Ira fragt: „In einer der Emails zwischen dir und Dave erwähnst du, dass ihr eine Million Bitcoin im Fonds habt, und dass davon 300.000 ihm gehören. Ist es korrekt, dass die anderen 700.000 deine sind?“ Craig antwortetet: „Etwa das, abzüglich der Kosten für die Firma.“

Nachdem Dave gestorben war, hat Craig der Anklageschrift zufolge zahlreiche Methoden ersponnen, um zum alleinigen Besitzer der Bitcoins zu werden und das mit der Erfindung verbundene geistige Eigentum an sich zu reissen. Dazu hat er mehrere Verträge gefälscht, etwa ein Abkommen über das geistige Eigentum, ein Vertrag über einen Kredit mehrerer hunderttausend Bitcoins oder über den Verkauf einer Firma. Alle diese Dokumente wurden erst nach Daves Tod gebildet und auf 2011, 2012 und 2013 rückdatiert. Bei der Prüfung der Unterschriften fiel Ira auf, dass Craig Wright Daves Unterschrift durch eine Computerschrift namens Otto gefälscht hatte. Als er Craig damit konfrontierte, räumte dieser ein, die Unterschrift getürkt zu haben, behauptete aber, die Verträge seien dennoch valide.

Auch das australische Finanzamt bestätigt, dass Craig eine Neigung zur Dokumentenfälschung hat. Angeblich hat er Dutzende von Rechnungen zurückdatiert oder gefälscht. Dies legt nahe, dass die vielen geleakten Dokumente und Webseiten, die Ende 2015 angeblich bewiesen, dass Craig Satoshi ist, von ihm selbst stammen, da mehrere davon, etwa Blogposts oder PGP-Schlüssel, ebenfalls zurückdatiert worden sind.

Die Anklageschrift geht nun davon aus, dass Dave der rechtmäßige Besitzer von 1,1 Millionen Bitcoin ist, aber Craig seine Erben um diese Bitcoins betrogen haben. Ira hat von Craig wiederholt verlangt, diese Coins zu übergeben, doch Craig hat sich geweigert. Nun verklagt Ira Craig auf einen Schadensersatz. Den Wert der Bitcoins gibt die Anklageschrift mit rund 10 Milliarden Dollar an.

Ein wahrer Kern?

Man könnte die Klage als ironische Wendung in der Geschichte eines Hochstaplers verstehen. Wer meint, er müsse vorgeben, Satoshi zu sein, also der Besitzer von angeblich einer Million Bitcoins, und dabei auch noch einen verstorbenen Bekannten als Mitgründer hineinzieht, um der Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, muss sich nicht wundern, wenn dessen Erben die Story ernst nehmen und daraus eine Klage ableiten.

Dennoch bleibt die Rolle von Dave Kleiman ein Rätsel. Er hätte die notwendigen Kenntnisse, um Satoshi zu sein, der Ausbruch seiner Krankheit fiel mit dem sukzessiven Rückzug von Satoshi zusammen, und sein Tod würde schließlich erklären, warum Satoshi seine Bitcoins niemals bewegt hat.

Auch das Verhalten von Craig gegenüber Daves Erben könnte dies bestätigen. Die Email-Korrespondenzen zwischen Craig und den Hinterbliebenen von Dave sind die einzigen neuen Quellen, die die Anklageschrift ins Spiel bringt. Ihnen zufolge hat Craig erst seinen Vater, dann seinen Bruder Ira, angeschrieben, und diese unter anderem aufgefordert, auf Daves Rechner nach einer wallet.dat zu suchen und ihm diese zu schicken. Man könnte meinen, dass Craig irgendwie erfahren hat, dass Dave Satoshi war, und nun versuchte, sich mit einer Reihe von fragwürdigen Mitteln Satoshis Bitcoins anzueignen.

Allerdings gibt es dafür wiederum auch keinen Beweis. Ebenso gut möglich wäre es, dass Craig auch diese E-Mails vorgetäuscht hat, um sich als Satoshi zu inszenieren.

Mt. Gox und das australische Finanzamt

Besonders interessant ist ein Beweismittel der Anklageschrift: Ein angeblicher Vertrag zwischen Craig Wright und Dave Kleiman. Wie die meisten von Craig vorgelegten Dokumente war dieser zurückdatiert, und die Unterschrift von Kleiman war mit der erwähnten Computerschrift Otto gefälscht.

Dieser Vertrag benennt zwei Adressen, die Craig gehören, die 12hRmmSda9qSSEH656zBaKEbeisH6ZhdTm sowie die 12C9c9VQLMrLi4Ffzq2wDvwrKnUPaAaNFp. Dem Vertrag zufolge würde Wright bis zum 30. April mehr als 200.000 Bitcoins von diesen Adressen an Adressen im Besitz von Kleiman senden, welche dieser bis zum 30. Dezember 2013 zurückzahlen sollte.

Mit den Mitteln sollte Kleiman Software entwickeln, dessen geistiges Eigentum Craig Wright gehöre. Auch hat Craig 1.000 Computer gestiftet, mit denen Kleiman Bitcoins minen sollte. Den gesamten Wert des Kredits gibt der Vertrag mit 40 Millionen Australischen Dollar an.

Der Vertrag ist ganz offensichtlich eine clevere Fälschung. Wenn man die genannten Adressen genauer anschaut, fanden tatsächlich im Jahr 2011 Transaktionen in der genannten Größenordnung an die genannten Adressen statt, was auf den ersten Blick die Echtheit des Vertrags zu bestätigen scheint. Tatsächlich aber gehören die Adressen zu Mt. Gox, was zu in Bitcoin-Kreisen bereits bekannt war. WizSec, ein mit Mt. Gox beschäftiges japanisches Ermittlungsteam, kann auch die anderen in von Craig erstellten Dokumenten Adressen von Mt. Gox auffinden. Die Ermittler schreiben daher: „Das ist keine große Verschwörung von Millionen gestohlener Bitcoins, es ist ein Kerl, der ‚Bitcoin Rich Lists‘ durchsucht, sich einige zufällige Adressen herauspickt und sagt ‚Das sind meine‘, warum auch immer, während er keine weiteren Beweise liefert, abgesehen von einigen ungeschickt rückdatierten Dokumenten.“

Was Craig mit diesem gefälschten Dokument genau wollte, ist unklar. Eventuell wollte er beanspruchen, der Eigentümer irgendwelcher echten oder erdachten Produkte zu sein, die W&K entwickelt hatte, vielleicht wollte er den Erben von Dave Kleiman vormachen, dieser schulde ihm noch mehrere hunderttausend Bitcoins. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass das Dokument dort hinführt, wo die Operette begann: zum  australischen Finanzamt. Denn Craig konnte durch das Dokument behaupten, im Jahr 2011 40 Millionen Australische Dollar ausgegeben zu haben, um so seine Steuerlast mittels Abschreibungen vermutlich über Jahre hin auf Null zu drücken.

Die unglaublichen Wendungen, die diese Geschichte seitdem genommen hat, sind bekannt. Am amüsantesten dürfte wohl sein, dass die Geister, die Craig schuf, um Ausgaben vorzutäuschen, die er niemals hatte, nun zurückkehren, und ihn auf eine irrsinnige Summe verklagen. Aber das ist nur eine Vermutung. Noch viel verrückter wäre die Geschichte, wenn das unwahrscheinliche doch war und Craigh Wright tatsächlich Satoshi wäre …

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