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„Kryptofans feiern es, dass man hochmoderne Technologie verwendet, um das Geldsystem 300 Jahre zurückzuwerfen.“

Der Ökonom Paul Krugman. Bild von Commonwealth Club via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Der Nobelpreisträger Paul Krugman rechnet in einem Kommentar in der New York Times mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen ab. Dabei verbindet er die üblichen Argumente von 2013 mit denen von 2017. Der Kommentar ist scharfzüngig, hat aber auch seine Schwachstellen.

Paul Krugman, 65, dürfte einer der bekanntesten Ökonomen der Welt sein. Der Amerikaner hat den „Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften“ gewonnen und vertritt den Standpunkt, dass freie Märkte zwar gut sind, aber nicht gut genug, als dass keine Eingriffe notwendig wären. Damit stellt sich Krugman in die Mitte zwischen Liberalen und Sozialisten, und wird dementsprechend auch von beiden Seiten kritisiert.

Bekannt ist der Ökonom aber vor allem für seine Kolumnen in der New York Times. In der jüngsten hat er sich nun, endlich, den Kryptowährungen gewidmet. Sein Kommentar hat den Titel „Warum ich ein Krypto-Skeptiker bin“ und dürfte nicht eben auf Begeisterung in der Krypto-Szene stoßen. Im Großen und Ganzen wiederholt er zwei Kritikpunkte, die wir schon zur Genüge gehört haben: „Die Transaktionskosten und das Fehlen eines Werkankers.“ Schauen wir uns dennoch genauer an, was er sagt.

Bitcoin reduziert keine Reibungen, sondern schafft sie

Krugman erklärt, dass die Geschichte des Geldes die Tendenz hat, die Reibungen und den Aufwand des Zahlungsverkehrs zu reduzieren. Erst gab es Münzen aus Gold und Silber, aber diese haben nicht nur eine Menge Sicherheitsaufwendungen benötigt, sondern – und hier wird es interessant: „eine Menge Resourcen gekostet, um produziert zu werden.“ Krugman zählt die Herstellungskosten des Geldes zu den volkswirtschaftlichen Reibungen, die es verursacht. Das ist ein Punkt, den man so recht selten hört.

Das Erscheinen von Banknoten, die nur teilweise gedeckt sind, hat beide Arten von Reibungen abgebaut. Sie waren leichter zu handhaben und erlösten Arbeit und Ressourcen davon, Münzen aus Edelmetall herzustellen. Im Lauf der Zeit ging man dazu über, kein Bargeld, sondern Schecks, Kreditkarten oder digitale Transaktionen zu verwenden, weil diese den Zahlungsverkehr noch flüssiger machen.

Angesichts dieser Geschichte findet Krugman den Enthusiasmus der Kryptowährungs-Szene schräg, „denn Kryptowährungen gehen genau in die gegensätzliche Richtung des Trends. Anstatt beinah reibungsloser Transaktionen haben wir hohe Kosten, Geschäfte zu betreiben, denn um Bitcoin oder andere Kryptowährungen zu transferieren, benötigt man die komplette Geschichte der vergangenen Transaktionen. Anstatt Geld durch einen Mausklick zu erschaffen, haben wir ein Geld, das geschürft werden muss durch ressourcenintensive Computer-Berechnungen.“ Dies sei so, als würde man es feiern, „dass man hochmoderne Technologie verwendet, um das Geldsystem 300 Jahre zurückzuwerfen.“

Bitcoin ist durch nichts gedeckt

Das koventionelle Geld, so Krugman, mache einen ganz guten Job. Die Transaktionskosten sind gering, die Kaufkraft ist vorhersehbar. Kryptowährungen haben sich daher auch nach neun Jahren nicht wirklich im Handel durchgesetzt. Dies bedeute aber noch nicht, dass sie eine reine Blase sind. Denn ähnliches lässt sich über Gold und Bargeld sagen. Die großen Geldscheine beispielsweise spielen so gut wie keine Rolle im Konsum, sondern werden vor allem für kriminelle Aktivitäten wie den Drogenhandel und Steuervermeidung benutzt.

Kryptowährungen konkurrieren, meint Krugman, um diese Art von Geschäften. „Kaum jemand benuzt Bitcoin, um seine Rechnungen zu bezahlen, aber einige Leute benutzen es, um Drogen zu kaufen, Wahlen zu manipulieren und so weiter.“ Diese Art von Bedarf könnte Bitcoin einen Wert geben. Allerdings haben Kryptowährungen gegenüber den guten alten Scheinen einen Nachteil: Ihr Wert ist nirgendwo verankert. Dollar sind am Ende dadurch gestützt, dass die US-Regierung sie für Steuerschulden akzeptiert, Gold dadurch, dass man daraus Schmuck und andere Dinge bauen kann.

„Kryptowährungen haben dagegen keine Anker in der Realität. Ihr Wert hängt vollständig von selbsterfüllenden Prophezeiungen ab – was bedeutet, dass es eine echte Möglichkeit ist, dass sie vollständig zusammenfallen. Wenn Spekulanten einen kollektiven Moment des Zweifels haben, eine plötzliche Furcht, dass Bitcoins wertlos sind, dann, nun ja, würden Bitcoins wertlos werden.“ Dass dies eintritt sei, meint Krugman, wahrscheinlicher, als dass es nicht passiert. „Wenn der Traum einer Blockchain-Zukunft einmal stirbt, wird die Enttäuschung dafür sorgen, dass das ganze Ding zusammenbricht.“

Krugman räumt ein, er könnte auch falsch liegen. Daher fordert er die Leser am Ende seines Kommentars auf, ihm eine einzige Frage zu beantworten: Welches Problem lösen Kryptowährungen wirklich?

Hohe Herstellungskosten sind kein Fehler, sondern ein Vorteil

Nun, was soll man dazu sagen? Ich habe einige Anmerkungen zu Krugmans Argumenten:

Erstens finde ich es fahrlässig, die Herstellungs- und Transaktionskosten von Geld in einen Topf zu werfen. Es handelt sich hier um verschiedene Kategorien. Wenn die EZB Geldnoten drucken lässt, wendet sie bewusst Verfahren an, die die Herstellung erschweren. Während Transaktionskosten gesamtwirtschaftlich nur hinderlich sind, haben die Herstellungskosten einen Nutzen – nämlich zu verhindern, dass Geld willkürlich hergestellt und damit entwertet wird. Damit hätten wir eventuell eine erste Antwort auf Krugmans Frage: Kryptowährungen reduzieren die Transaktionskosten, aber erhöhen die Herstellungskosten. Sie lassen sich so reibungslos überweisen wie das digitale Geld der Banken, aber nicht per Mausklick erzeugen.

Krugman flunkert ein wenig, wenn er meint, der Wert des Dollars sei vorhersehbar. Vielleicht wird der Dollar ein Jahr stabil bleiben, vielleicht fünf. Aber wenn wir von Zeiträumen von zehn bis 50 Jahren reden, gibt es kein Fiat-Geld, das seinen Wert erhalten hat. Bitcoin hat alle Vorteile, die Geld aus Papier oder Bytes hat, ohne den Nachteil zu haben, dass es willkürlich erzeugt werden kann. Bitcoin ist das einzige schnelle und günstige Zahlungsmittel, das vor Inflation und Hyperinflation geschützt ist.

Die Kritik, dass der Wert von Bitcoin an nichts gebunden ist und daher auf Null sacken kann, ist so was von von 2013. Mittlerweile meinen die meisten Ökonomen, dass der Wert von Bitcoin in dem an ihn gebundenen Zahlungssystem liegt und durch die begrenzte Menge erhalten wird. Es mag sein, dass es am Anfang Probleme gab, einen Wert für Bitcoin zu finden, weil die Kryptowährung keinen nicht-monetären Nutzen hatte. Seitdem dieser Wert jedoch gefunden wurde, ist er aber stabil oder steigend und wird auf den Börsen jeden Tag bestätigt. Die Knappheit von Bitcoin, die mit maximal 21 Millionen Exemplaren absoluter ist als alles andere, ist allein schon Grund genug dafür, dass es ein Bedürfnis nach Bitcoin gibt. Die Welt traut dem Fiat-Geld eben nicht so weit, wie Krugman es meint.

Kryptowährungen sind weder teuer noch langsam

Zweitens irrt sich Krugman, wenn er behauptet, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen hohe Transaktionskosten haben. Dass er das meint, ist jedoch verständlich. Schließlich wurde es während des Blocksize-Streits zur Mode, Bitcoin als uneffektiv, langsam, teuer, nicht skalierbar und in keinster Weise konkurrenzfähig zu PayPal zu bezeichnen – und zwar nicht unter Bitcoin-Kritikern, sondern unter Bitcoin-Entwicklern und -fans selbst. Und wenn dieser Narrativ schon der Szene dogmatisch immer wieder wiederholt wird – wie sollte Krugman da nicht meinen, dass er richtig ist?

Ist er aber nicht. Die hohen Transaktionskosten bei Bitcoin sind durch das Blocksize-Limit beabsichtigt, die auf Ethereum rühren daher, dass Ethereum keine Blockchain für Geld, sondern für (wesentlich komplexere und schlechter skalierbare) Smart Contracts ist. Rein monetäre Blockchains, wie Bitcoin Cash, Dash, Litecoin und andere leisten ein sehr hohes Transaktionsvolumen mit weiterhin sehr niedrigen Gebühren, und das Lightning Netzwerk verspricht, diese auch zu Bitcoin zurückzubringen, ohne das Blocksize-Limit zu erhöhen. Blockchains mit leicht zentralisierter Form wie Ripple, Stellar oder Steem können ein fast endloses Volumen prozessieren.

Kryptowährungen können damit die Reibungen im Handel durchaus abbauen: Indem sie Transaktionsgebühren, wie man sie für Lastschriften, Kreditkartentransaktionen und PayPal bezahlt, weitgehend oder vollständig abschaffen, auch Gebühren für den Wechsel in andere Währungen unnötig machen und, wenn man es weiterdenkt, ganz neue Anwendungen ermöglichen, etwa im Mikropayment.

Und noch mehr Vorteile

Wir haben bereits zwei Antworten auf Krugmans Frage, welches Problem Kryptowährungen lösen: Sie sind besser vor Inflation geschützt als Fiatgeld, und sie können die Reibungen im Zahlungsverkehr deutlich weiter abbauen, weil sie, könnte man sagen, innerhalb des Systems „Mittelsmann“ einen nahezu perfekten Markt der Miner oder Blockproduzenten schaffen.

Es gäbe dem noch das eine oder andere hinzuzufügen: Kryptowährungen machen finanzielle Mittelsmänner überflüssig. Sie schützen vor Enteignung; man kann sie durch einen Seed im Kopf speichern, wenn man durch die Welt reist, und anbieterunabhängig auf allen Computersystemen aktivieren. Man kann Transaktionen programmieren, sei es ein simples Multisig wie bei Bitcoin, oder komplexe Contracts wie bei Ethereum, und so vieles mehr.

Man kann darüber streiten, wieweit diese Vorteile reichen und ob sie für einen selbst relevant sind. Aber man muss sich schon sehr bemühen, um wie Paul Krugman zu meinen, es gäbe sie überhaupt nicht.

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