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Wenn die Schlüssel für die Cold Wallets fehlen …

Totenköpfe. Bild von ermadz x via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Mit QuadrigaCX ist eine der größten kanadischen Börsen zahlungsunfähig. Angeblich hat sie durch den Tod ihres Chefs den Zugang zu den auf Cold Wallets gespeicherten Coins im Wert von knapp 170 Millionen Euro verloren. Blockchain-Analysen wecken allerdings Zweifel an dieser Erklärung.

Eine der größten kanadischen Krypto-Börsen, QuadrigaCX, hat den Zugriff auf ihre Kryptowährungen verloren und schuldet ihren Kunden etwa 250 Millionen Kanadische Dollar (etwa 170 Millionen Euro). Nachdem die User sich schon seit Monaten über immer längere Verzögerungen bei den Abbuchungen beklagten, hat die Börse nun die Zahlungsunfähigkeit erklärt und bei einem Gericht in Neuschottland Insolvenzschutz beantragt.

Das vergangene Jahr war für die mehr als fünf Jahre alte Börse problematisch. Die Beziehung zu den Partnerbanken und -zahlungsdienstleistern, die QuadrigaCXs Fiat-Ein- und Auszahlungen verarbeitet haben, wurde immer unangenehmer. Die Börse befand sich lange in einem Gerichtsstreit mit der Canadian Imperial Bank of Commerce (CIBC), während der Zahlungsdienstleister Billerfy nicht mehr in der Lage war, rund 30 Millionen Kanadische Dollar, die eigentlich QuadrigaCX gehörten, auf ein Bankkonto auszuzahlen. Ein weiterer Zahlungsdienstleister, WB21, hat 9 Millionen Kanadische Dollar zurückbehalten.

Tod in Indien

Das Genick gebrochen hat der Börse jedoch der Tod ihres Geschäftsführers, Gerald Cotten. Dieser leidet seit er 24 ist an Morbus Crohn und verstarb Anfang Dezember auf einer Reise nach Indien im Alter von 30 Jahren. Laut dem Zeugnis seiner Frau, Jennifer Robertson, führte Cotten die Börse von seinem Laptop aus. Er arbeitete meistens von Zuhause oder von Unterwegs. Vor allem aber verwahrte er sämtliche Schlüssel für die Cold Wallets, also die nicht mit dem Internet verbundenen, als besonders sicher geltenden Wallets, auf denen QuadrigaCX den Großteil der für die Kunden verwalteten Coins speicherte. Laut der Börse ist es bislang nicht gelungen, die Schlüssel zu finden; sie hat den Zugang zu 26.500 Bitcoins, 11.000 Bitcoin Cash, ebenso viele Bitcoin SV, 35.000 Bitcoin Gold, 200.000 Litecoin und 430.000 Ethereum verloren.

Etwa zwei Woche vor seinem Tod hat Cotten Robertson zu seiner Erbverwalterin ernannt. Sie wird seine Wertanlagen in Kanada, darunter Grundstücke, Flugzeuge und 100.000 Dollar, sowie die gemeinsame Hunde erhalten.

Diese Geschichte wäre an sich schon verrückt genug. Eine Börse, die der Gründer von irgendwo aus auf seinem Laptop führt, und private Schlüssel zu Coins im Wert von rund 150 Millionen Euro, die mit dem Tod des Gründers verschwinden. Sie wird aber noch verrückter, wenn Analysen der Blockchain ins Spiel kommen. Denn die Blockchain ist eben nicht anonym, sondern vollkommen transparent; jede Transaktion mit Kryptowährungen hinterlässt ihre Spuren. Für eine Börse der Größe von QuadrigaCX, die täglich Transaktionen empfäng und versendet, ist es unmöglich, sich hier zu verstecken.

Die gnadenlose Transparenz von Blockchains

Zero Research Proof hat sich auf die Suche nach den Cold Wallets von QuadrigaCX gemacht. Durch eigene Einzahlungen sowie verifizierte Berichte aus Foren konnten die Analysten einige Adressen identifizieren, die zu der Börse gehören. Durch die Methode des „Wallet Clustering“ gelang es ihnen, eine große Menge von Adressen, die zu QuadrigaCX gehören, zu identifizieren. Das Ergebnis konnten sie durch einen Test mit Tools fürs Address-Clustering, wie Walletexplorer.com, bestätigen.

Dabei fanden sie nirgendwo eine Spur einer Cold-Wallet oder von Reserven an Coins, die in Auszahlungen einflossen. „Bei der Analyse der Adressen des Clusters fanden wir keinen Hinweis darauf, dass QuadrigaCX eine substanzielle Menge an Kapital (etwa 100 Bitcoins) in ihrem Besitz hatten.“ Die Analyse der Auszahlungen zeigte, dass die Börse Abbuchungen nicht durch den Kapitalbestand, sondern durch Einzahlungen anderer Kunden bedient hatten – was die Analysten mit einem Ponzi- oder Pyramidenspiel vergleichen. Dieses Schema der Auszahlungen unterscheide sich erheblich von den Mustern anderer großer Börsen und trat erst im Laufe des Jahres 2018 auf.

Zudem entdeckten die Analysten mehrere Auszahlungen von den Adressen von Quadriga – was laut der offiziellen Geschichte gar nicht mehr möglich sein dürfte. Es gibt einen Cluster von Adressen, auf den zwischen dem 8. November und dem 8. Dezember 760 Bitcoins ausgezahlt wurden. Seit Mai 2018 hat dieser Cluster 3.363 Bitcoins empfangen. Die Autoren des Berichts zweifeln daher an, dass die Börse wie behauptet den einen Zugriff auf die Coins verloren hat. Die Schlussfolgerung daraus wäre, dass Cotten seinen Tod nur vorgetäuscht hat, um mitsamt der Coins der Kunden abzutauchen. Diese Analyse wird von anderen Untersuchungen gestützt, denen zufolge sich die Litcoins auf den angeblichen Cold Wallets derzeit bewegen.

Dies könnte ein verzweifelter Versuch von Cotten gewesen sein, sich der Verantwortung für Probleme zu entziehen, die sich bei der Börse im Lauf der letzten Jahre angehäuft haben. Neben den Nöten mit den Banken litt QuadrigaCX auch daran, dass ein fehlerhaftes Update des Ethereum-Clients Geth Anfang 2018 dazu geführt hatte, dass ein Smart Contract falsch ausgeführt wurde, woraufhin damals 15 Millionen Dollar in Krypto-Assets dauerhaft eingefroren wurden. Quasi mit der eisernen Hand der Smart Contracts. Eventuell dient der scheinbare Tod von Cotten nun dazu, Erlösung von den Qualen zu erlangen, die die Führung einer verschuldeten Krypto-Börse in einem Bärenmarkt mit sich bringen können.

Aber natürlich ist dies, wie so oft, unmöglich zu beweisen, sondern lediglich eine Mutmaßung. Falls man jemals zuverlässig erfährt, was konkret passiert ist, werden vermutlich Jahre vergehen, in denen die Mühlen des Gerichtswesens mahlen. Bis dahin ermöglicht die Transparenz der Blockchain immerhin, dass fast alles, was die Börse behauptet, rigoros nachgeprüft werden kann.

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