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Leute, die Bitcoin nicht benutzen, denken, sie könnten es nicht, während Leute, die Bitcoin benutzen, zu wenig vom Protokoll verstehen

Eine Studie untersucht, wie User und Nicht-User Bitcoin wahrnehmen. Das Ergebnis: beide Gruppen sitzen Irrtümern auf. Meinen zumindest die Forscher. Ihr Ergebnis, dass technische Scheu die Verbreitung des Bitcoins hindert, ist aber ebenso interessant wie das Resultat, dass User Bitcoin an seiner Eignung als Zahlungsmittel messen.

Bitcoin ist das erste erfolgeiche digitale Bargeld. Es ist eine faszinierende Technologie, da es eine neue Art von Geld darstellt, das ausschließlich auf einem dezentralen peer-2-peer Netzwerk beruht, keine geographischen oder sozialen Unterschiede kennt und resistent gegen Zensur und Manipulation ist. Manche Wissenschaftler und Blogger meinen daher, dass sich JEDER mit Bitcoin beschäftigen sollte. Denn das dezentrale Transaktionssystem verändert die Art, wie wir in Zukunft über Transaktionen überhaupt nachdenken werden.

Leider sind diese Wissenschaftler und Blogger meistens Technologen. Es gibt Dutzende und Hunderte von Studien und Paper und Posts über die Bitcoin-Technologie, über SHA 256, Merkle-Trees, Validierungen, elliptische Kurven, Blöcke, Latenzen und viele Dinge mehr, von denen Normalsterbliche niemals gehört haben und niemals hören wollen. Aber es gibt kaum eine Studie zu den Bitcoin-Usern.

Dies ist ein Fehler. Denn Geld ist, schreiben drei Wissenschaftler der Rutgers Universität in New Jersey, vor allem ein psychologisches und soziales Konstruk, und Bitcoin, möchte man hinzufügen, ein techno-soziales Produkt, das, ähnlich wie ein soziales Netzwerk, sich selbst durch die Mitglieder reproduziert. Um mehr über die Menschen im System Bitcoin zu erfahren, hat Janne Lindqvist, Professor an der Rutgers Universität, mit seinen Doktoranten Xianyi Gao und Gradeigh D. Clark untersucht, wie User und Nicht-User über Bitcoin denken. Was wissen sie über die Kryptowährung? Was sind die Hürden, um sie zu benuzen? Wie sieht es um das Bitcoin-Verständnis in der Öffentlichkeit aus?

Die Forscher haben hierfür mit insgesamt 20 Personen ausführliche Interview durchgeführt. Zehn Teilnehmer sind aktive Bitcoin-Nutzer (U1-U10), zehn nutzen Bitcoin nicht (N1-N10). In einem Paper stellen die Wissenschaftler nun ihre Ergebnisse vor. Insgesamt, so die Wissenschaftler, zeige die Studie, dass beide Gruppen Bitcoin falsch verstehen.

Die Nutzer pflegen laut den Forschern falsche Annahmen hinsichtlich Sicherheit und Privatsphäre, während die Nicht-Nutzer meinen, ihnen mangele es an technischem Verständnis, um Bitcoins zu benutzen. Dies könnte möglicherweise das größte Hindernis in der Verbreitung des Bitcoins sein – dass sich Leute, die keine technischen Experten sind, einfach nicht zutrauen, Bitcoin zu verwenden. Obwohl es im Prinzip ganz einfach ist.

Bitcoin-Background

Die Forscher haben zunächst alle Teilnehmer gefragt, ob sie wissen, was Bitcoin ist, und sie gebeten, grob zu erklären, wie das Protokoll funktioniert. Bereits an dieser Stelle offenbarten beide Gruppen ihr Halb- oder Nichtwissen.

Unter den Nicht-Nutzern haben immerhin 6 Teilnehmer schon von Bitcoin gehört. Allerdings ist das, was sie wissen, nebulös und drückt die typischen Vorbehalte von Menschen aus, wenn sie etwas neues, anderes treffen und keine Lust oder Zeit haben, sich darin einzudenken. So sagte N2 etwa, „es ist eine Währung. Mir kommt es sehr spekulativ vor,“ und N7 „es ist technisch sehr kompliziert und schwierig zu benutzen“. Lediglich N8 demonstrierte ein tieferes Wissen: „Es ist eine rein elektronische Währung. Ein einzelner Bitcoin ist eine lächerlich lange Nummer, die durch einen speziellen Algorithmus erzeugt wird. Ich kenne Leute, die Bitcoins minen und Maschinen haben, die nichts machen außer diese Algorithmen durchzurechnen.“

Auch die Nutzer antworten nicht immer korrekt. Vier der Teilnehmer aus der U-Gruppe gaben falsche oder verwirrende Aussagen. U2 sagte etwa, „Ich denke, es (Bitcoin) kann als etwas ähnliches wie ein Stück Code betrachtet werden.“ U3 und U4 meinten, Bitcoins seien die Belohnung für das Lösen mathematischer Rätsel – was, anders als die Forscher schreiben, nicht zwingend falsch, sondern höchsten unvollständig ist. Lediglich fünf der befragten 10 Bitcoin-User attestieren die Wissenschaftler ein ordentliches Verständnis des Bitcoins. U1 und U6 beschreiben Bitcoin als eine Internet-Währung, die knapp ist und nicht gefälscht werden. U1: „Gold ist knapp, und Bitcoin ist ebenfalls knapp, aber wenn du einen Dollar in Gold bezahlen willst, dann musst du ein Stück von einem Goldbarren abbrechen und es jemandem geben. Wenn du mir dagegen einen Dollar in Bitcoin senden willst, ist das genauso einfach, wie eine E-Mail zu senden.“ U9 demonstrierte in seinen Antworten ein tieferes Verständnis von Mining, Verifizierung und privaten Schlüsseln. Die beachtlichen Kenntnisse von U9 werden uns noch öfter begegnen.

Bitcoin-Nutzung

In einem zweiten Fragekomplex haben die Forscher versucht, herauszufinden, wie die Leute Bitcoins benutzen bzw. weshalb sie sie nicht benutzen.

Nutzungsverhalten
Zunächst wurden die Nutzer gefragt, wie oft sie Bitcoins verwenden, und die Nicht-Nutzer, ob sie schon mal daran gedacht hätten, Bitcoins zu benutzen.

In der U-Gruppe nutzen fünf Teilnehmer Bitcoins sehr oft (täglich), zwei gelegentlich (mindestens 2x im Monat) und drei selten (mehrmals im Jahr). Weniger eindeutig sind die Antworten aus der N-Gruppe. Hier sagten 8 Teilnehmer, sie wüssten zuwenig über Bitcoin, um es zu benutzen; vier davon hatten noch nie etwas von der Kryptowährung gehört, während es den anderen vier an Wissen fehlte. Zum Beispiel N3: „Ich habe von Bitcoin in den News gehört, einen Artikel darüber gelesen … Ich weiß nicht, wie es technologisch funktioniert.“ Ähnlich N9: „Ich weiß zuwenig über Bitcoins … Es ist komplizierte Computertechnik, soweit ich weiß. Es ist außerdem etwas verdächtig.“ Dies könnte der wichtigste Punkt der Studie sein – dass die technische Scheu vor dem Verwenden des Bitcoins die Verbreitung hindert. Wer erinnert sich nicht, wie kompliziert alles am Anfang aussah, und wie leicht es dann war, eine Überweisung abzuschicken? Vielleicht liegt das daran, dass der typische Bitcoiner einem, wenn man fragt, wie es funktioniert, ausführlich erklärt, was die Blockchain ist, was Miner machen und womöglich auch, wie sich ein Merkle-Tree aufbaut.

Investment oder Währung?
Ist Bitcoin nun Geld oder Gold? Wird er genutzt, um zu bezahlen, oder wird er auf einer Wallet als Investment eingeschlossen? Diese Frage dürfte objektiv nicht zu beantworten sein, entscheidet aber über die subjektive Nutzung.

Fünf der Teilnehmer der U-Gruppe sagten: beides. U5: „Es ist wie ein Investment. Man kann sehen, wie der Preis im Lauf der Zeit steigt. Man kann es halten und verkaufen, wie jedes andere Investment … Als Währung ist es bei Overstock und Amazon akzeptiert [bei Amazon nur über Gutscheinkarten] und man kann es nutzen, um Dinge zu kaufen.“ Anders ausgedrückt: Bitcoin ist ein gutes Investment, weil es eine gute Währung ist. Zwei der Bitcoin-Nutzer hingegen halten Bitcoin eher für ein Investment. U10 sagte etwa: „Ich denke, zu diesem Zeitpunkt ist es eher ein Investment. Der Wert ist zu volatil, um es als Währung zu benutzen.“ Die verbleibenden drei Teilnehmer der U-Gruppe halten Bitcoin hingegen für eine Währung. U7: „Es ist eine Währung, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis es im Mainstream nützlich ist.“

Die Nicht-Nutzer hatten zu dieser Frage nicht wirklich eine Meinung.

Sicherheit und Privatsphäre
Zu Sicherheit und Privatsphäre wollten die Nicht-Nutzer keine Aussagen machen, da sie nichts darüber wussten. Die Bitcoin-Nutzer hingegen haben bereitwillig und – wie die Forscher meinen – teilweise falsch geantwortet. Die Bitcoiner äußerten etwa die Ansicht, Bitcoins seien sicherer als konventionelle Zahlungsmittel. U3 sagte, dass Bitcoins sicherer sind als Geld auf einer Bank, „denn ich habe meine Bitcoins offline, so dass, solange niemand sie findet, sie mir niemand nehmen kann.“ Ähnlich U9: „Man kontrolliert seine privaten Schlüssel. Das ist privater und sicherer als die meisten anderen Arten finanzieller Transaktionen.“ Drei weitere Teilnehmer der U-Gruppe erklärten, dass Bitcoins sicherer seien als etwa Kreditkarten. Die verbleibenden Nutzer brachten es schließlich auf den Punkt: Bitcoins sind sicher, aber nur, wenn der private Schlüssel sicher verwahrt wird.

Ähnlich hoch schätzen die Bitcoin-Nutzer die Privatsphäre der Krytowährung ein. 9 von 10 Nutzern sagten, dass es einen guten Schutz der Privatsphäre gibt. U7 verglich Bitcoins mit Kreditkarten: „Eine Kreditkarte ist per Definition nicht privat. Man gibt immer private Informationen zu jemand anderem, in der Hoffnung, dass sei sie nicht wiederverwenden.“ Bei Bitcoin gibt es dieses Risiko nicht. Vier der User sagten, Bitcoin sei beinah anonym, etwa U3: „Man kann fast anonym sein, wenn man es richtig macht.“

Die Wissenschaftler der Rutgers University folgern aus diesen Anworten nun, dass die Bitcoin-Nutzer Sicherheit und Anonymität falsch beurteilen. Schließlich gab es MtGox, und die Blockchain notiert alle Transaktionen. Das stimmt, bedeutet aber nicht, dass sich ein mündiger User keine Sicherheit und Anonymität erschließen kann. Dies erfordert eben, wie die meisten User erkennen, Verständnis und Arbeit.

Technische Aspekte

Fragen nach den technischen Details des Bitcoin-Protokolls stellten die Forscher ausschließlich den Bitcoin-nutzenden Teilnehmern. Damit liefern sie einen interessanten kleinen Rundumschlag über das in der Bitcoin-Szene verbreitete Fachwissen.

Mining
Außer drei Personen hatte noch keiner der Teilnehmer am Mining teilgenommen. Die Gründe liegen in den hohen Anforderungen an die Hardware und dem niedrigen Profit. Das Wissen über das Minen war dabei gemischt. Die Hälfte gab sehr akurate Antworten und erklärte, dass das Mining vor allem der Verfizierung von Transaktionen dient. Teilnehmer U9 bewies ein sehr tiefes Verständnis, einer wußte gar nichts, und einige User gaben falsche Antworten, indem sie etwa erklärten, dass Mining zum Prozess der Transaktion gehört und die Miner neue Adressen für Bitcoin finden.

Transaktionen
6 der Bitcoin-User erklärten zutreffend und in verschiedener Tiefe wie Transaktionen funktionieren. U1 sagte etwa „eine Bitcoin-Transaktion ist lediglich der Eintrag in eine Ledger, sie bewegt Bitcoins von einem Account zum anderen.“ U9 ging erneut am tiefsten ins Detail: „Man braucht einen privaten Schlüssel, der zu einem öffentlichen Schlüssel oder einer Bitcoin-Adresse passt … man signiert mit dem privaten Schlüssel eine Nachricht … sobald die Mehrheit des Netzwerkes die Transaktion sieht, geht sie davon aus, dass sie gültig ist. Sie [die Miner] nehmen sie in den nächsten Block auf …“ Die anderen vier Teilnehmer waren sich nicht sicher und antworteten nicht.

Blöcke
Bei den Blöcken zeigte sich die tiefsten Wissenslücken. Gefragt, was ein Block bedeutet, antworteten zwei der Nutzer sehr detailreich. Wieder U9: „Ein Block ist eine computerbasierte Struktur, die die Hash des vorhergehenden Blockes beinhaltet … wenn ein Block gefunden wurde, produziert er Bitcoins und diese erhält der Gewinner …“ U9 erklärte, wie die Miner Transaktionen einfügen, dass es eine Nonce gibt und eine Merkle Root. Andere der User waren sich über die technischen Detals unsicher und konnten nur einzelne Details erklären. Drei User konnten Blöcke gar nicht definieren.

Blockchain
Seltsamerweise bereitete die Blockchain den Usern viel weniger Schwierigkeiten als die Blöcke. Sechs der User wußten, dass die Blockchain die Geschichte aller Transaktionen enthält. Drei Nutzer gingen weiter ins Detail und erklärten, dass die Blockchain die akkumulierten Blöcke verbindet. Nur ein User dachte, dass die Blockchain „ein string code ist.“

Regulierung

Die Forscher haben anschließen gefragt, wie die Bitcon-User zur Regulierung stehen. Soll Bitcoin durch etwa die BitLizenz reguliert werden, um zu verhindern, dass es ein neues MtGox gibt?

Fünf der befragten Bitcoin-User meinten, ja, die Regierung soll vor Betrug schützen. U1: „Die Regierung sollte Schutzmechanismen gegen Betrug entwickeln und gegen den Missbrauch von finanziellen Institutionen, die mit Bitcoins handeln.“ Andere Nutzer lehnen Regulierung ab. Etwa U4: „Das ganze Konzept wurde entwickelt, um dritte Parteien auszuschalten, vor allem den Big Brother und die Regulierung.“

Von den Nicht-Nutzern antworteten nur drei Teilnehmer. Sie meinten alle, dass Bitcoin nicht reguliert werden sollte. Dies aber nicht wegen einer Einstellung zum Bitcoin, sondern zur Regierung im Allgemeinen. Erfrischend wohlwollend: „Nein, denn ich finde, dass sie nicht gut darin sind, unser eigenes Geld zu regulieren.“

Vor- und Nachteile von Bitcoin als Zahlungssystem

In den Interviews haben die Teilnehmer Bitcoin immer wieder mit anderen Zahlungssystemen verglichen. Die Forscher erfuhren dabei verschiedene Vor- und Nachteile des Bitcoins.

Vorteile
Was die Vorteile angeht, betrachten die User Bitcoin als Zahlungssystem. Fünf von ihnen erklärten, dass Bitcoin-Transaktionen schneller seien als die meisten anderen Zahlungsmethoden. U1: „Es ist sehr effizient. Es ist recht schnell, schneller als traditionelle Systeme.“ Oder U4: „Ich habe Geld nach Holland überwiesen. Hätte ich Western Union benutzt, hätte ich Formulare ausfüllen müssen, zu einem Büro gehen und lange warten. Mit Bitcoin dauert es eine oder zwei Minuten.“ Drei weitere Teilnehmer sagten, die geringen Gebühren seien ein Vorteil.

Lediglich zwei Teilnehmer nannten das, was Bitcoin vielleicht am meisten ausmacht, einen Vorteil: dass man sie von überall und jedem Gerät aus benutzen kann, sobald man den Schlüssel hat.

Nachteile
Die Bitcoin-User haben aber nicht (nur) eine rosarote Brille auf. 5 von ihnen sagten, dass die mangelnde Akzeptanz von Bitcoins ein Nachteil sei. Zwei weitere User meinten, es sei ein Nachteil, dass man Bitcoin-Transaktionen nicht zurücknehmen kann. Weitere zwei User sagten, die hohe Volatilität des Preises sei nachteilig. Auch was die Nachteile angeht wird Bitcoin an seiner Leistung als Zahlungssystem gemessen.

Mangelndes Wissen der Teilnehmer – oder der Forscher?

Die Forscher ziehen aus den Interviews einige Thesen als Ergebnis. Erstens hatten einige Nicht-Nutzer erklärt, dass sie nicht genügend technisches Verständnis hätten, um Bitcoin zu benutzen – obwohl dieses unnötig ist, um eine Transaktion zu machen. Zweitens dachten die Teilnehmer, Bitcon habe eine hohe Sicherheit und gute Kontrolle der Privatsphäre, „trotz gegenteiliger Beweise“. Nach Durchsicht der Studie muss man hier aber anmerken, dass eher die Forscher denn die Teilnehmer Wissenslücken haben. Wenn man die privaten Schlüssel sicher aufbewahrt, sind Bitcoins sicher; wenn man versteht, wie Transaktionen funktionieren und alles richtig macht, sind Bitcoins sehr privat. Dies haben die User angegeben.

Auch das Urteil der Forscher, die Bitcoin-Nutzer irrten sich zum Teil über die technischen Hintergründe, möchte ich nur teilweise mittragen. Sicher waren nicht alle Antworten korrekt. Aber im Großen und Ganzen scheinen die Bitcoin-User sehr genau zu wissen, womit sie es zu tun haben. Dass dies aber – zumindest zum Teil – eine Bedingung ist, um Bitcoins als Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel zu vertrauen, um Bitcoins sicher zu speichern und um sie privat zu benutzen – das dürfte, wie die Forscher korrekt sagen, ein Hemmschuh in der Akzeptanz des Bitcoins sein. Obwohl das technisches Wissen für die Benutzung von Bitcoins eigentlich nicht notwendig ist

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