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Bitcoin – die kommenden Monate

Hurricane Irene Makes Landfall in North Carolina. Bild von NASA via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Sonnig bis heiter, wolkig bis stürmisch: die Marschroute des Bitcoins für die kommenden Monate steht jetzt, nach monate-, wenn nicht gar jahrelangem Zank und Hin und Her, einigermaßen fest. Wir erklären, wohin die Reise geht und welche Konsequenzen das für Trader haben könnte.

Der Markt der Krptowährungen ist in Bewegung geraten. Das, was in den letzten drei Wochen passiert ist, darf man gerne eine tektonische Plattenbewegung nennen: Ethereum ist zur zweitstärksten Kryptowährung aufgestiegen, präsentiert sich als Alternative zum Bitcoin und hat mit einer Marktkapitalisierung von einer Milliarde Dollar schon fast 1/6 des Marktwertes des Bitcoins – mehr als je ein anderer Altcoin umfasst hat.

Hört einfach nicht auf zu steigen: Ethereum hat seit Mitte Januar seinen Wert verzehnfacht.

Die kommenden Monate werden vermutlich turbulent. Kryptotrader sollten nicht nur das Verhältnis von Euro und Bitcoin im Auge behalten, sondern auch den Kurs von Ethereum. Denn während bisher Altcoins, inklusive Litecoins und Ripple, eher eine trendmäßig parallel laufende Verstärkung der Bitcoin-Kursausschläge vorführten, also vor allem eine Potenzierung des Bitcoin-Preisrisikos waren, bewertet der Markt Ethereum erstmals als Alternative, falls Bitcoin versagt. Der Ether-Kurs schlägt dementsprechend auch entgegengesetzt zu dem des Bitcoins aus. Ob Ethereum dieses Versprechen halten kann, ist eine ganz andere Frage, die jeder klären sollte, bevor er investiert. Wir diskutieren hier aber vorerst die Zukunft des Bitcoin.

Die Marschroute steht

Das Blocksize-Thema hat die Bitcoin-Welt in den letzten Monaten fest im Griff gehabt. Wie in allen Konflikten haben sich rasch Gruppen mit feststehenden Glaubenssätzen, Ansichten und Diskussionsorten herausgebildet. Es gab das Team Big Blocks bzw. die „Bitcoin Maximalisten“ bzw. die Pragmatiker sowie das Team Small Blocks bzw. die Dogmatiker.

Team Big Block möchte die Blocksize erhöhen, da der Bitcoin als Zahlungsmittel mit dem Potenzial der Weltherrschaft nur attraktiv ist, wenn es in der Blockchain viel mehr Platz gibt als Bedarf nach Platz. Eben so, wie es bisher immer war. Transaktionen sind schnell und günstig und das Potenzial, dass Bitcoin den weltweiten Zahlungsfluss übernimmt, ist praktisch grenzenlos. Also soll so viel wie möglich in die Blöcke, und wenn das dann den einen oder anderen Knoten rauswirft, ist das verschmerzbar.

Nach einem langen Kampf und mehreren Monaten der Abstimmung durch die Knoten kann man konstatieren, dass das Team Big Blocks vorerst gescheitert ist. Der Client des Teams Big Blocks, Bitcoin Classic, stellt zwar rund 1.600 Knoten, aber zum einen sind davon rund die Hälfte auf einem Cloud-Server, was nicht so richtig zählt, und zum anderen hat von den bestehenden 4.600 anderen Clients kaum einer gewechselt. Einige Mining-Pools stellen zwar den Minern zur Wahl, Classic-Blöcke zu minen, doch bisher beteiligen sich sehr wenig Miner an der Wahl, weshalb alles beim alten bleibt.

Sieht nur auf dem Papier gut aus: Die rapide ansteigende Anzahl von Classic-Knoten (orangene Linie) geht vor allem auf Coud-Server zurück. Sobald die monatliche Rechnung nicht bezahlt wird, sind sie weg.

Diejenigen, die im Bitcoin-Ökosstem entscheiden, haben gewählt: Man hält der bisher federführenden Entwicklergruppe Bitcoin Core die Treue. Zwar sind längst nicht alle mit deren „Small Blocks“ Kurs einverstanden, aber die Unzufriedenheit scheint nicht groß genug zu sein, um eine Rebellion zu starten. Damit folgt die Entwicklung also der Roadmap des Teams Small Blocks. Dezentralität geht vor Skalierbarkeit, Bitcoin ist jetzt, mehr denn je, Bitcoin Core und damit mehr Settlement Network und digitales Gold als ein Zahlungsmittel. Muss man nicht mögen, aber akzeptieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Laut Roadmap soll Core noch im April Segregated Witness veröffentlichen. Dieses Upgrade bringt, neben einigen anderen Vorteilen, auch eine um 1,3-2,0 MB erhöhte Kapazität der Blöcke. Es gilt laut Core als Schlüsselfortschritt, der weitere Techniken zur Erhöhung der Skalierbarkeit ermöglicht wie beispielsweise Schnorr-Signaturen. Im Anschluss wird Core an „eleganteren“ Skalierbarkeits-Technologien wie dem Lightning-Netzwerk oder öffentlichen Sidechains arbeiten und, falls nötig oder durch das Hongkonger Abkommen erzwungen, das Blocksize-Limit noch einmal begrenzt erhöhen. Dies aber nicht vor Mitte 2017.

Insgesamt lautet die Mission: wir erhöhen die Blocksize nur vorsichtig und planen langfristig, nicht „onchain“, sondern „offchain“ zu skalieren. Eine Skalierung über die Blockchain direkt wird hingegen so lange wie möglich vermieden.

April zeigt, ob Core liefert oder nicht

Sollte es Core gelingen, rechtzeitig eine saubere Version von Segregated Witness einzuführen UND sollte diese von den Wallets und Börsen sauber umgesetzt werden, dürfte die Kapazität weit genug erhöht sein, um zumindest für einige Zeit Luft zu verschaffen. Ein solches Gelingen des ersten Schritts der Roadmap sollte auch das angeschlagenen Vertrauen in die Bitcoin-Entwicklung reparieren und kann als Hoffnungssignal gelten.

Sollte Segregated Witness zu spät kommen, verbuggt sein oder Probleme in der Implementierung bei Wallets und Dienstleistern verursachen, dürfte dies in einer weiteren Erosion des Vertrauens in Core und damit Bitcoin münden. Dies würde erneut beweisen, dass Bitcoin unfähig ist, auf einem Gebiet zu liefern, in dem Ethereum brilliert: der flexiblen Anpassung und Skalierung des Protokolls.

Ungewiss ist allerdings auch, ob die Miner Segregated Witness akzeptieren. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden sie es erst benutzen, wenn Core den Code zur Erhöhung der Blocksize im Juli vorgelegt hat. Sollten die Miner dies wirklich ernst nehmen, kommen noch einige lange, harte Monate auf den Bitcoin zu, in denen an Wachstum kaum zu denken ist und die Geschäftsmodelle, die viele kleine Transaktionen benötigen, ausmerzen können.

Danach: Reicht der Blockspace?

Segregated Witness allein wird kein Befreiungsschlag sein. 1,3 – 2,0 MB Blöcke sind eine kurzzeitige und keine nachhaltige Lösung. Ein erfolgreiches Segregated Witness mag ausreichen, um Vertrauen wieder aufzubauen, bietet aber ohne die Vollendung von Lightning oder die verbindliche Ankündigung größerer Blöcke keine Grundlage, um den Blocksize-Streits zu beenden und Geschäftsmodelle zu unterstützen, die ein größeres Transaktionsvolumen benötigen.

Im April, Mai und Juni wird sich zeigen, wieviel Luft Segregated Witness dem Bitcoin verschafft und ob an Segregated Witness anschließende Optimierungen – wie Schnorr-Signaturen – tatsächlich zünden. Wenn es genug ist, kann dies demonstrieren, dass Core die Nachfrage nach Platz in der Blockchain richtig eingeschätzt hat, die Forderung nach der Erhöhung der Blocksize Aktionismus ist und die Bitcoin-Szene zurecht das Vertrauen in Entwickler legt, die eine nachhaltige Skalierung bevorzugen. Es würde sogar demonstrieren, wie resilient Bitcoin gegen Versuche, das Protokoll zu ändern, ist. Es wäre, mit anderen Worten, die perfekte Schanze für eine neue Rally.

Sollte sich hingegen abzeichnen, dass die Kapazität nicht bis Mitte 2017 ausreichend wird, stehen wir wieder da, wo wir schon seit einem Jahr festhängen. Die Blocksize-Kriege würden wieder von vorne anfangen, es droht wieder eine Hardfork. Dies könnte dem sowieso schon starken Ethereum weiter Aufwind geben und ihn noch mehr als bisher schon als bessere Alternative für digitales Payment inszenieren, während der Bitcoin erheblich an Marktanteilen verlieren kann.

Möglich ist jedoch auch, dass diese Trennung zwischen Payment und Settlement-Netzwerk (digitales Gold) dem Bitcoin hilft und wir sehen, wie sich ein Universum verschiedener, koopererender Kryptowährungen herausbildet.

Juli: Das Halving

Im Juli findet ein Ereignis statt, das die Bitcoin-Community seit mehr als einem Jahr herbeisehnt: das nächste Halving. Irgendwann in der ersten Juli-Hälfte wird sich die Anzahl Bitcoins, die die Miner alle zehn Minuten finden, von 25 auf 12,5 halbieren. Sprich: das Angebot frischer Bitcoins auf dem Markt verknappt sich, was bei einer gleichbleibenden Nachfrage unweigerlich zu steigenden Preisen führen muss. Was die Miner angesichts des halbierten Ertrags auch bitter nötig haben werden.

Nicht mehr lange … das Bitcoin-Halving naht!

Da das Ereignis bereits jetzt bekannt ist, sollten es umsichtige Akteure, sowohl Investoren als auch Miner, bereits eingeplant haben. Daher gehe ich davon aus, dass das Halving still und leise vorübergehen wird. Die Wochen und Monate danach zeigen aber, wie präzise die Investoren und Miner geplant haben. Eventuell sinkt der Preis, weil ein erwarteter Anstieg ausbleibt, eventuell steigt er aggressiv, weil die Trader den Effekt des Halvings unterschätzt haben; eventuell sinkt die Hashrate rapide, weil der Preis nicht genügend steigt, um das Mining profitabel zu halten.

Was genau passiert, ist reichlich unklar. Klar ist jedoch, dass einige Effekte des Halfings ungünstig mit dem knappen Platz auf der Blockchain korrelieren können. Sollte es zu einer Rally kommen, dürfte die Anzahl der Transaktionen erfahrungsgemäß explodieren. Dies dürfte fast den gesamten Raum fressen, den Segregated Witness freigemacht hat oder den vorhandenen Raum – falls sich Segregated Witness verzögert – deutlich übersteigen. In beiden Fällen kann eine Rally so im Keim erstickt werden.

Sollte es hingegen zu einem signifikanten Niedergang der Hashrate kommen, da sich das Verdienst der Miner halbiert, ist eine Verlangsamung der Blockbildung und damit eine weitere Reduzierung der Kapazität zu erwarten. Zusammen mit einem sowieso knappen Raum auf der Blockchain kann dies den Effekt von Segregated Witness zunichte machen oder, falls SW gescheitert ist, ein dauerhaftes Fee Event auslösen. Ein Teufelskreis aus fallenden Preisen, fallender Hashrate und verlangsamten Transaktionen kann zu einem für den Bitcoin existenzbedrohenden Teufelskreis werden.

Man könnte jedoch annehmen, dass das Risiko dieser beiden Szenarien ebenso eingepreist ist wie das Halving selbst. Falls sie ausbleiben wären Bitcoins zum heutigen Preis also lächerlich unterbewertet. Die kommenden Monate werden also turbulent.

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