Website-Icon BitcoinBlog.de – das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

„Bitcoin hat sich nicht schnell genug entwickelt, um alltägliche finanzielle Aktivitäten zu unterstützen.“

Circles Gründer und CEO Jeremy Allaire.

Circle kappt die Option, Bitcoins zu kaufen und zu verkaufen. Anstatt Bitcoin als Zahlungsmittel möchte das Unternehmen nun Blockhain als Settlement-Schicht verwenden. Nachdem sich CEO Jeremy Allaire beim Wall Street Journal seinen Frust mit der langsamen Evolution von Bitcoin vom Leib geredet hat, erntet er einen digitalen Shitstorm, der in einer etwas schrägen Dankes-Prozession vor den Core Entwicklern gipfelt.

Manchmal passt das Geschäftsmodell einfach nicht. Es könnte sein, dass bei Circle nun diese Erkenntnis eingetreten ist.

Circle ist jenes Startup, das wegen fantastischer Investments lange gehypt wurde, ohne dass man wusste, was es machte. Im Oktober 2014 ging es live – und war eine Online-Wallet mit der Option, Bitcoins zu kaufen und zu verkaufen. Der einzige Unterschied zum zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Coinbase war, dass man bei Circle ohne Gebühren mit Kreditkarte Bitcoins kaufen konnte.

Das war vom ersten Moment an Wahnsinn. Es hat seinen Grund, weshalb die wenigsten Bitcoin-Verkäufer Kreditkarten akzeptieren. Die Karten werden gestohlen, die Nummern im Netz verkauft, die Transaktionen können rückgängig gemacht werden. Wenn überhaupt, dann verlangen Broker hohe Gebühren, um die Risiken, die mit Kreditkartenzahlungen für Bitcoins einherzugehen, abzufedern.

Circle nicht. Der Plan war vermutlich, durch das einmalige Angebot so viele User zu bekommen, um eine kritische Masse zu erreichen. Bis dahin verbrennt man die Kohle der Investoren und versucht, durch eine KI den Schaden so gering wie möglich zu halten. Ein Post auf dem Firmenblog von Oktober zeigt, wie wichtig die Betrugsprävention für Circle ist. Sie ist im Grunde das Herz der Firma:

Wir benutzen State-of-The-Art Machine Learning Algorithmen, die jede Stunde Millionen von Datenpunkten verbinden, um Wahrscheinlichkeiten zu errechen, mit denen in Echtzeit entschieden wird, ob ein Account eröffnet wird, eine Transaktion durchgeht oder sonstige Aktivitäten fortgesetzt werden. Diese Modelle sollen die Sonderfälle identifizieren – die Betrüger, Geldwäscher und andere Akteure mit schlechten Intentionen, und sie von den perfekt legalen Kunden trennen.

Die Risiko-Modelle von Circle müssen ausgefeilt genug sein, um zu verstehen, dass eine Person eine Kreditkarte gestohlen hat, auch wenn sie alles Menschenmögliche macht, um wie ein normaler Kunde zu erscheinen. Die Complience Risk Modelle von Circle müssen erkennen können, dass eine bestimmte Art von Transaktion oder ein bestimmtes Verhaltensmuster, was an der Oberfläche normals aussieht, mit großer Wahrscheinlichkeit eine finanzielle Straftat ist.

Das Risiko, das Circle mit dem Verkauf von Bitcoins gegen Kreditkarten-Transaktionen auf sich nimmt, ist enorm – wie auch der Aufwand, der betrieben wird, um das Risiko zu mindern. Dem gegenüber steht ein Geschäftsmodell, das nur funktioniert, wenn Circle nach dem jahrelangen Verfeuern der Asche der Investoren eine kritische Masse erreicht. Vielleicht können dann Einnahmen durch die Spread die Kosten decken, vielleicht kann Circle Daten verkaufen, Identitäten und Bitcoin-Adressen verbinden, Werbung schalten. Was auch immer. Wenn man mal Millionen von Nutzern hat, wird man schon Geld verdienen können.

Dies geschah aber nicht. Circle hat viele Kunden erreicht, aber nicht die nötige kritische Masse. Die nach wie vor ungelöste Blocksize-Problematik macht es vermutlich sogar gänzlich unmöglich, dass Circle jemals genügend Bitcoin-nutzende Kunden erreichen kann – während die aufkommende EU-Regulierung die Betriebskosten von Circle vermutlich noch weiter steigern wird.

Mit anderen Worten: Bitcoin ist ungeeignet, um Circles Business-Plan zu erfüllen, aber geeignet, um die Kosten zu erhöhen.

Euro und Dollar anstatt auf die Blockchain!

In einem Blogpost vom 6. Dezember kündigt Circle an Bündel von Neuigkeiten an, die einem grundlegenden Strategiewechsel gleichkommen.

Neben einem neuen Messenger und höheren Deposit-Limits fallen vor allem Spark auf, „ein neues Blockchain-basiertes Protokoll um Vertrauen herzustellen“, sowie die Beseitigung der Option, Bitcoins zu kaufen und zu verkaufen. Dem Blogbeitrag zufolge passt beides perfekt in die Geschäftsstrategie von Circle, die sich im Lauf der vergangenen Monate herausgeperlt hat.

Circle schreibt:

Als wir Circle gegründet hatten, hatten wir die Vision und den Glauben, dass es endlich möglich sein wird, dass Geld so funktioniert, wie das Internet funktioniert. Ein großer Teil davon war die langfristige Wette auf Blockchain und Digitale Währungen, von denen wir dachten, dass sie das Potenzial haben, das fehlende Protokoll zu liefern, das notwendig ist für einen offenen Austausch von Werten.

Wir waren niemals darauf fokusiert, Kunden dazu zu überreden, die ihnen vertrauten Währungen gegen Bitcoin auszutauschen, sondern wir wollten die Vorteile von öffentlichen Blockchains und digitalen Assets zu den Kunden bringen, ohne von ihnen zu verlangen, dass sie die technischen Details verstehen. Wir haben in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, indem wir unsere Payment-App in den USA, dem Vereinigten Königreich und Teilen von Europa gestartet, damit direkte Zahlungen zwischen Ländern sowie die Option ermöglicht haben, dass Leute ihre lokale Währung über die Bitcoin Blockchain an andere digitale Wallets senden. Auf diesem Modell eines ‚hybriden digitalen Geldes‘ liegt seit einiger Zeit unser Augenmerk.

Mit anderen Worten: Circle geht es nicht um Bitcoin, die alternative Währung, die Werte aufsaugt und die Macht der Zentralbanken angreift. Circle geht es um die Technik, per Blockchain Werte durch das Internet zu versenden. Die neue Innovation von Circle, „Spark“, passt perfekt in dieses Konzept:

Spark, ein Set von Protokoll-Erweiterungen, die eine Methode für digitale Wallets bieten, um Werte auszutauschen, indem Blockchains, auch Bitcoin, als Settlement Schichten genutzt werden. Es gibt viele Anwendungsfälle für diese Technologie, doch der ursprüngliche Fokus liegt darauf, digitale Wallets auf der ganzen Welt zu verbinden, während man sicherstellt, dass die vollständigen Anforderungen an KYC/AML und Regulierung erfüllt werden und ein reibungsloses Erlebnis gewährleistet wird …

Circle möchte also nicht mehr Bitcoin benutzen, sondern die Blockchain, um weltweit Zahlungen in traditionellen Währungen abzuwickeln. Dabei möchte Circle den Kunden nicht jene Freiheit von Banken, Regulierung und Erlaubnis bieten, die Bitcoin bietet, sondern sich ganz und gar an alle Regeln halten.

In gewisser Weise macht Circle exakt das, was manche Teile der Bitcoin-Community seit längerem verlangen: Es macht die Bitcoin-Blockchain nicht zu einem Zahlungssystem, sondern zu einem Settlement-Netzwerk. Es nutzt die Blockchain, um Zahlungen abzuwickeln, aber nicht den Bitcoin als Zahlungsmittel.

Mit der Entscheidung für Spark geht die Entscheidung gegen den Bitcoin-Handel einher. Circle schreibt:

Mit der Einführung dieser neuen Features entfernt sich Circle noch weiter davon, eine Bitcoin-Börse zu sein, und wir werden weiterhin unsere Ressourcen auf globale social payments und Blockchain-Technologien der nächsten Generation fokusieren, anstatt sie dem direkten Kauf und Verkauf von Bitcoins zu widmen.

Wenn Bitcoin nicht ein Zahlungsmittel ist, dann gibt es für die Payment-App Circle konsequenterweise auch keine Notwendigkeit, die Nutzung von Bitcoin zu erleichtern. Daher hat Circle diese Dienstleistung – die vermutlich ohnehin ein Verlustgeschäft war – kurzerhand gekappt.

Festgefahrene Situation – festgefahrene Communities

Für das Wall Street Journal wirft der Richtungswechsel von Circle kein gutes Licht auf den Status von Bitcoin. „Der Zug ist ein weiterer Fingerzeig, dass die finanzielle Revolution, die die Early Adopter von Bitcoin entzünden wollten, nicht wie geplant vorangeht.“

Gegenüber dem Journal erklärt Circle CEO Jeremy Allaire ein wenig deutlicher, was ihn zu dem Schritt bewegt hat: Bitcoin habe „sich nicht schnell genug entwickelt, um die alltäglichen finanziellen Aktivitäten zu unterstützen.“ Die Blockchain-basierten Zahlungen in normalen Währungen sind, so Allaire, um ein Vielfaches schneller gewachsen als die Bitcoin-Zahlungen.

Wie schon so oft festgestellt, bietet Bitcoin als Geld für alltägliche Überweisungen wenig Vorteile. Es ist ein gutes Investment, ein wertstabiles Geld und ein Mittel, um private Überweisungen zu tätigen und Grenzen zu überwinden. Dort, wo normales Geld funktioniert, gibt es wenig Bedarf nach Bitcoin als Zahlungssystem. Anstatt nun einzusehen, dass seine Erwartungen an die Nutzung von Bitcoin falsch waren (und Bitcoin dennoch eine Erfolgsgeschichte ist), schiebt Allaire nun jedoch den Schwarzen Peter an die Core Entwickler weiter:

Die Sache ist die, dass es die Situation unter den Core Entwicklern faktisch festgefahren ist, während Mainstream Unternehmen beginnen, diese Technologie zu nutzen. Wir sind zutiefst frustriert mit dem Mangel an Fortschritt, und wir wollen, dass sich die Sache vorwärts bewegt.

Die Bitcoin-Community hat auf diese Aussage von Allaire wie nach Drehbuch reagiert. Der Pawloffsche Hund grüßt. Auf r/btc, dem Ort, wo Kritik an Core stets offene Türen einrennt, jubelte man Jeremy Allaire zu und verdammte die Core Entwickler. Auf r/bitcoin hingegen, wo den Core Entwickler geradezu unterwürfige Gefolgschaft entgegengebracht hat, wurde Jeremy Allaire beschimpft. Wie kann er es wagen, Core zu kritisieren?

Wie kann jemand wie Circle Bitcoin beschuldigen, wenn sie nicht einen einzigen Bitcoin oder einzigen Dollar in das Bitcoin Protokoll investiert haben? Wenn sie nicht einen einzigen Bitcoin Entwickler bezahlen?

Danach raffte sich das Forum dazu auf, einen Dankes-Thread für die Core Entwickler zu eröffnen. Reihenweise fielen die Redditor im Namen einer freien Währung auf die Knie, um Core zu danken, damit die Entwickler ja nicht auf die Idee kommen, die Kritik von Allaire ernst zu nehmen.

Nicht, dass es nicht toll ist, dass die Core-Entwickler etwas für Bitcoin tun – aber die meisten von ihnen stehen auf der Gehaltsliste von Blockstream oder dem MIT. Es ist nicht nötig, dass Circle sie bezahlt, und ihre Arbeit ist auch keine Wohltätigkeit, die nur durch den Dank der Community honoriert wird.

Bitcoin, als Ganzes, ist zudem nicht allein Sache von Entwicklern, sondern hängt auch von Unternehmern ab. Unternehmer, die ihre persönliche Freiheit sowie das eigene Kapital oder das von Investoren aufs Spiel setzen, um den Handel mit Bitcoins zu ermöglichen, sorgen dafür, dass Bitcoin nicht nur eine Software ist, sondern auch Geld.

Dass Bitcoin nun nicht mehr ins Geschäftsmodell von Circle passt, ist vielleicht unvermeidlich. Aber es ist schade, und es zeigt, wie Allaire richtig sagt, dass Bitcoin in gewisser Weise an eine Grenze gestoßen ist.

Die mobile Version verlassen