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Bitcoin erreicht sein Limit: Absurde Folgen des Fee-Markets

Der Mempool hat sich zum ersten Mal über das Wochenende nicht geleert. Damit wird der Stau auf der Blockchain möglicherweise zum Dauerzustand. Es zeigen sich die ersten bizarren Folgen, wie dass man mit einer Kreditkartenzahlung Transaktionen beschleunigen kann. Was kann man tun?

An sich ist es derzeit kein Problem, Bitcoins zu versenden. Alles, was man braucht, ist eine Wallet mit frei wählbaren Gebühren. Ein Blick auf Seiten wie JoHoes MemPool oder 21.coms Bitcoinfees zeigen, wie hoch man die Gebühren ansetzen muss, um im gewünschten Zeitraum bestätigt zu werden. Entweder man knausert, und muss dann warten, oder man zahlt eben auch mal etwas mehr für eine Transaktion. An sich kein Problem.

Tatsächlich aber wird es eng auf der Blockchain, und das hat einige unangenehme und schräge Folgen.

Alles ok – oder doch nicht?

Bis jetzt war das Wachstum des Mempools – der unbestätigten Transaktionen, die darauf warten, in Blöcke zu kommen – noch verkraftbar. In der Regel war alles gut, und manchmal hat sich eben der Mempool aufgebläht, was dann bedeutet hat, dass man mit den anderen, die ebenfalls eine Transaktion bestätigt haben wollen, mit den Gebühren um den Platz auf der Blockchain konkurriert. Man bezahlt mehr, oder wartet länger. Spätestens am Wochenende geht eine Transaktion durch.

Ein solcher Zustand war nicht optimal, aber in Ordnung. Es könnte jedoch sein, dass er mit dem letzten Wochenende Geschichte wurde.

Der MemPool bis Ende Januar. Quelle: JoHoes MemPool-Visualisierung

Bereits die letzten Wochen über war eine Warteliste von 20.000 bis 50.000 Transaktionen eher normal als ungewöhnlich. Aber der MemPool hat sich an den Wochenenden stets geleert, womit auch die Transaktionen, die unter der Woche festhingen, bestätigt wurden und Bitcoin-Unternehmen die Möglichkeit hatten, relativ günstig empfangene Coins zu verschmelzen und so das UTXO-Set – die Gesamtzahl der nicht-ausgegebenen Coins – zu verringern.

Der MemPool in den letzten sieben Tagen: Keine Entspannung am Wochenende

Am letzten Wochenende ist nun genau das nicht geschehen. Laut JoHoes MemPool-Visualisierung kam der MemPool am Samstag und Sonntag zu keinem Zeitpunkt auf weniger als 30.000 Transaktionen oder mehr als 50 Megabyte; bei Tradeblock fiel er immerhin auf 15.000 bzw. 20 MB (die Unterschiede liegen vermutlich an anderen MemPool-Einstellungen der beiden Seiten, etwa in der Dauer, wie lange ein Knoten unbestätigte Transaktionen behält oder in der Mindestgebühr für die Aufnahme).

Absurde Folgen des Fee-Markets

Es kann sein und ist zu hoffen, dass sich diese Schlange unbearbeiteter Transaktionen noch im Lauf der Woche oder am folgenden Wochenende abbaut. Derzeit ist der MemPool „nur“ 70 MB groß, was viel ist, aber nicht unbewältigbar. Solange er unter 150-200 MB liegt, würde ich mir noch keine Sorgen machen.

Aber schon jetzt, nachdem in den letzten drei Wochen ein voller MemPool eher zur Regel denn zur Ausnahme wurde, zeigen sich die ersten merkwürdigen, absonderlichen und beunruhigenden Folgen, die der einsetzende Gebührenmarkt mit sich bringt. Einige Beispiele, ohne innere Ordnung:

BTC.com bietet Usern an, mit Kreditkarte für frühere Bestätigung zu bezahlen

Die Webseite BTC.com ist ein Blockexplorer, der von BitMain, dem Hersteller der AntMiner und Besitzer von AntPool, herausgegeben wird. Seit kurzem bietet BTC.com an, Transaktionen zu beschleunigen. Zu zahlen ist dieser Service, der geringeren Gebühren wegen, mit Kreditkarte. Sicher, günstig und schnell mit Stripe.

Dass man mit Kreditkarte bezahlen muss, um seine Bitcoins bestätigt zu bekommen, ist nicht ganz frei von Ironie. So ähnlich, als müsste man einen Brief schreiben, um eine E-Mail zu versenden. Einem Test zufolge müsste ich etwa 2,50 Dollar bezahlen, um eine Kleinsttransaktion zu beschleunigen, die mir jemand als Spende geschickt hat, ohne genügend Gebühren mitzugeben.

Ein großer Teil der UTXO ist geringer als die Gebühren, die nötig sind, um Bitcoins auszugeben

Bitcoins werden in sogenannten UTXO gespeichert. UTXO steht für „Unspent Output“ und meint – bitte entschuldigt das technische Fachgesimple — ein Guthaben in Bitcoin, das einer Adresse zugeordnet ist und noch nicht ausgegeben wurde. Jede Bezahlung mit Bitcoin löscht die UTXO, die ausgegeben werden, und erzeugt die nächsten, die entstehen. Bitcoins sind damit ein wenig wie Münzen, die in einer bestimmten Stückelung in der Geldbörse liegen.

Nun ist es auch möglich, sehr kleine UTXO zu bilden, etwa über 10 cent oder 50 cent oder auch 0,01 cent. Dank des Wechselgeldes passiert das sogar recht oft. Diese sehr kleinen UTXO liegen jetzt in irgendwelchen Wallets und sind zum Teil nicht mehr auszugeben. Laut Bitinfocharts haben mehr als 50 Prozent der UTXO ein Guthaben von weniger als 0,001 Bitcoin (etwa 1 Euro). Wenn man eine durchschnittliche Transaktionsgebühr von 25 bis 50 cent ansetzt, darf man vermuten, dass ein nicht geringer Teil dieser UTXO gar nicht mehr ausgegeben werden kann, solange die Gebühren auf der derzeitigen Höhe sind.

Alte Wallets funktionieren nicht mehr

Diese Folge habe ich selbst zu spüren bekommen: Ich wollte eine Überweisung mit einer alten Version von Jaxx durchführen, habe es dann aber gelassen, weil es keine Möglichkeit gibt, die Gebühren manuell einzustellen, und ich nicht Stunden oder Tage bis zur Bestätigung warten wollte. Das ist natürlich das Problem von mir. Ich hätte Jaxx ja updaten können, und man sollte sowieso keine Wallet verwenden, die es nicht erlaubt, Gebühren beliebig einzustellen. Aber es ist dennoch unangenehm, wenn so etwas passiert, gerade für User, die einfach nur eine alte Wallet haben und weder ein Bitcoinblog schreiben noch regelmäßig lesen.

Was kann man tun?

Für die meisten User ist die Situation derzeit eher unangenehm. Man braucht die richtige Wallet, um Gebühren selbst einstellen zu müssen, und man muss sich vorab informieren, wie hoch die Gebühren derzeit im Schnitt sind. Das ist ein wenig so, als brauche man einen Führerschein und eine TüV-geprüfte Wallet, um Bitcoins zu benutzen.

Leider gibt es keinen General-Trick. Eventuell helfen Wallets wie Electrum oder GreenAddress, die es durch Replace-by-Fee erlauben, die Gebühren für eine Transaktion nachträglich zu erhöhen. Man könnte auch Transaktionen mit Bitcoin.de versenden, da dort Transaktionen verschiedener User sowie deren Gebühren zusammengelegt werden. Geht in der Regel auch sehr gut durch. Oder man wählt die richtige Gebühr aus. Oder nimmt es hin, dass eine Zahung länger dauert. Ist ja nicht immer kriegsentscheidend …

Wenn es aber schon zu spät ist – und eine Zahlung doch kriegsentscheidend ist – dann wird guter Rat oft teuer. Hilfreich könnte der kostenlose Transaktionsbeschleuniger von ViaBTC sein (auch wenn man bereits hier lange Schlange stehen muss) oder eben von BTC.com.

Ansonsten kann man versuchen, die Transaktion zu double-spenden, sprich, den privaten Schlüssel zu exportieren, woanders einzuspielen und dieselbe Transaktion nochmal mit höheren Gebühren zu senden. Mit etwas Glück kommt sie dann durch. Weiter könnte man, falls man Wechselgeld erhalten hat, dieses mit einer hohen Gebühr erneut versenden. Es könnte sein, dass ein Miner dann die Transaktion früher durchwinkt. Einen kleinen Leitfaden darüber findet ihr hier.

Ein Patent-Rezept gibt es aber nicht. Leider.

Wie lange wird das noch so bleiben? Ist Abhilfe in Sicht? Oder ist es vielleicht sogar gut so, wie es ist?

Diese Frage kann schnell zu Streit führen. Denn natürlich stehen Abhilfen zur Debatte, doch diese Abhilfen stehen sich leider spinnefeind gegenüber.

Kurz gesagt: Die Core-Entwickler werfen den Minern vor, dass sie SegWit und damit zumindest eine geringe Erhöhung des Limits blockieren, während die Miner und die Opponenten von Core den Entwicklern vorwerfen, die Blocksize nicht nachhaltig und per Hardfork zu erhöhen, wie es Bitcoin Unlimited vorsieht. Das Ergebnis davon ist eine Blockade. Die Core-Entwickler wollen keine Hardfork programmieren, die Miner kein SegWit aktivieren. Pattmatt.

Ob das nun wirklich schlimm ist – oder, im Gegenteil, sogar gut – hängt von der Perspektive ab. Für die, die Faucets benutzen, Mikrozahlungen mit Bitcoin ausführen etc. dürfte ein permanenter Gebührenmarkt schädlich sein. Auch für viele Leute aus der dritten Welt, die Bitcoins benutzen, da für viele von ihnen 50 cent, wie man sie gelegentlich für Gebühren bezahlen sollte, doch nicht wenig ist.

Für diejenigen hingegen, die in Bitcoin vor allem ein digitales Gold sehen, ist alles wunderbar. Bitcoin ist immer noch günstiger und schneller zu überweisen als Gold oder Aktien. Und wenn man ein paar Euro Gebühren bezahlt, um Bitcoins im Wert von einigen Tausend Euro zu versenden – dann? Wenn man gar eine Million Euro oder so über Bitcoin überweist, sind die Gebühren weiterhin lächerlich gering. Und der Wert des Bitcoins — der Preis — leidet offensichtlich nicht unter dem Stau auf der Blockchain. Eher im Gegenteil.

Egal wie es weitergeht – ob SegWit oder Unlimited mehr Kapazität bringen oder alles so bleibt wie es ist – Bitcoin wird nicht untergehen. Aber es wird sich zeigen, was Bitcoin wird.

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