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Bitcoin Cash: Der König ist tot, es lebe der König

Könige im Kartenspiel. Bild von Naíra Teixeira Dias via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Es wird turbulent werden, aber langsam lichtet sich der Nebel: Die Hardfork von Bitcoin Cash (BCH) am 15. November spaltet die Community. Nun stellen sich die Börsen hinter ABC und deren „offizielle Roadmap“. Dies dürfte darüber entscheiden, welche Seite der Fork in Zukunft als Bitcoin Cash gehandelt wird. Ob es gut für den Coin ist, ist eine vollkommen andere Frage …

Man könnte meinen, irgendjemand wolle beweisen, dass die Core-Entwickler Recht hatten, wenn sie sagten, Hardforks seien schwierig und am besten zu vermeiden. Bitcoin Cash, ein Forkcoin von Bitcoin, vollzieht am 15. November eine weitere Hardfork, und man kann notieren, dass es ein ziemlicher Mist ist.

1. Canonical Transaction Ordering: Unnötig, aber umstritten
2. Satoshi’s Vision: Die Alternative von nChain und CoinGeek
3. Börsen-Statements und der Hashwar
4. Weder wohlmeinend noch vernünftig

Von vorne: Bitcoin Cash hat sich im Sommer 2017 von Bitcoin (Core) angespalten, um die Blocksize zu erhöhen, und um die Roadmap der Core-Entwickler loszuwerden, die als zu zentralplanerisch oder regulatorisch wahrgenommen wurde. Seitdem veranstaltet Bitcoin Cash unter der Führung der Entwickler von BitcoinABC alle sechs Monate eine Hardfork. Bereits die Hardfork im Mai 2018 hat eher unnötige Features aktiviert, die, immerhin, nicht besonders kontrovers waren und keinen Schaden angerichtet haben. Anders sieht es mit der von ABC für den 15. November angesetzten Hardfork aus.

Canonical Transaction Ordering: Unnötig, aber umstritten

Ohne zu tief ins Detail zu gehen, sind vor allem die geplante Aktivierung von CTOR (Canonical Transaction Ordering) und CDS (Checkdatasig) umstritten.

Schauen wir uns das am Beispiel von CTOR an: CTOR ändert die Ordnung der Transaktionen im Block so, dass sie nicht mehr wie bisher topologisch angeordnet werden, sondern lexikographisch. Dies hilft Bitcoin Cash, so die ABC-Entwickler, weiter zu skalieren. Wenn man aber tiefer blickt, poppen einige Fragezeichen auf.

So ist unklar, wie CTOR wirklich hilft. Die ABC-Entwickler geben vage Hinweise auf Sharding, eine futuristische, noch in keinster Weise auch nur erkundete, Technologie, um die Blockchain in Teile aufzuspalten; sie machen ferner ebenfalls vage Bemerkungen zur Parallelisierung der Arbeit von Nodes, was aber von anderen Entwicklern wie Andrew Stone (BU) und Tom Zander (Flowee) bestritten wird. Das einzige, was greifbar ist, ist der Effekt auf Graphene, ein Werkzeug, um die Datenmenge der Blockübertragung zu reduzieren. In der bisher von Bitcoin Unlimited eingesetzten Version spart Graphene 98 Prozent der Datenübertragung; mit einer vorbestimmten Ordnung der Transaktionen könnten daraus 99,6 Prozent werden. Dies könnte hilfreich sein, um Blöcke der Größe von 1 Gigabyte zu verarbeiten, also: Phantasieblöcke, von denen Bitcoin Cash mit seinen 0,2-0,3-Megabyte-Blöcken himmelschreiend weit entfernt ist.

Auf der Gegenseite kritisieren andere Entwickler CTOR: weil es die Arbeit für Wallets erhöht, beispielsweise bei der Verarbeitung von Ketten von unbestätigten Transaktionen, weil es, so einige Entwickler, langfristig sogar schadet, und weil es Nodes, wenn sie es brauchen, etwa für Graphene, auch problemlos ohne Hardfork anwenden können. Insgesamt scheint CTOR ein Feature zu sein, das derzeit in keinster Weise benötigt wird, von dem man nicht konkret weiß, ob es jemals irgendwie hilfreich sein wird, und das von führenden Entwicklern von Bitcoin Cash opponiert wird.

CTOR ist, finde ich, etwas, das man nicht einführen sollte, wenn die Einführung in irgendeiner Weise einen Schaden anrichtet, und sei es nur, dass sie Entwickler demotiviert. Jeder Nachteil ist zu groß, wenn es keinen Vorteil gibt.

Satoshi’s Vision: Die Alternative von nChain und CoinGeek

Die Mitglieder von Bitcoin Unlimited haben sich in einer Wahl sehr deutlich gegen CTOR entschieden. Dies allein sollte die Hardfork fragwürdig machen. Dazu kommt aber noch, dass sich mit nChain und CoinGeek die Firmen und Miner um Faketoshi Craig Wright und Poker-Milliardär Calvin Ayre offensiv gegen die Fork von BitcoinABC wenden.

Der von nChain entwickelte Client Bitcoin SV (Satoshi’s Vision) stellt der Hardfork von ABC eine alternative Hardfork entgegen, die unter anderem die maximale Blocksize auf 128 MB erhöht. Wie CTOR ist dies unnötig, aber es ist stärker der Ideologie von Bitcoin Cash verhaftet: dass die maximale Blocksize weit über der echten Blocksize liegen darf. Darüberhinaus möchte nChain mit dem SV-Client dafür sorgen, dass das Bitcoin-Cash-Protokoll einfriert, also auf eine stabile, nicht mehr weiter veränderbare Basis gesetzt wird.

Die ABC-Entwickler werden davon natürlich herausgefordert. Sie erklären, weshalb Bitcoin Cash nicht gut genug skaliert, um die maximale Blocksize auf 128 MB anzuheben, und weshalb man dafür CTOR braucht. Weiter kündigen sie schon an, welche Features sie in der nächsten Hardfork aktivieren wollen, und welche Route Bitcoin Cash gehen muss, um Gigabyte-Blöcke zu verarbeiten.

Während also BitcoinABC die immerwährende Hardfork ankündigt, sammeln nChain und CoinGeek Hashpower für Bitcoin SV. Da die Firmen exklusiv Bitcoin Cash minen, stellen sie einen deutlichen Anteil der Hashrate von BCH, während Bitmain und die anderen chinesischen Miner den größten Teil ihrer Hashpower auf Bitcoin (BTC) richten. Damit haben die SV-Miner mindestens 40, vielleicht aber auch 60 Prozent der Hashrate von Bitcoin Cash. Sie nehmen dies als Anlass, um zu beanspruchen, die Führungshoheit zu haben, und drohen, durch einen „Hashwar“ zu entscheiden, was der echte Bitcoin Cash ist.

Daher scheint es auf eine Entscheidung zwischen ABC und SV hinauszulaufen. Die dritte Alternative, ein Miner-Voting für die Änderungen durch BIP135, wurde zwar durch Bitcoin Unlimited und Bitcoin XT eingeführt, scheint aber derzeit noch kein Thema zu sein.

Börsen-Statements und der Hashwar

Was passiert also am 15. November? Es wäre denkbar, dass Bitmain oder ein anderer großer Miner ein Stück Hashrate von Bitcoin abzieht, um auf Bitcoin Cash die Mehrheit für die Fork von ABC aufzubringen. Prozesstechnisch wäre dies identisch mit einem 51-Prozent-Angriff. Es wird aber nicht  notwendig sein, um der ABC-Seite der Fork zum Sieg zu verhelfen. Denn die Fork mixt Hard- und Softforks, was bedeutet, dass die Chain unabhängig von der Hashrate fortbestehen wird. Es wird keine Auslöschung der Chain geben, wenn eine andere Bitcoin Cash Chain mehr Hashpower hat.

Daher wird alles an den Börsen hängen. Genauer gesagt: daran, welche Seite der Fork sie als BCH zum Handel anbieten werden. Es ist vollkommen egal, wie viel Hashrate hinter ABC steht – solange die Börsen den Coin, der bei der ABC-Fork ensteht, als den echten BCH listen, wird er es vermutlich auch sein. Die bisherigen Statements von Börsen sind mehr als eindeutig: Binance, Coinbase, Poloniex und andere haben erklärt, dass sie „die Bitcoin Cash Hardfork unterstützen“. Dabei verweisen sie auf „die offizielle Roadmap“ von Bitcoin ABC. Bitcoin.com erklärt, dass sie weiterhin Bitcoin ABC und Bitcoin Unlimited benutzen werden. Bei beiden Clients sind die neuesten Veröffentlichungen kompatibel mit der Hardfork. Damit scheint es klar zu sein, welche Seite der Fork BCH sein wird.

Als Reaktion darauf rasseln nChain, Craig Wright und Anhänger mit den Säbeln. Sie drohen, mit einem „Hashwar“ den ABC-Coin auszulöschen. Zur Debatte stehen Double-Spend-Angriffe auf Börsen, Replay-Angriffe, 51-Prozent-Angriffe und mehr. Dieses Szenario sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen: CoinGeek und Partner beweisen schon länger, dass sie bereit sind, Geld zu verbrennen, indem sie exlusiv Bitcoin Cash minen. Bitmain dagegen ist ein ökonomisch rationaler Akteur, der ohnehin schon zu stark in Bitcoin Cash investiert hat, und durch den Aktiengang gezwungen sein wird, noch rationaler zu handeln. Sollte sich der Hashkrieg hinziehen, dürfte Bitmain kaum in der Lage sein, Bitcoin Cash gegen die fortlaufenden Angriffe von CoinGeek zu verteidigen.

Weder wohlmeinend, noch vernünftig

Insgesamt ist die Lage also 10 Tage vor der Hard Fork einerseits klar, aber andererseits undurchsichtig. Wer der offiziellen Roadmap der ABC-Fork folgt, wird mit großer Sicherheit auf der Chain landen, die auf den Börsen als Bitcoin Cash (BCH) gehandelt wird. Dies wird mit den neuen Releases von Bitcoin ABC und Bitcoin Unlimited möglich sein. Bitcoin Unlimited hat noch die Option, ein Miner-Voting zu verlangen, folgt aber standardmäßig der „offiziellen Roadmap“.

Es kann Turbulenzen geben, weshalb die meisten Börsen Ein- und Auszahlungen für ein oder zwei Tage, je nachdem, wie es läuft, aussetzen werden. Sollte es zu einem langfristigen „Hashwar“ kommen, wäre dies ein Desaster, das möglicherweise zur kompletten Delistung von Bitcoin Cash  von den Börsen führt. Man kann hier nur hoffen, dass dies nicht passiert.

Ich persönlich – ganz persönlich! – finde aber das Szenario eines „Hashwars“ immer noch attraktiver als einen kampflosen Sieg der ABC-Fork. Denn Bitcoin Cash wurde gemacht, um eine von Teilen der Szene als drückend, technokratisch und zentralplanerische wahrgenommene Dominanz eines Entwickler-Teams (Bitcoin Core) abzuschütten. Sollte es nun ABC trotz des erheblichen Widerstands von Minern, Entwicklern und der Community gelingen, eine Hardfork durchzusetzen, die nicht nur unbeliebt, sondern auch in keinster Weise notwendig ist, wäre dies ein verheerendes Signal: Es würde bedeuten, dass Bitcoin Cash lediglich Core durch ABC ersetzt hat. Der König ist tot, es lebe der König!

Eine erfolgreiche Hardfork am 15. November wird Bitcoin Cash in den Augen vieler Fans sehr viel weniger reizvoll machen, einfach nur, weil sie zeigen würde, dass Amaury Sechet, der Chefentwickler von ABC, der Diktator von Bitcoin Cash ist. Dass Bitcoin Cash einen Diktator hat, ist schon schlimm genug; aber schlimmer ist noch, dass Amaury weder ein besonders wohlwollender noch führungstechnisch intelligenter Diktator ist. Im Gegenteil: Die Turbulenzen und den Verlust von Unterstützung der Community zu risikieren, um eine Hardfork durchzuboxen, die niemand für wirklich notwendig hält, verdient einen Spitzenplatz in der Liste der dümmsten Dinge, die Bitcoin Cash derzeit machen kann.

Dieser Beitrag sagt nicht das Geringste darüber aus, wie sich Bitcoin.de am 15. November verhalten wird. Es wird für Bitcoin.de ausschließlich darum gehen, die Werte der Kunden zu erhalten und dafür zu sorgen, dass das, was auf Bitcoin.de als Bitcoin Cash gehandelt wird, kompatibel mit dem ist, was andere Börsen handeln.

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