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Kanadisches Finanzamt möchte wissen, welche Adressen Bitcoin-User kontrollieren

Das Connaught Building i Ottawa, wo die Canadian Revenue Agency (CRA) ihren Sitz hat. Bild von Michel Rathwell via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die oberste Steuerbehörde Kanadas versendet Fragebögen an ausgewählte Bitcoiner. Darin verlangt sie unter anderem, dass diese sämtliche Adressen offenlegen, über die sie verfügen.

Der amerikanische Krypto-Journalist Kyle Torpey berichtet, dass ihm mehrere Quellen bestätigt haben, dass die Canada Revenue Agency (CRA), also das Finanzamt des Landes, Bitcoin-User prüft und diesen einen langen Fragebogen zusendet, in dem sie ihre Krypto-Aktivitäten des vergangenen Jahres darlegen sollen.

Torpey hat Kopien der Fragebögen online gestellt. Vieles ist erwartbar, einiges jedoch erschreckend. So möchte die CRA etwa wissen, ob ein User Mixer oder ähnliche Services verlangt. Falls ja, soll er erklären, weshalb, und die Spur seiner Transaktionen aufzeigen. Sie fragt ferner, ob der User Shapeshift oder Changelly benutzt, zwei Anbieter, bei denen man Kryptowährungen ohne Account und Identitätsverifizierung tauschen konnte oder kann. Falls ja, möge der User die Transaktionsdaten einschließlich des Datums vorlegen.

Die CRA möchte das, was sie bei normalem Geld gewohnt ist, auch bei Kryptowährungen umsetzen: Sie will einen vollständigen Einblick in die Finanzen der steuerpflichtigen Personen. Daher soll der User sämtliche Kryptowährungen, die er gekauft hat, angeben, inklusive des Datums und der benutzten Börse. Wenn der User eigene Wallets benutzt, soll er dem Finanzamt sämtliche Adressen, die er kontrolliert, aushändigen. Es gibt noch zahlreiche weitere Fragen, aber diese dürfte für die größte Unruhe in der Szene sorgen.

Die CRA erklärt auf Nachfrage von Torpey, dass man bereits 2017 eine Krypto-Einheit aufgebaut habe, die Audits durchführt, die sich auf die spezifischen, aus Kryptowährungen erwachsenden Risiken fokusiert. Ohne Details nennen zu wollen, erkärt ein Pressesprecher, dass die CRA bestimmte Kriterien anwendet, um User für ein solches Audit auszuwählen. Derzeit untersuche sie 60 Fälle, was gemessen an der Bitcoin-Aktivität von Kanada nicht wirklich viel sein dürfte.

Die befragten Kryptotrader dürften vor einer schwierigen Entscheidung stehen. Wie reagieren sie? Händigen sie alle ihre Adressen aus, und geben damit die finanzielle Privatsphäre auf, die Bitcoin verspricht? Oder geben sie nur den Teil raus, der der CRA vermutlich bekannt ist, also die Adressen, die mit Börsentransaktionen verknüpft sind? Woher wissen sie aber, welche konkret dies sind, und über welche Methoden die CRA verfügt, um Wallets ausfindig zu machen? Riskieren sie damit weitergehende Untersuchungen, etwa wenn die CRA Inkonsistenzen entdeckt? Am naheliegendsten dürfte sein, zu einem Anwalt zu gehen und zu prüfen, ob und in welchem Ausmaß sie verpflichtet sind, den Weisungen Folge zu leisten.

Das vielleicht interessanteste Detail ist, dass die CRA die User fragen muss, um an diese Informationen zu kommen. Bei Geld auf der Bank erfährt die Steuerverwaltung ohne aktive Mitwirkung des Steuerzahlers von dessen Finanzen. Sie kann sich relativ einfach ein vollständiges Bild machen, ohne dass der Bürger überhaupt etwas mitbekommt, und sie kann die berechneten Steuerforderungen zugleich per Kontopfändung exekutieren. Wenn die CRA dagegen die Daten, die Börsen besitzen, als Basis nimmt, erfährt sie immer nur einen Bruchteil der tatsächlichen Vermögensverhältnisse und hat mit zahlreichen Unsicherheiten umzugehen. Dies bestätigt einmal mehr, dass Bitcoin schlecht ist, wenn man eine automatisierte Überwachung will, aber durchaus dafür zugänglich, wenn eine Behörde zielgerichtet nachforscht. Die Bürger haben, immerhin, die Option, sich auf dem Rechtsweg zu wehren oder die Kooperation mit der CRA zu verweigern. Dies ist wesentlich mehr, als ein Bankkonto erlaubt.

Für diejenigen, die Bitcoins hingegen mit einem Freifahrtschein verwechselt haben, die sich an Geldwäsche direkt oder indirekt beteiligt, Steuern vorbehalten oder auf digitalen Schwarzmärkten eingekauft haben, dürfte dies ein geringer Trost sein. Die Blockchain vergisst nicht, und Finanzämter haben in der Regel einen langen Atem. Je mehr User die Fragebögen ausfüllen und angeben, wann sie was auf ShapeShift oder Changelly gewechselt und welchen Teil sie zu CoinJoins beigetragen haben, desto mehr füllt sich das Bild, dass die CRA hat. Diese wird die Informationen sicherlich mit anderen Behörden teilen, womit die verbleibenden Zonen der Anonymität, die es bei Bitcoin durchaus noch gibt, immer enger werden.

Die Nutzung von Anonymisierungs-Instrumenten, sei es CoinJoin, sei es ein Altcoin, könnte sich in diesem Fall gegen die User wenden. Denn das Finanzamt wird versuchen, die angegebenen Daten möglichst genau zu prüfen; sollte dies technologisch erschwert werden – eben durch Mixer oder anonyme Transaktionen – werden die Inspektoren gezwungen sein, umso genauer hinzuschauen und jeden Schritt gründlich zu prüfen. Gleichzeitig helfen solche Anonymisierungs-Instrumente, zu verhindern, dass die CRA ohne die Mitwirkung des Steuerzahlers an Informationen kommt. Dies steigert den Vorteil, den ihnen Bitcoin in der Verhandlung mit der Staatsgewalt gibt, noch weiter.

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