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Die G7 warnen Konzerne davor, ihre eigene Währung herauszugeben

Ein Spielball der hohen Interessen: Die Erde. Bild von Tom Woodward via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Facebooks Libra hat die Regierungen nachhaltig aufgeschreckt. Zwei der mächtigsten globalen Institutionen – die BIZ und die G7 – fürchten nun, dass ein privat herausgegebener Stablecoin rapide eine globale Reichweite erreicht und warnen vor den Risiken. Man kann das als Zeichen der Unsicherheit verstehen – oder als Drohung an die großen Digitalkonzerne.

Mitten ins Wespennest hinein. Facebooks Libra-Währung existiert noch gar nicht, ist aber geldpolitisch bereits Chefsache. Mehrere Finanzminister hatten schon erklärt, Libra nicht zulassen zu wollen. Jetzt schalten sich zwei Institutionen ein, die für die globale Politik rund ums Geld nicht wichtiger sein könnten: Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die als Zentralbank der Zentralbanken gilt, sowie die G7, ein Gremium wirtschaftsstarker Mächte, in welchem die Minister der führenden europäischen und amerikanischen Nationen zusammenkommen.

Die G7 hat eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern der Zentralbanken sowie des Internationalen Währungsfonds eingesetzt, an der Vertreter der BIZ sowie des Financial Stability Boards als Beobachter teilgenommen haben. Diese Arbeitsgruppe hat sich mit privat herausgegebenen Stablecoins beschäftigt und darüber einen Bericht verfasst, der nun auf der Webseite der BIZ veröffentlicht wird. Man kann also annehmen, dass sich die supranationalen Netzwerke der Geldpolitik einig sind.

Die Institutionen sind sichtlich besorgt, dass Konzerne die Blockchain-Technologie nutzen können, um ihr eigenes Geld zu machen. Natürlich, räumt der Bericht ein, ist das etablierte System nicht perfekt. Es wird zwar immer besser, aber gerade grenzüberschreitende Zahlungen sind weiterhin „langsam, teuer und undurchsichtig“, während 1,7 Milliarden Menschen noch immer „keinen oder einen unzureichenden Zugang zu Finanzdienstleistungen haben.“ Können „Krypto-Assets“ – auf diesen Begriff haben sich die Institutionen wohl geeinigt – Abhilfe schaffen?

Theoretisch können Kryptowährungen diese Probleme lösen. Praktisch aber leiden sie schon jetzt unter ihren eigenen Problemen: Eine mangelnde Skalierbarkeit, komplizierte User-Interfaces, regulatorische Unsicherheiten, und, mehr als alles andere: eine viel zu hohe Volatilität des Preises. All das hat dazu geführt, erklärt der Bericht, „dass Krypto-Assets vor allem als eine hochspekulative Anlageklasse für einige Investoren dienen sowie als Mittel für illegale Aktivitäten, nicht jedoch als ein echtes Zahlungsmittel.“

Bitcoin und andere Kryptowährungen spielen das Spiel des Fiat-Geldes nicht mit. Sie sind ja eben als Konkurrenz zum System des weichen Geldes angetreten, und das bringt es zwingend mit sich, dass der Preis in Fiatgeld ausgedrückt für eine gewisse Zeit volatil bleibt. An sich greift das die etablierten Finanzinstitutionen viel tiefer an, als es jemals ein Stablecoin eines Konzerns könnte. Aber gleichzeitig macht das Bitcoin für die Institutionen zu einer geringeren Bedrohung. Denn sie wissen, dass es lange dauert, bis Menschen, so träge wie sie sind, eine neue Währung mit einem anderen Wert akzeptieren – falls sie es jemals tun werden.

Eine App für Fiatgeld dagegen kann in einem Monat die Welt erobern. Daher hält es die G7 für viel realistischer, dass ein Stablecoin das erreicht, woran Bitcoin bisher scheitert: die globale Akzeptanz und Nutzung. Und das wiederum bereitet der Arbeitsgruppe Sorgen.

„Das Potential, ein globales Risiko zu werden.“

Der Bericht nennt zunächst eine Reihe von Risiken, die „unter anderem“ von Stablecoins ausgehen: für die Sicherheit und Effizienz von Zahlungssystemen, durch Geldwäsche und Terrorfinanzierung, für Verbraucherschutz und Datenschutz. Diese Risiken sind bekannt und können mit dem existierenden System von Regulierung und Aufsicht beherrscht werden, auch wenn man dieses erst an die Komplexität der Stablecoins anpassen muss. Möglicherweise müssen auch einige Gesetze und Regeln geändert werden, um Fälle abzudecken, bei denen das Recht derzeit noch nicht greift. Aber das ist es nicht, was den Autoren den Schlaf raubt.

Besorgt ist die Institution vielmehr von dem Szenario eines“GSC“: eines „globalen Stablecoins“. Denn „Stablecoin-Initiativen, die auf eine große und grenzübergreifende Kundenbasis bauen“ – Hallo Facebook! – „haben das Potential, rapide einen globalen oder sonstwie substantiellen Fußabtritt zu erreichen.“ G7 und BIZ scheinen die Gefahr sehr ernst zu nehmen, dass einer der großen Internetkonzerne, sagen wir Google, Amazon oder eben Facebook, die Blockchain benutzt, um sein eigenes Geld zu erschaffen, dass sich wie eine virale App in kürzester Zeit um die ganze Welt verbreitet. Eine Userbasis in den Milliarden, die Blockchain, ein Stablecoin – ist das die Mischung, die zünden wird, weil sie es muss? Der Moment, in dem es zur Massenadoption kommt, und die Regierungen die Kontrolle über das Geld schneller verlieren, als sie hinschauen können?

Welche Gefahr geht von den „Globalen Stablecoins“ aus? Anders als die „small scale Stablecoins“, die derzeit existieren, würde ein GSC „das Potential haben, ein globales Risiko zu werden“, unter anderem für, nocheinmal, „die Sicherheit und Effizienz des weltumfassenden Zahlungssystem“, aber eben in einem globalen Maßstand, wie auch für „die Wettbewerbspolitik, Stabilität des Finanzwesens, Gestaltung der Geldpolitik und, langfristig, auch für das internationale Geldsystem.“ Bitcoin – und kleine Stablecoins – sind eine Sache für die Aufsicht, die sie durch Regulierung in den Griff kriegt. Aber ein Stablecoin wie Facebooks Libra könnte ernsthafte Konsequenzen für das globale Finanzwesen haben.

Eine Blockchain ermöglicht es Facebook vielleicht, aus dem Stand ein Zahlungssystem für Milliarden von Menschen zu machen. Aber wie lange geht das gut? „Wenn wir annehmen, dass ein GSC systemisch bedeutend wird und Risiken konzentriert, dann ist die Sicherheit, Effizienz und Integrität des Zahlungssystems entscheidend.“ Wie kann eine Blockchain das garantieren? Ist die Technologie schon reif genug, um hier wirklich sicher zu sein? Und wie soll man damit umgehen, dass dabei Kredit- und Liquiditätsrisiken entstehen? Wie verhindert man Geldwäsche im globalen Ausmaß, wenn Transaktionen Peer-to-Peer ablaufen? Wird die GSC eine leuchtende Zielscheibe von Cyberangriffen sein, wenn sie rapide Geld und persönliche Informationen von Millionen von Menschen verwahrt?

Das sind nur ein Teil der Sorgen, die der Bericht zum Ausdruck bringt. Die Marktmacht eines GSC könnte den Wettbewerb in Finanzmärkten ausschalten, wenn er die Finanzströme auf sich manipuliert. Will man, dass das, was mit Google und Amazon geschah – die fast vollständige Monopolisierung ganzer Märkte – sich beim Geld wiederholt? Und das auch noch durch dieselben Konzerne? Die schiere Existenz von GSCs kann die Stabilität des Finanzwesens beeinflussen; sie kann dafür sorgen, dass sich lokale Schocks blitzschnell ausbreiten; eine Störung des Systems kann die Volkswirtschaft mehrere Länder beschädigen. Welchen Einfluss werden Market-Maker haben, die den Preis der Fiat-Token stabilisieren; was, wenn diese selbst instabil werden, und den Markt gerade dann verlassen, wenn der Verkaufsdruck steigt?

Und so weiter. Und so fort.

Wer will schon einen Zucker- oder Bezoscoin?

Für jeden, der sich mit der Idee herumwälzt, einen Stablecoin herauszugeben, der die nächste Killer-App wird, dürfte sich der Großteil des Berichts wie eine Verkettung von Horrorfilm-Szenen lesen. Die unaufzählbar zahlreichen Bedenken, die die G7-Arbeitsgruppe vorträgt, werden sich offensichtlich in einer strengen Regulierung der Stablecoins niederschlagen. Schon beim Juli-Treffen in Chantilly haben die Finanzminister und Zentralbanker der G7 beschlossen, „dass Stablecoins-Initiativen und ihre Betreiber die höchsten Standards einzuhalten haben und das Ziel sehr strenger Überwachung und Aufsehung sein müssen. Es ist eine Priorität, mögliche regulatorische Lücken zu erkennen und zu schließen.“ Kein Stablecoin-Projekt soll „seine Operation beginnen, bevor die rechtlichen, regulatorischen und aufseherischen Herausforderungen und Risiken adressiert sind.“ Selbst dann aber sei die Erlaubnis nicht selbstverständlich, sondern hänge von den regulatorischen Anforderungen und politischen Zielen ab.

Der Bericht ist in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Erstens markiert er den Zeitpunkt, ab dem die Erfolgsaussichten einer von einem Konzern herausgegebenen Kryptowährung ins kaum mehr Sichtbare schwinden. Der Bericht dürfte sich in erster Linie an Facebook wenden, eben wegen Libra, wird aber auch all die anderen Internetkonzerne ansprechen, Google, Yahoo, Telegram, Instagram, Twitter, Ebay und wen auch immer: Kommt nicht auf die Idee; falls ihr schon Pläne für eine Kryptowährung habt, stampft sie wieder ein. Die Regierungen werden den Konzern, der es wagt, ihr Währungsmonopol anzugreifen, mit Auflagen und Regeln jagen.

Zweitens spricht aus dem Bericht ein Wandel der vergangenen Jahre. 2014 wäre das so noch nicht passiert. Mittlerweile sind aber alle großen Organe der Weltpolitik, von den staatlichen Finanzministern und Notenbankern bis zu supranationalen Organisationen wie der BIZ, FATF, G7 oder dem Weltwährungsfond, hellwach. Sie wissen, was Bitcoin ist, sie haben die Risiken längst eingeschätzt, arbeiten seit langem daran, es zu regulieren, und sind sich sehr wohl bewusst, dass ihnen Kryptowährungen ein Stück Kontrolle entreissen können. Für solche Organe ist es immer einfacher, etwas zu verhindern, dass es noch gar nicht gibt, als etwas kleinzukriegen, das bereits groß geworden ist. Bitcoin – und die anderen relevanten Kryptowährungen – haben vermutlich ein Zeitfenster genutzt, in welchem es möglich war, zu wachsen, ohne dabei von den Behörden verhindert zu werden.

Da man die Dinge jetzt nicht mehr rückgängig machen kann, bleibt den Regierungen nicht viel anderes übrig, als Bitcoin und andere Kryptowährungen kleinzureden. Sie seien nicht der Rede wert, zu volatil und zu wenig skalierbar, um eine ernsthafte Bedrohung der Kontrolle zu werden, die die Staaten über das Geld haben. Den Autoren dürfte aber klar sein, wie schwierig es ist, eine dezentrale Währung in dem Ausmaß zu kontrollieren, wie es die FATF und andere Gruppen verlangen, und dass allein der Versuch zu Verletzungen von Grundrechten, Freiheiten und des Datenschutzes führen wird. Vielleicht ist es gar nicht mehr möglich, Kryptowährungen im Rahmen demokratischer Staaten zu kontrollieren.

Daher konzentrieren sich die Institutionen auf die naheliegenden und besser kontrollierbaren Ziele – eben auf Unternehmen wie Facebook. Vielleicht sind sie sogar ein Stück weit im selben Boot wie Bitcoiner: Ein dezentrales Geld, das niemandem und darum allen gehört, ist ihnen zwar nicht geheuer, aber immer noch lieber als ein Zucker-, Google- oder Bezosbuck. Kaum jemand will wirklich den Konzern-Coin haben.

Drittens transportiert der Bericht auch eine Spur der Unsicherheit und Furcht. Sind sich die Regierungen ihrer Zahlungssysteme so unsicher, dass sie denken, ein Facebookcoin könnte die Welt im Sturm erobern? Meinen Sie, so wenig das Vertrauen der Menschen zu haben, dass diese ihre Ersparnisse lieber einem Server in Kalifornien übergeben wird, der noch nicht einmal einen wirklichen Support hat? Haben Sie Angst, dass sie, wenn das Phänomen einmal groß genug geworden ist, nicht mehr in der Lage sind, es aufzuhalten, auch dann, wenn sie neue Gesetze schmieden und ihre Muskeln des Gewaltmonopols spielen lassen?

Klar ist immerhin eines: Die Regierungen werden nicht tatenlos zusehen, wie ein Internetkonzern ihre Zentralbanken ersetzt. Hier können sie eingreifen. Bei Bitcoin und anderen Kryptowährungen wird es für sie schwer werden, mehr zu tun, als zuzuschauen.

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