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Bitcoins trotz Blackout

Blackout. Bild von Blec via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Bitcoins sind super – solange man Internet hat. Doch was, wenn das Netz ausfällt? Zwei Startups wollen es möglich machen, Bitcoin-Transaktion durch Mesh-Netzwerke anstatt das Internet zu senden. Beide hatten eine Präsentation auf der Lightning-Konferenz.

Erinnern Sie sich noch an den letzten Stromausfall? Oder daran, wie ein Bauarbeiter aus Versehen die Internet-Leitung abgestochen hat? Kein Netz, keine E-Mails, kein Netflix, kein Instagram – kein Bitcoin? Falls Ihnen das jemals geschehen ist, dürfte Ihnen bewusst geworden sein, wie abhängig wir Gegenwartsmenschen vom Internet sind, und wie beängstigend es ist,  vorübergehend offline zu gehen.

Für uns hierzulande ist ein Strom- oder Internetausfall ein Ausnahmezustand. Etwas, das den grollenden Ärger hervorspült, dass irgendjemand etwas falsch gemacht hat und wir jetzt darunter leiden müssen, aber auch etwas, von dem man weiß, dass es die Techniker schon in kurzer Zeit richten werden. In anderen Ländern ist das oft anders. Venezuela zum Beispiel ist bekannt für die notorischen Stromausfälle. So waren im Juli mehr als 20 Prozent des Landes ohne Saft, woraufhin fast das gesamte Telekommunikationsnetz ausgefallen ist. Aber selbst reiche Regionen wie Kalifornien sind nicht vor Stromausfällen gefeit; erst vor kurzem standen rund 600.000 Einwohner des US-Bundesstaates ohne Strom da.

Das Internet ist eben doch nicht so stabil, wie man es gerne meint; es ist eine hochkomplexe, künstliche Sphäre, die durch den Dauereinsatz von Servern, Unterseekabeln, Funktürmen, Verteilern und so weiter am Leben erhalten wird; hinter der Oberfläche der digitalen Welt werden fortlaufend Teile repariert, ausgetauscht und erneuert. Der normale Zustand des Internets ist der Verfall; es braucht fortlaufend Arbeit, damit es stabil bleibt, und es ist davon abhängig, dass eine komplexe technische Infrastruktur weiterfunktioniert.

Das ganze ist nicht nur technisch fragil, sondern auch politisch: Staaten können die Sendemasten und Datenknoten besetzen und damit nationale Variationen des Netzes schaffen. China macht das schon lange, Russland plant dies mit dem RuNet auch, die Türkei ist dafür bekannt, zahlreiche Webseiten zu sperren, die ihrer Regierung unlieb sind, und der Irak hat vor kurzem anlässlich landesweiter Proteste gleich das ganze Internet ausgeschalten. So wie der technische Verfall ist die politische Zensur eher der Normalzustand, auf den sich das Netz hinbewegt.

Kann ein Geld wie Bitcoin unter diesen Voraussetzungen überhaupt stabil sein? Können es sich die Menschen in Diktatoren oder Ländern mit schwacher Infrastruktur überhaupt leisten, auf Bitcoin zu vertrauen? Je mehr ein Land Bitcoin braucht – etwa Venezuela – weil das Geld nicht mehr funktioniert, desto höher ist die Gefahr, dass das Internet auch unzuverlässig wird – und damit auch das neue, digitale Geld.

Locha Mesh

In Venezuela scheint es dafür ein Problembewusstsein zu geben. Der in Spanien lebende Randy Brito hat 2012 die Non-Profit-Organisation Bitcoin Venezuela gegründet, um in dem von Hyperinflation geplagten Land auf Bitcoin aufmerksam zu machen und Spenden in Bitcoin zu sammeln, die der Bevölkerung über die Härten der desaströsen Wirtschaftspolitik hinweghelfen. Nun möchte er mit Locha Mesh ein Gerät entwickeln, das dafür sorgen soll, dass Bitcoin in Venezuela auch dann funktioniert, wenn es zu Stromausfällen und Internet-Blackouts kommt.

Locha Mesh soll ein kleines, radioartiges Gerät sein, das mit einer Batterie oder per Solarstrom läuft. Es soll Bitcoin-Transaktionen durch Offline-Mesh-Netzwerke per Radiowellen versenden, bis sie bei einem anderen Locha-Mesh-Gerät ankommen, das Kontakt zum Internet haben. Weil Locha Mesh auch Lightning-fähig werden soll, hat Randy Brito sein Projekt auf der Lightning-Konferenz vorgestellt.

Folie der Präsentation Randy Britos auf der Lightning Konferenz.

Er meint, die ultimate Botschaft von Bitcoin sei erlaubnisfreie Freiheit („permissionless freedom“). Das Internet, wie wir es kennen, leistet dies nicht. Es leitet Nachrichten von den Geräten der User zu Funktürme und großen Datenknoten. Wenn es einen Stromausfall gibt, scheitert die Übertragung der Nachrichten; wenn man etwas macht, was der Regierung nicht gefällt – und sei es nur, Tor oder Bitcoin zu benutzen – wird man gesperrt, und die Nachricht scheitert auch. Weniger anfällig für solche Störungen sind Radios. Es ist problemlos möglich für Venezuelaner, mithilfe eines Amateurradios mit Menschen in der USA oder in Kanada zu kommunizieren, wie es auch möglich ist, eine Bitcoin-Transaktion über Radiowellen zu senden.

Allerdings hat auch diese Methode ihre Schwachstellen: Wenn man immer vom selben Ort aus sendet, kann man aufgespürt werden. Daher muss das Gerät tragbar sein, und die Nachrichten verschlüsselt. Genau das ist es, was Brito mit Locha Mesh erreichen will: Ein kleines, mobiles Gerät, das verschlüsselte Bitcoin-Transaktionen und allgemeine Nachrichten über ein Mesh-Netzwerk zum nächsten Internetempfang trägt. Brito möchte auch den Blockstream-Satelliten integrieren, so dass man etwa einen Lightning-Node aufsetzen kann, der über nichts als Funkwellen erfährt, ob seine Channels gültig sind.

Als Mesh-Netzwerk funktioniert Locha Mesh am besten auf kurze Distanzen, aber weil die Radiowellen eine hohe Reichweite haben, geht es auch über sehr weite Strecken. Im Kern hat Locha Mesh mit denselben Problemen zu kämpfen wie Lightning – wie findet man eine Route durch ein Mesh-Netzwerk? Brito meint, man versucht eine, bekommt ein Feedback, ob es klappt oder nicht, und probiert dann gegebenenfalls die nächste aus. Da die Zahlung keine Liquidität in den Netzwerkknoten braucht, dürfte die Pfadfindung allerdings deutlich einfacher sein als bei Lightning.

Noch ist Locha Mesh nicht auf dem Markt. Randy Brito meint, man würde gerade die Entwicklung abschließen und das Produkt testen. Die Marktreife soll es Anfang bis Mitte 2020 erreichen.

goTenna

Architektonisch betrachtet ist Locha Mesh ähnlich wie goTenna – ein Protokoll für ein Mesh-Netzwerk für Nachrichten, das auch auf der Lightning Konferenz vorgestellt wurde.

Auch goTenna möchte ein Gerät verkaufen. Dieses ist etwa so groß wie ein USB-Stick und per bluetooth an ein Smartphone angeschlossen. Es kostet in der einfachen Ausführung etwa 160 Dollar und erlaubt es, Kurznachrichten über lange Distanzen zu senden, ohne dabei auf einen zentralen Telefon-Provider angewiesen zu sein. Stattdessen werden die Nachrichten über Radiowellen an andere Knoten im Mesh-Netzwerk gesendet, die die Nachricht weiterleiten, sofern sie nicht der Empfänger sind. So wandert eine Botschaft über mehrere Knoten, bis sie ihr Ziel erreicht.

Richard Myers von goTenna möchte Lightning nutzen, um Anreize für Knoten zu schaffen. Mikrozahlungen sollen Leute ermutigen, Nachrichten für andere Menschen weiterzuleiten und Mesh-Knotenpunkte zu betreiben. Um den Plan von goTenna zu verwirklichen, sind allerdings noch zwei Updates von Bitcoin und Lightning notwendig: Schnorr-Signaturen sowie Eltoo. Beides soll in Zukunft zu Bitcoin oder Lightning kommen; wann genau, ist derzeit aber noch nicht zu sagen.

goTenna hat im Sommer dieses Jahres ein Investment von 24 Millionen Dollar erhalten. Dies dürfte es der Firma erlauben, ihr Produkt weiter zu entwickeln, eventuell bei der Entwicklung von Bitcoin und Lightning mitzuhelfen, und auch das Wachstum des Netzwerkes zu unterstützen. goTenna erlaubt es auch, Bitcoin-Transaktionen über das Mesh-Netzwerk zu versenden. Für den Transport über größere Entfernungen benutzen die goTenna-Geräte den Blockstream-Satelliten.

Mit den beiden Projekten könnte es geschehen, dass sich ein neues, resilienteres Internet bildet. Bitcoin spielt dabei eine doppelte Rolle: Zum einen erhöht digitales Geld die Notwendigkeit stabiler und ausfallsicherer Netze – und zum anderen könnte Bitcoin solche globale Mesh-Netzwerke erst möglich machen, indem durch digitale Transaktionen Anreize für das Betreiben von Knoten gesetzt werden.

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