Website-Icon BitcoinBlog.de – das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

BitFinex-Hack: User verlieren 36% ihres Guthabens und erhalten BitFinex-Coin

Shaver well used, Foto von Rodrigo Soldon 2 via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die bisher größte Dollar-Bicoin-Börse BitFinex sozialisiert den Verlust von etwa 120.000 Bitcoin und rasiert von allen Kundenguthaben 36% ab. Im Gegenzug erhalten die Kunden der Börse, die heute im Watch-only-Modus wieder live ging, sogenannte BitFinex-Coins. Antworten auf viele Fragen erhalten sie hingegen nicht.

Mit 120.000 Bitcoins oder 60 Millionen Euro Verlust war der BitFinex-Hack der zweitgrößte Hack der Bitcoin-Geschichte. Die Börse aus Hongkong hat nun entschieden, wie sie mit dem Hack umgeht.

Aufgrund der wahllosen Natur des Angriffs haben wir uns entschieden, die Verluste auf alle Accounts zu verteilen. Wenn sie sich jetzt wieder einloggen, werden die Kunden sehen, dass sie einen generalisierten Verlust von 36,07% erlitten haben.

Während es unmittelbar nach dem Hack noch hieß, die Bitcoins seien aus den individuellen Kundenkonten geraubt worden, wird nun also der entstandene Schaden auf sämtliche Kunden sozialisiert. Die Methode Rasenmäher oder Haircut eben, bekannt aus Bankenrettungen und Kriegsfinanzierungen. Die Formel für diese Sozialisierung der Verluste ist im Kern recht einfach

Verlust / gesamtes Guthaben vor Verlust = Haircut / Guthaben Kunde

Allerdings ist das Verfahren laut Bitfinex kein Haircut. Denn die Kunden werden für die erlittenen Verluste entschädigt: Bitfinex verteilt BFX-Token an die Kunden. Ein Token repräsentiert einen US-Dollar und soll noch in dieser Woche handelbar werden. Ausgenommen vom Handel sind US-Kunden, vermutlich, weil Bitfinex den langen Arm der US-Aufsichten fürchtet. Die BFX-Token bleiben solange ausstehend, bis Bitfinex sie vollstädig gegen Anleihen von iFinex Inc. getauscht hat. Die Kunden bekommen also, mehr oder weniger und unfreiwillig, Anteile an Bitfinex.

Die BFX-Token sollen auf dem Omni-Protokoll laufen, einer auf Mastercoin beruhenden Schicht auf der Bitcoin-Blockchain, die es ermöglicht, Token durch Bitcoin-Transaktionen zu referenzieren. Omni hat seinen eigenen Omni-Coin, dessen Preis vor lauter Freude über die Nachricht um rund 60 Prozent nach oben gesprungen ist. Immerhin ein Gewinner des Hacks.

Bitfinex hat unterdessen die Börse wieder angeworfen. Im Watch-Only-Modus können sich die Kunden davon überzeugen, wie ihre Guthaben eingestampft worden sind. Sie müssen zudem ihre Passwörter, ihre Two-Factor-Authorisierung sowie ihre API-Keys neu einstellen.

Offene Fragen

Offen bleiben nun noch einige Fragen, um deren Beantwortung sich Bitfinex langfristig nicht drücken kann.

Zum einen die technische Frage: Wie ist der Hack geschehen – und wie kann Bitfinex schon jetzt sicher sein, dass er sich nicht wiederholt? Was war die Sicherheitslücke – und wurde sie geschlossen? Es ist klar, dass in solchen Fällen – wenn die Ermittlungen erst begonnen haben und am System von BitGo noch andere Börsen hängen – Verschwiegenheit ein Gebot der Stunde sein kann. Es sollte allerdings auch klar sein, dass Bitfinex den Hack so transparent wie möglich aufarbeiten muss, um eine Chance zu haben, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen.

Nicht weniger intransparent bleibt bis dato die Kalkulation des Haircuts. Wie kommt Bitfinex auf genau 36,07%? Ein Poster auf reddit versucht, die Summe nachzurechnen: der Verlust betrug 119.756 Bitcoins, und Bitfinex besitzt, wie bestätigt wured, noch 123.596 Bitcoin. Ein Haircut, der ausschließlich Bitcoin-Guthaben betrifft, würde demnach auf 49,21 Prozent hinauslaufen. Da ein generalisierter Haircut – der noch Ether, Ether Classic, Litecoin und US-Dollar einbezieht – noch mit 36,07 Prozent aufläuft, folgt daraus, dass Bitfinex neben Bitcoin Assets im Wert von rund 50 Millionen Dollar hält. Dieser Betrag erscheint relativ niedrig und wurde von Bitfinex bisher weder bestätigt noch bestritten.

Schließlich, die BFX-Token – ist das legal? Haben sie in irgendeiner Weise eine juristische Gültigkeit? Und ist es rechtens, dass gerade US-Kunden – die einen großen Teil der Bitfinex-Trader ausmachen dürften – nicht mit den Token handeln dürfen?

Auf manche wirkt das Vorgehen von Bitfinex dubios bis kriminell. Dementsprechend ist es kein Wunder, dass angeblich bereits die ersten Anzeigen in Hongkong und Großbritannien eingegangen sind. Sowohl die Sozialisierung des Verlustes als auch die Kompensierung durch digitale Token werfen rechtliche Fragen und Ungewissheiten auf. Mit diesem Konstrukt und der intransparenten und raschen Abwicklung öffnet Bitfinex sich selbst, so ein Poster auf reddit, „einen riesigen Raum für kriminelle Aktionen und Betrügereien“.

Man kann an dieser Stelle hoffen, dass Bitfinex diesen Raum nicht missbraucht – und dass die Börse Beweise vorlegen kann, die genau dies öffentlich bestätigen. Denn es ist gut möglich, dass Transparenz das einzige ist, was Bitfinex jetzt retten kann.

Die mobile Version verlassen