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„Ganz simpel. Ganz einfach. Es ist gut.“

Auf der Future of Bitcoin gibt der angebliche Satoshi Craig Stephen Wright einen furiosen Vortrag, der von spontan ausbrechenden Applaus-Stürmen begleitet wird. Großes Kino in Arnheim.

Im Konferenzraum im WTC in Arnheim glauben die wenigsten ernsthaft, dass Craig Wright Satoshi ist. Es mag eine kleine Chance geben, dass er tatsächlich Satoshi ist, auch wenn dies unter anderem bedeuten würde, dass Satoshi Beweise fälscht. Wahrscheinlicher ist es aber, dass es sich bei Craig Wright um einen Hochstapler handelt, der außerordentlich geschickt ein feines Netz von Fakten, Halbwahrheiten und Lügen spinnt, um den Eindruck zu erwecken, er sei der Schöpfer von Bitcoin.

Egal. Der Mann ist, ob Satoshi oder ein Gauner, brillant. Das, was er leistet, ist Stoff für die Gechichtsbücher. Und die Präsentation, die er in Arnheim hielt, war mitreissend.

Eigentlich kündigte das Programm Jon Matonis an. Matonis, ein großer Mann mit Brille, grauen Haaren und Wohlstandsbauch, betrat die Bühne und stellte kurz die Firma nChain vor: Man werde radikales onchain Scaling und Smart Contracts zu Bitcoin bringen. Dann kündigt Matonis an, etwas zu machen, was noch niemand auf einer Bitcoin-Konferenz getan hat: Er wird seinen Redeplatz jemand anderem schenken. Und zwar „der Legende von Australien, Bitcoin Dundee, Mister Craig Wright!“

„Es gibt keine Grenze des Bedarfs? Großartig!“

Und damit betritt Craig die Bühne. Ich finde, er ist ein großartiger Redner. Er wandert über die Bühne, hat einen festen Blick, erhebt und senkt die Stimme, macht rhetorische Pausen, gestikuliert kontrolliert und effektvoll und spricht mit einem Rhythmus, der Eindringlichkeit vermittelt. Er weiß genau, was er macht und hört sich selbst gerne reden.

Der Australier weiß auch genau, was die Big Block Community, die sich hier in Arnheim trifft, will. Und er gibt es ihr. Er zitiert Peter Todd, der sagt, man könne nicht skalieren, weil es kein „Limit on Demand“ gibt. Wright antwortet: „Gut! Ich will keine limitierte Nachfrage. Ich will, dass jede einzelne Person auf diesem Planet Bitcoins benutzt. Keine Altcoins oder sonst etwas. Bitcoin. Ich will kein beschissenes Argument, dass Leute es benutzen und es schlecht sein wird. Ganz simpel. Ganz einfach. Es ist gut.“

Wright hat einen Punkt. Bitcoin soll der Welt monetäre Freiheit geben. Wir haben, zum ersten Mal überhaupt, ein hartes, unmanipulierbares Geld. Es geht doch darum, dies der Welt zu geben, oder? Und nicht darum, dass die Blocksize auf jeden Raspberry Pie passt, auf diese „winzig-kleinen, unbedeutenden Maschinchen“. Bitcoin wird skalieren, sagt Wright, und er wer nicht mitkommt, hat Pech gehabt. Das ist Kapitalismus, kein Anarcho-Sozialismus.

„Wenn du seit 2009 in Bitcoin bist, und du es dir nicht leisten kannst, dem Netzwerk mit einer 20.000 Dollar Maschine zu helfen – dann verpiss dich.“

Craig Wright gibt den wütenden Satoshi. Er kam zurück, nach all den Jahren, er sieht, was aus seinem Baby geworden ist, und er ist entsetzt und zornig. Wright holt aus zum Rundumschlag gegen die Core Entwickler, die das Bitcoin-Projekt die letzten Jahre über geführt haben.

Die Kryptowährung wird bald zehn Jahre alt. 40 Milliarden Dollar sind nichts. Das User-Interface ist immer noch Mist. Das IP-to-IP Payment, das Bitcoin am Anfang hatte, ist beseitigt und nicht ersetzt. Wo ist das händlerfreundliche Payment-Protokoll, das Bitcoin haben sollte? Händler könnten selbst beeinflussen, wie sicher unbestätigte Transaktionen sind, indem sie diese selbst propagieren. Aber stattdessen bekommen sie RBF, um die Miner zu bestechen.

Spannend wird es, als Wright zum Quadratic Scaling kommt. Bei diesem Problem geht es um folgendes: Man kann einen DoS-Angriff auf das Netzwerk zu fahren, indem man Transaktionen bildet, die sehr viele Signatur-Operationen haben. Eine solche Monster-Transaktion mit unheimlich vielen Inputs kann bereits bei 1MB Blöcken schwache Nodes minutenlang beschäftigen. Wenn sie 4 oder 8MB groß wird, könnte sie das halbe Netzwerk lahmlegen. SegWit löst das Problem, allerdings nur für SegWit-Transaktionen.

Wright meint nun, Quadratic Scaling sei „Core Code. Code Flaw …Es wurde in Bitcoin eingefügt, es ist leicht zu reparieren.“Er zeigt ein Stück Code, erkärt, dass „Bitcoin Unlimited und Bitcrust und unser Team es unabhängig voneinander gefunden und gefixt haben.“

Tatsächlich hat Bitcoin Unlimited den DoS-Angriff entschärft. Dazu wurde ein Limit der SigOps je Transaktion und je Block gesetzt. Eine recht banale, aber funktionierende Lösung. Das eigentliche Problem – Quadratic Scaling von Transaktionen – bleibt jedoch erhalten. Insofern ist der Kern von Craig Wrights Argument, dass Quadratic Scaling einfach zu lösen ist, zwar nicht komplett falsch, aber doch etwas fragwürdig.

Wright nimmt dieses Detail jedoch als Schanze, um zum ganz großen zu springen. Dabei zeigt er eine mitreissende, demagogische Begabung.

Er fragt, wie viele SigOps je Sekunde man schaffen kann. Er schaut sich um, und sagt dann: 500.000 je Sekunde. „Das ist Skalierbarkeit. Und ja, das ist eine 20.000 Dollar Maschine. Ganz offen, mir sind Raspberry Pies egal. Wenn du seit 2009 in Bitcoin bist, und du es dir nicht leisten kannst, dem Netzwerk mit einem 20.000 Dollar Node zu helfen – dann verpiss dich. Und ich sage es nochmal: Wenn du das nicht machen wirst, wenn du nicht bereit bist, dem Netzwerk zu helfen, und wenn du nicht dieses Ding nehmen wirst, das dir gegeben wurde und das dir finanzielle Freiheit und finanzielle Unabhängigkeit gegeben hat, um Leuten zu helfen, indem du ein wenig Geld für ein anständiges Netzwerk ausgibst – fick dich.“

An dieser Stelle wird stürmisch applaudiert. Bitcoin kann es sich leisten, zu skalieren. Man soll endlich aufhören, so klein zu denken.

„Daher, ihr versteht es alle falsch. Ihr zählt Nodes. Nodes zählen ist Scheiße. Es hat null Relevanz.“

Dies ist nur ein Ausschnitt dieses wilden Vortrags. Wright springt weiter: über Moores Law (das unser Freund ist), Transaktionsgebühren als Flood Control (wie sie Satoshi ursprünglich geplant hat), die Velozität von Geld (die den Preis skaliert) zu Sidechains (die Bitcoins Sicherheits-Modell untergraben). Er erklärt, dass Bitcoin Turing vollständig sei, weil es zwei Stacks hat (eine zumindest interessante Aussage) und behauptet, einen sich selbst entwickelndne Code in Bitcoin gehabt zu haben, der aber nun von den hohen Gebühren getötet worden ist. Bitcoin Dundee nimmt alles mit.

Kurz darauf bringt er wieder einer dieser interessanten Gedanken, die für ihn typisch zu sein scheinen. Er erklärt, dass die Modelle, mit denen das Netzwerk betrachtet wird, falsch sind. Es geht nicht um Nodes, sondern um Verbindungen:

„Es ist die Konnektivität zwischen den Graphen, auf die es ankommt. Ihr versteht es also alle falsch. Ganz einfach. Ihr zählt die Nodes. Aber die Anzahl der Nodes ist scheiße. Sie hat keinerlei Relevanz … Bitcoin, wie es wirlich ist: Dicht. Wir haben eine Distanz von 1,32. Kleine Welt. Es ist größer als ein kleine Welt Modell. Es ist kein Mesh. Du sendest eine Transaktion, und in 2,3 Sekunden, nachdem sie das Netzwerk trifft, haben 99,8 Prozent der Hash Power die Transaktion. Es kann sein, dass du 5 Sekunden brauchst, um jeden Raspberry zu erreichen, aber das ist eggal …“

Warum ist dieser Punkt so wichtig? Ein Netzwerk in Connections, anstatt Nodes zubetrachten, ist in jedem Fall ein interessanter Gedanke. Er berührt die Blocksize-Debatte an mehreren Stellen. Zum einen schaltet er Sorgen aus, dass das Netzwerk bei größeren Blöcken „laggt“, sich also verzögert. Ein Small World Netzwerk kann in sehr schneller Zeit viele Informationen  verbreiten. Zum anderen reduziert er die Bedeutung der Anzahl von Nodes, die oft genug als Argument benutzt wird, dass jeder SegWit und keiner Bitcoin Unlimited will.

Aber es geht noch weiter. Wright feuert von hier aus noch einen Schuss gegen das Lightning-Netzwerk ab:

„Das ist es, was Menschen denken, und das ist, was Lightning ist: Ein Mesh, mit vielen kleinen Hops und zentralen Nodes, etcetera … es gibt eine Mathematik der Sybil Angriffe. Jedes Netzwerk mit einer Distanz von mehr als drei Hops kann angegriffen werden. Das ist mathematisch bewiesen. Lightning wird 18 Hops haben, nicht 8, sondern 18. Bitcoin dagegen hat eine Distanz unter 3.“

Ist da etwas dran? Keine Ahnung. Man könnte einwenden, dass Verbindungen in Lighning – die Channels – ja mit Bitcoins gefüllt werden müssen, weshalb man sie nicht beliebig mit Sockenpuppen spamen kann. Außerdem sind Lightning-Channels und Transaktionen auch nicht fälschbar, da man ja den privaten Schlüssel dafür braucht. Aber ich weiß nicht, wohin das führt, wenn man es weiterdenkt …

Ein Mining-Pool, der keine SegWit-Transaktionen bestätigt

Natürlich drischt Wright auch auf SegWit ein. Dies ist einer der schwächsten Teile seiner Präsentation.

Zum einen stürzt er sich auf die Signaturen. Einer der Vorteile von SegWit ist, dass man Signaturen besser prunen, also aus der Blockchain löschen kann. Aber die Signaturen sind Unterschriften, und die Händler, die Zahlungen empfangen, wollen die Unterschriften dokumentieren. Warum, so Wright, soll man etwas löschen können, was man nicht löschen will? Aber warum, möchte man dagegen fragen, sollte ein Händler die Unterschriften von Fremden speichern wollen?

Noch schlechter ist das zweite Argument. SegWit braucht 400 Prozent der Kapazität, sagt Wright, um denselben Effekt zu erreichen wie eine Blocksize-Erhöhung. Das ohne weitere Erklärung stehen zu lassen, ist eine Lüge. Es könnte eine Halbwahrheit sein, vielleicht auch ein Irrtum. Aber wenn Wright auch nur im Ansatz der ist, für den er sich ausgibt, sollte er es wissen.

Wright bleibt jedoch nicht dabei stehen, SegWit zu kritisieren. Er verspricht Taten! Er kündigt an, einen Mining-Pool aufzubauen, der keine SegWit-Transaktionen bestätigt. Wer SegWit benutzt, wird dann langsamer sein. Er habe, verspricht er, 20 Prozent der Hashrate.

Außerdem kündigt er an, mit nChain ein Bitcoin-Framework zu bilden. In diesem gibt es kein Blocksize-Limit mehr, aber einen Mechanismus zur Flood-Control (Spam-Kontrolle) durch die Gebühren. Außerdem soll es ein Framework für geteilte Adressen geben sowie für Payment-Streams. Damit meint er wohl ein Payment-Protokoll, mit dem die Händler, die Geld unbestätigt empfangen wollen, die Transaktion anstelle der Kunden einspielen. Oder so.

Und jetzt? Satoshi? Nicht-Satoshi?

Eines war der turbulente Vortrag von Craig Wright auf jeden Fall: Er war exzellente Unterhaltung, maßgeschneidert für jeden, der sich im Blocksize-Streit verstrickt hat. Großes Kino. Unheimlich viel drin, sehr kompromiert, aber immer zugespitzt und überraschend gedreht.

Am Grund, bei den Details, dem Code, dem faktischen Boden, wirkt Wright manchmal schwammig, wenn nicht direkt falsch. Experten sagen, er ein Trickster, jemand, der Leute um den Finger wickelt, die ein technisches Halbwissen haben, aber tatsächlich nicht viel von der Sache versteht, von der er redet.

Mir ist es eigentlich egal. Ich finde, als Autor, beide Varianten der Story faszinierend, Wright als Satoshi und Wright als Hochstapler. Der Mann leistet, so oder so, etwas Außergewöhnliches, und dürfte es, so oder so, verdienen, ein Genie genannt zu werden. Vor allem aber kann vieles von dem, was er sagt, auch für sich stehen.

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