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Bitcoin verbraucht mehr Strom als 159 Länder – wirklich?

Die Innere Mongolei. In dieser chinesischen Provinz befindet sich irgendwo die größte Bitcoin-Mine der Welt. Bild von Neil Young via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Eine Webseite schätzt den Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks – und prompt heißt es, Bitcoin verbrenne mehr Strom als 159 Länder dieser Welt. Was ist dran?

Die Schlagzeile ist natürlich ein Selbstläufer: Bitcoin „frisst“ mehr Strom als 159 Länder. Mit fast 30 Terawatt ist der Energiebedarf der dezentralen Währung etwa so hoch wie der der Slowakei und nur noch ein Stückchen tiefer als von Dänemark. Das ist natürlich nicht ganz optimal und macht Bitcoin zum Klimakiller Nummer eins unter den Zahlungssystemen.

Was ist dran an diesen Meldungen? Sie berufen sich auf eine „Studie“ des britischen Strom-Vergleichsportals Power Compare. Dieses hat jedoch lediglich eine Schätzung des Crypto-Nachrichtenportals Digiconomist übernommen und durch Infografiken illustriert. Digiconomist führt einen „Bitcoin Energy Consumption Index„, der den Hunger von Bitcoin nach Strom in einem Chart wiedergibt. Derzeit steht der Index bei rund 30 Terawatt, was ungefähr so viel ist, wie der Staat Oman verbraucht und Bitcoin im Stromverbrauchs-Ranking der Staaten auf Rang 65 setzen würde.

Einen kritischen Blick auf die Methodik des Digiconomisten findet man leider in keinem Artikel. Wie kommt das Portal also auf diesen Wert?

„Auch wenn man leicht die absolute Hashrate des Netzwerks kalkulieren kann, ist es unmöglich, zu sagen, was dies für den Energieverbrauch bedeutet,“ erklärt Digiconomist. Das Problem ist, dass verschiedene Mining-Maschinen einen verschieden hohen Stromverbrauch haben. Um den gesamten Stromkonsum von Bitcoin zu bestimmen, hat man daher in der Vergangenheit geschätzt, welche Maschinen in welchem Verhältnis im Netzwerk verteilt sind. Aufgrund eines Berichts über die größte Bitcoin-Mine der Welt, die von Bitmain in der Inneren Mongolei aufgestellt wurde, kommt Digiconomist aber zu dem Schluss, dass solche Schätzungen wichtige Faktoren vernachlässigen, wie etwa die Kühlung, weshalb die bisherigen Ergebnisse ungenau waren.

„Der Bitcoin Energy Consumption Index schlägt daher vor, das Problem auf den Kopf zu stellen, und den Energieverbrauch aus ökonomischer Sicht zu ermitteln.“ Und zwar nimmt Digiconomist an, dass es eine Beziehung zwischen Einkommen und Kosten der Miner gibt. „Da Stromkosten ein wesentlicher Teil der Ausgaben der Miner sind, ist es logisch, dass der absolute Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks in Beziehung zu den Einnahmen der Miner steht.“ Der Index nimmt also die Einnahmen der Miner zum aktuelle Marktpreis, schätzt, wie viel sie davon für Strom ausgeben (60 Prozent) und wie viel sie für den Strom bezahlen (5 cent), und ermittelt so, wie viel Strom Bitcoin verbrauchen dürfte.

Die Rechnung geht irgendwie so: Man nimmt die Belohnung je Block (12,5 Bitcoin + Gebühren), multipliziert sie mal 144 (so viele Blöcke werden am Tag etwa gefunden), und das wieder mit dem aktuellen Marktpreis (9.500 Dollar). Das rechnet man dann auf ein Jahr hoch, um zu erfahren, was die Miner im Jahr verdienen, nimmt davon 60 Prozent, was die jährlichen Stromausgaben sein können, und verrechnet das mit einem Strompreis von 5 cent je Kilowattstunden.

Das Ergebnis ist bekannt: 30 Terawatt-Stunden im Jahr, oder soviel wie Oman oder die Slowakei. Dieser Wert dürfte, ganz grob geschätzt, nicht unplausibel sein. Aber es gibt einige Gründe, ihn zumindest zu relativieren.

Ein interessantes Fallbeispiel ist die vom Digiconomist selbst beschriebene Mine von Bitmain in der Inneren Mongolei. Sie besteht aus 21.000 Minern, die in acht Gebäuden untergebracht sind. Anfang August, als die Mine von mehreren Medienvertretern besucht wurde, hat sie angeblich knapp 4 Prozent der gesamten Bitcoin-Hashrate erwirtschaftet und 40 Megawatt je Stunde verbraucht. Wenn man das hochrechnet, hatte das Netzwerk zu diesem Zeitpunkt einen Gesamtverbauch von 1.000 Megawatt je Stunde, was einen Jahresverbrauch von etwa 8,7 Terawatt ergeben würde. Dem Index zufolge hätte sich also der Stromverbrauch seit Anfang August mehr als verdreifacht (während sich die Hashrate selbst nicht mal ganz verdoppelt hat).

Der Bitcoin Energy Consumption Index ist nicht in der Lage, Konsistenz zu seinem eigenen Fallbeispiel zu wahren. Dies zeigt, dass man die Ergebnisse mit Vorsicht genießen muss. Ebenso gut wie 30 Terahash könnte das Netzwerk einen Verbrauch von 10 Terawatt haben – aber auch von 40 Terawatt. Eines ist aber klar – wir haben eine Größenordnung. Im günstigsten Fall verbraucht Bitcoin „nur“ soviel Energie wie ein Land wie Uruguay (Rang 90), im schlimmsten kommt die Kryptowährung auf Stromkosten vom Format eines Staates wie Neuseeland (Rang 55).

Das klingt dramatisch, und ist es auch zu einem gewissen Grad. Allerdings relativiert sich dies, wenn man sich klarmacht, dass es vermutlich eher die großen Industrienationen sein werden, die überschüssige Energie ins Mining investieren. Man könnte etwa sagen, dass China nur 0,5 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs ins Mining stecken muss, um das komplette Bitcoin-Netzwerk mit Strom zu versorgen, oder 0,7 Prozent des US-Verbrauchs.

Darüber hinaus regt die Statistik des Digiconomist zu einem viel interessanteren Gedankengang an als die reine Empörung: Wenn die durchschnittlichen Stromkosten des Bitcoin-Minings etwa 5 cent betragen, und wenn die Miner 30 Terawatt im Jahr verheizen – dann bedeutet dass, das es auf der Welt 30 Terawatt überschüssigen Strom gibt, der es nicht schafft, mehr als 5 cent je Kilowattstunde zu erwirtschaften. Die Hashrate von Bitcoin wird, so gesehen, zu einem Indikator dafür, wie lukrativ Strom ansonsten verwendet wird.

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