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Warum der hohe Stromverbrauch von Bitcoin vermutlich kein Problem für die Umwelt ist

PRO ThinkGeoEnergy Kalina Geothermal Power Plant, Húsavík, Iceland. Bild von ThinkGeoEnergy via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Ja, Bitcoin verbraucht sehr viel Strom. Aber dies bedeutet nicht, dass die Kryptowährung das Klima kaputtmacht. Denn der ökologische Fußabdruck von Bitcoin dürfte sehr viel kleiner sein, als man auf den ersten Blick denkt.

Vor kurzem hat der Ökonom Alex de Vries ein Paper über „Bitcoins wachsendes Energieproblem“ in der wissenschaftlichen Zeitschrift Joule veröffentlicht. Vries, der bei der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers arbeitet, beschäftigt sich schon länger mit dem Stromverbrauch von Bitcoin. Auf seiner Webseite Digiconomist stellt er diesen mit dem Bitcoin-Stromindex dar.

Laut Vries Paper verbrauchen die Bitcoin-Miner derzeit mindestens 2,55 Gigawatt, aber wahrscheinlich eher etwa 7,67 Gigawatt. Damit könnte Bitcoin fast so viel Strom verbrauchen wie Österreich (8,2 Gigawatt). Dieser Wert ist natürlich ein Skandal, der ein Echo in den deutschen Medien findet. So haben etwa T3N, die Zeit oder die  Süddeutschen Zeitung über das Paper berichtet. Spiegel Online bringt ein Interview mit de Vries, in dem dieser sogar fordert, „ein internationales Übereinkommen, am besten unter Führung der Uno“ zu schaffen, um dem Energieverbrauch des Minings Herr zu werden.

Ist es wirklich so schlimm mit dem Mining? Wie zuverlässig sind die Werte von de Vries? Droht Bitcoin die Erfolge der Energiewende zunichte zu machen, wie der Spiegel schon Ende 2017 fragte? Oder ist die Wirklichkeit doch mal wieder etwas komplizierter?

Wir werden im folgenden versuchen, ein wenig Klarheit in diese Fragen zu bringen.

Egal wie man es rechnet – es ist viel

Beginnen wir damit, wie man den Stromverbrauch von Bitcoin misst. Der allergrößte Teil des Stromverbrauchs geht auf die Miner zurück, die darum konkurrieren, einen neuen Block an die Blockchain anzuhängen. Wie viel sie verbrauchen, ist schwer herauszufinden.

Wir wissen zwar, wie hoch die Hashrate von Bitcoin ist – etwa 35 Millionen Terahash, was bedeutet, dass alle Miner zusammen etwa 35 Trillionen Hashoperationen je Sekunde durchführen. Doch wir wissen nicht, mit welchen Geräten sie erzeugt werden. Sind es die modernen, energieeffizienten Antminer S9? Welchen Anteil machen Miner der älteren Generation aus? Sind gar noch Grafikkarten angeschlossen? Der Stromverbrauch hängt in extremer Weise davon ab, welche Geräte benutzt werden. Und dies wissen wir nicht.

Wenn man bei der Hashrate anfängt, kann man allenfalls einen Mindestwert ausrechnen: Man nimmt einen aktuellen Miner – den Antminer S9 – und tut so, als bestünde das gesamte Mining-Netzwerk ausschließlich aus ihm. Ein S9 erzeugt 13 Terahash mit einer Leistungsaufnahme von 1300 Watt. Damit bräuchte man rund 2,7 Millionen Antminer S9, um die Hashrate von Bitcoin aufzubringen, womit wir einen Stromverbrauch von 3,5 Gigawatt hätten. Dies wäre, wie gesagt, eine Untergrenze, die man mit einem beliebigen Schätzwert multiplizieren kann (x1,5; x2; …).

De Vries beginnt seine Schätzung dagegen am anderen Ende: Bei den Einnahmen. Er geht davon aus, dass die Miner Hashpower produzieren werden, bis sie nur noch einen marginalen Gewinn machen. Dann schätzt er, wie viel Geld sie ins Mining investieren, welcher Teil davon in Strom fließt und welche Preise die Miner bezahlen. Dabei geht er von einem Stromanteil von 60 Prozent und einem Strompreis von 5 US-Cent je Kilowattstunde aus.

Mit diesen Werten kommt de Vries zum Ergebnis, dass Bitcoin mindestens 2,55, aber vermutlich eher 7,67 Gigawatt verbraucht. Der Bitcoin Energy Consumption Index auf seiner Webseite übersetzt diesen Wert (7,67 Gigawatt) in einen jährlichen Verbrauch von 69 Terawattstunden. Das ist etwa so viel, wie sechs bis acht ordentliche Atomkraftwerke produzieren und mehr als das Land Tschechien verbraucht.

Natürlich kann man de Vries‘ Methode anzweifeln. Doch wie wir gesehen haben, landet selbst eine optimistische Minimal-Schätzung aufgrund des Stromverbrauchs der Antminer S9 bei 3,5 Gigawatt. Dies macht es relativ wahrscheinlich, dass de Vries‘ Werte relativ richtig liegt. Was hingegen oft radikal falsch ist, ist die Interpretation dieses Ergebnisses.

Günstiger Strom ist meistens grüner Strom

Auf den ersten Blick hört sich das gar nicht gut an. Wir ersetzen Glühbirnen mit LED-Leuchten, bauen Kühlschränke und Waschmaschinen, die immer weniger Strom verbrauchen, und stellen tausende von Windrädern auf – und dann kommt Bitcoin, und verbraucht auf einmal 69 Terawattstunden im Jahr. Macht die Kryptowährung damit alles kaputt? War die Energiewende und all das Stromsparen umsonst?

Solche Fragen liegen nahe, sind aber falsch, da sie Dinge vergleichen, die man nicht vergleichen kann. Denn es gibt keine direkte Beziehung zwischen der Menge an produziertem Strom und dem ökologischen Fußabdruck.

Ein einfacher Vergleich: Wenn jemand in der Nähe von Kohlekraftwerken wohnt, etwa im Rheinland, wird er mit jeder verbrauchten Kilowattstunde die Umwelt belasten. Wenn er eine Stunde am Tag mit einer LED-Lampe leuchtet, richtet er mehr Umweltschäden an, als wenn jemand erneuerbare Energien verschwendet, etwa wenn die isländische Hauptstadt Reykjavik ihre Gehsteige im Winter mit Energie aus der Geothermie beheizt. Es kommt nicht auf das wieviel an, sondern auf das woher. Es ist besser, Strom aus erneuerbaren Quellen zu vergeuden, als Strom aus Kohlekraft zu sparen.

Natürlich wissen wir bei Bitcoin nicht, wo die Miner sitzen und welchen Strom sie verbrauchen. Das einzige, was wir wissen, ist, dass die Miner dorthin gehen, wo der Strom günstig ist. Während andere Industrien stärker an den Standort gebunden und von einem Mix aus Kostenfaktoren abhängig sind, sind Miner hochmobil und verstehen die Stromkosten als mit Abstand wichtigsten Wettbewerbsfaktor. Es dürfte keine Branche geben, die in so starkem Ausmaß von niedrigen Strompreisen angezogen wird.

Länder mit schlagend geringen Stromkosten sind laut Statista etwa Schweden, Finnland und Kanada. Diese drei Ländern haben gemein, dass sie einen relativ hohen Anteil von erneuerbaren Energien aufweisen, vorrangig Wasserkraft. In Kanada, so eine Studie des Fraunhofer-Instituts, sind die Strompreise in der Provinz Quebec am tiefsten. Quebec hat einen der weltweit höchsten Anteile an Strom aus Wasserkraft – und gilt als Paradies der Miner.

Ähnlich ist es in Schweden, Norwegen, Finnland, den USA und, vor allem, Island: Strom ist dort am günstigsten, wo er am einfachsten und mit einem Überschuss erzeugt werden kann. Dies bedeutet in der Regel nicht, ein Kohle- oder Atomkraftwerk aufzubauen – die beide meist nur mit Subventionen der Regierung konkurrenzfähig sind, wenn man die Folgekosten hinzurechnet – sondern die natürlichen Voraussetzungen zu nutzen, um Energie abzugreifen. Dies gilt selbst für Deutschland, wo die Windkraft mittlerweile die günstigste Methode ist, um neue Stromkapazitäten zu schaffen. International sind natürlich Wasserkraft und Geothermie noch sehr viel günstiger, weshalb anzunehmen ist, dass ein Großteil der Hashrate von Bitcoin durch diese umweltfreundlichen Energiearten entsteht.

Man könnte an dieser Stelle eine nicht ganz abwegige Vermutung äußern: dass der biologische Fußabdruck von Bitcoin, trotz des riesigen Energieverbrauchs, besser ausfällt als der eines rheinischen Industriegebiets. Denn der deutsche Strom ist oft nicht nur teuer, sondern auch schmutzig.

Günstige Kohlekraft als Resultat der falschen Politik

Wir bleiben bei diesem Argument, lassen es aber in eine etwa andere Richtung abstreifen.

Die Bitcoin-Miner siedeln sich unvermeidbar an den Standorten an, an denen Strom günstig ist. Jede Art von Strom, die zu Preisen unter 5 oder 6 Dollar-Cent verkauft wird, kommt für Miner in Frage. In den meisten Fällen kommt ein solcher Strom aus Wasserkraft oder Geothermie, da man diese Energie auf relativ einfache und günstige Weise erzeugen und skalieren kann, wenn die natürlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In vielen nördlichen Ländern bzw. Provinzen gibt es einen Überschuss an sauberer Energie, der von den Minern abgesahnt wird. Der ökologische Fußabdruck solcher Mining-Farmen liegt bei Null. Eine LED-Leuchte in einem süddeutschen Haushalt verursacht mehr Schaden.

Das Braunkohlekraftwerk bei Weisweiler: So schön kann Umweltverschmutzung sein. Bild von Lars Döbler via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Wenn sich Mining lohnt, bedeutet dies, dass in einer Region ein Überangebot an Strom besteht: dass ein Erzeuger willens und in der Lage ist, mehr Strom zu produzieren, als die Bürger und Unternehmen verbrauchen. Es bedeutet, dass eine Region entweder extrem viel Strom produziert, aber keine Gewerbe hat, die diesen konsumieren – wie etwa in Island oder Quebec in Kanada – , oder dass die Industrie in dieser Gegend brachliegt, etwa im sogenannten Rust Belt im Nordosten der USA, aber die energietechnische Infrastruktur noch nicht ausreichend zurückgebaut wurde.

In den meisten Fällen findet die Verschwendung statt, bevor sich die Miner niederlassen. Sollte es irgendwo tatsächlich ein Atomkraftwerk oder Kohlekraftwerk geben, das läuft, ohne dass ein Bedarf vorliegt, der die Strompreise auf ein für Mining prohibitives Level treibt, dürfte dies an sich ein ökologischer Skandal sein. Wenn eine Regierung heutzutage nicht-erneuerbare Energieerzeuger in einem Umfang ausbaut oder erhält, für den der Markt keinen Bedarf hat, dann setzt sie gravierende ökonomisch-ökologische Fehlanreize. Diese werden von Minern ausgenutzt, aber meist auch relativ rasch korrigiert.

So hat etwa Venezuela die Stromerzeugung so weit subventioniert, dass das Land mit die günstigsten Tarife der Welt hatte. Dies zog scharenweise Miner an, die teilweise mit alten – also extrem ineffizienten – Geräten Bitcoins profitabel erzeugt haben. In der Folge wurde der Strom immer öfter lokal knapp, und als eine Mining-Farm einmal sogar einen Blackout in einem ganzen Stadtviertel verursachte, griff die Regierung ein und ließ die Farm schließen.

Ähnlich in China, wo die Miner sich überall dorthin ausgebreitet hatten, wo die Planwirtschaft der Regierung üppig Strom für neue Industriestandorte bereitstellte. Teilweise sahnten die Miner die Früchte von Planungsfehlern ab, etwa wenn sie in Geisterstädten mit großen Kraftwerken ihre Asic-Farmen aufstellten, teilweise zogen sie jedoch auch Strom ab, der von anderen Industrien benötigt wird. Sobald die Miner mit dem Stromhunger der „echten“ Industrie in Konflikt kommen, greift auch hier die Regierung ein. Die Folge ist, dass mehr und mehr chinesische Miner ihre Maschinen an Orte bringen, an denen der Strom aus erneuerbaren Quellen günstig und in großen Mengen überschüssig ist.

Unter normalen Umständen korrigieren sich Fehlanreize also meist von selbst. Manchmal kommt es aber wohl dennoch vor, dass eine Region oder Regierung Überkapazitäten aus Kohle- oder Atomkraft schafft oder erhält. In diesem Fall verhindern die Miner im allerschlimmsten Fall, dass eine solche Überkapazität mangels Nachfrage wieder zurückgebaut wird.

Ein solcher Missstand ist ziemlich einfach aus der Welt zu schaffen. Die Regierung muss nur das tun, was sich für eine zeitgemäße, ökologisch orientierte Energiepolitik eigentlich von selbst versteht: Dafür sorgen, dass Strom aus nicht-nachhaltiger Produktion teurer ist als erneuerbare Energien. Wenn dies der Standard wäre, könnte Bitcoin-Mining überhaupt nicht umweltschädlich sein.

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