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„Der Stromverbrauch stört mich nicht, der CO2-Ausstoß schon.“

Wird uns hoffentlich noch einige Jahrzehnte oder Jahrhunderte erhalten bleiben: Der Eisbär wird vom Klimawandel akut bedroht. Bild von Christopher Michel via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Gerade hört man viel von den schädlichen Auswirkungen von Bitcoin aufs Klima. Wir haben darüber mit Stefan Richter geredet, der mit netpositive.money in der Bitcoin-Szene dafür trommelt, sich konstruktiv mit dem Problem zu beschäftigen – ohne Übertreibungen und ohne Verharmlosungen, aber mit Sachverstand und Wissenschaft.

Gerade hört man ja oft, Bitcoin verbrauche so viel Strom und sei daher klimaschädlich. Da du dich mit dem Thema auf netpositive.money schon lange beschäftigst – hast du eine Idee, weshalb das gerade jetzt so sehr hochkocht, dass sogar tagesschau.de darüber schreibt?

Bitcoin ist mal wieder in einem Bullenmarkt und erfährt daher sehr viel mediale Aufmerksamkeit. Der Umweltaspekt ist, finde ich, tatsächlich sehr spannend, deshalb kann ich schon verstehen, daß das öffentlich diskutiert wird. Leider bleibt die Diskussion oft sehr an der Oberfläche, wird dafür aber umso hitziger geführt.

Man sollte sich die Aussage genauer anschauen. Das Bitcoin-Mining verbraucht tatsächlich sehr viel Strom. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Ob das automatisch bedeutet, daß es klimaschädlich ist, ist aber nicht so einfach zu sagen.

Elektroautos etwa verbrauchen ja auch sehr viel Strom – und es wird ständig mehr! – aber gelten seltsamerweise als günstig fürs Klima. Heizen dagegen wird meistens mit fossilen Brennstoffen erledigt, aber kaum jemand klagt darüber, daß es klimaschädlich sei.

Richtig ist, daß durch das Mining von Bitcoin tatsächlich eine Menge CO2 ausgestoßen wird. Wie aber eben durch fast alle anderen Dinge auch. Spannender sind für mich andere Fragen: Ist es das wert? Wie entwickeln sich die Emissionen? Wird Bitcoin langfristig positive Effekte aufs Klima ausüben? Können wir etwas tun, um Bitcoin besser fürs Klima zu machen?

Lass‘ uns mal bei den Basics beginnen: Bei der Berechnung von Bitcoins Stromverbrauch. Es gibt mehrere Methoden dafür, und die landen dann bei Mengen zwischen 75 und 125 Terawattstunden kommen. Welche der Methoden ist für dich am plausibelsten?

Das ist zum Glück ein Bereich, der schon gut und auch unabhängig erforscht wurde. Die beiden grundlegenden Ansätze sind seit mindestens 10 Jahren unverändert: Entweder man schaut sich die Hashrate an und schätzt dann, wie sie erzeugt wurde (bottom-up), oder man schaut sich den Preis an und schätzt, wie viel Strom die Miner verbrauchen könnten, um noch rentabel zu arbeiten (top-down).

Die bottom-up-Methode ist meines Erachtens näher an der Wahrheit, weil die Miner gar nicht so schnell reagieren können, wie der Preis sich ändert. Insbesondere in Bullenmärkten kann gar nicht so viel Hardware produziert werden, wie sich theoretisch lohnen würde. Aber natürlich führt so etwas dann dazu, daß auch alte, vorher unprofitable Hardware wieder genutzt wird. Und das wird eben mit der bottom-up-Methode nicht berücksichtigt.

Die Wahrheit liegt also irgendwo dazwischen, und moderne Ansätze wie der von Cambridge Center for Alternative Finance bilden tatsächlich einen irgendwie gewichteten Mittelwert aus beiden. Ich denke, daß wir schon eine relativ genaue Vorstellung davon haben, wie viel Strom verbraucht wird.

Das Cambrige Center kommt auf etwa 127 Terawattstunden. Ist diese Menge an Strom für dich ein Problem?

Der Stromverbrauch nicht, der CO2-Ausstoß schon.

Den versucht ihr auf eurer Webseite darzustellen. Wie kann man das messen, und in welcher Größenordnung bewegen wir uns da?

Wir beziehen uns da im Wesentlichen auf zwei wissenschaftliche Veröffentlichungen, die man auch auf unserer Quellenseite findet: The Carbon Footprint of Bitcoin von Christian Stoll, Lena Klaaßen, und Ulrich Gallersdörfer in Joule, und Life Cycle Assessment of Bitcoin Mining vom Susanne Köhler and Massimo Pizzol in Environ. Sci. Technol.

Die bilden meiner Meinung nach gut den aktuellen wissenschaftlichen Stand ab und gehen beide ähnlich vor: Sie gehen von einer Schätzung des Stromverbrauchs aus und fragen dann, wie dieser Strom erzeugt wurde. Dazu versuchen sie mit verschiedenen Methoden zu schätzen, wie die Miner auf der Welt verteilt sind – was nicht einfach ist, weil viele Miner eher öffentlichkeitsscheu sind. Dann teilen sie die Welt in Regionen, suchen sich Statistiken, wie viel CO2 die Stromerzeugung je Region im Schnitt erzeugt, und mitteln gemäß dieser geschätzten Minerverteilung. Dabei kommt ein Faktor raus, den man einfach mit dem Stromverbrauch multiplizieren kann, und so den CO2-Ausstoß schätzen.

Wir haben uns z.B. für die Stromschätzungen aus Cambridge und den Faktor von Stoll et al. entschieden, und dabei kommen zur Zeit etwa 95 Megatonnen CO2 seit 2015 raus. Andere Schätzungen sind in etwa in der gleichen Größenordnung. Ich denke aber, daß alle diese Schätzungen eher zu hoch liegen, weil Miner eben nicht den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro kWh in ihrer Region haben dürften, sondern immer den günstigsten Strom suchen.

Deutschland verbrauchte 2019 810 Megatonnen CO2, und die ganze Welt mehr als 36.000. Dagegen sind 95 Megatonnen recht wenig. Haben Bitcoiner recht, wenn sie die Kritik am hohen Energieverbrauch damit abwatschen, dass die Miner schon jetzt meist erneuerbare Energien benutzen?

Mein Eindruck ist auch, daß sie das überwiegend tun, und ich finde es auch inakzeptabel, z.B. Kohle fürs Mining zu verbrennen. Oder fürs Autofahren. Es ist aber auch klar, daß erstens noch nicht 100% des Minings mit erneuerbaren Energien passiert, und zweitens auch solche Energien Klima- und Umweltfolgen haben. Also reicht mir das nicht, um das Thema zu beenden.

Wird sich das Problem mit dem Auslaufen der Coinbase-Belohnung nicht von selbst lösen?

Das ist eine interessante Frage. Die Halbierungen könnten irgendwann dazu führen, daß die Miningkosten (und damit vermutlich der Stromverbrauch, und damit vermutlich der CO2-Ausstoß) sinken. Das würde dann passieren, wenn der Preis von Bitcoin sich in vier Jahren nicht mehr als verdoppelt. Aber dann gibt es immer noch die Transaktionsgebühren. Die sind im Moment bei ca. 15% des block rewards, und es ist für die Sicherheit auch wichtig, daß sie nicht weniger werden.

Es hängt viel von Adoption und Timing ab, aber es könnte sein, daß das bedeutet, daß wir irgendwann in den nächsten Jahren am Gipfel der Miningkosten sind. Aber wenn Bitcoin weiter funktionieren soll, werden diese Kosten immer substantiell sein.

Welche Optionen hat man sonst? Vor allem als Initiative von Bitcoinern in einem Land, das zwar eine hohe Sensibilität für die Problematik hat, aber wegen der hohen Strompreise gar keine Miner.

Es gibt ein paar spannende Ansätze, selbst in Deutschland, Mining z.B. mit Heizen zu verbinden oder direkt an Wind-/Solaranlagen anzukoppeln (Du hattest darüber auch schon mal berichtet). Aber mir ist noch nicht klar, ob das wirtschaftlich Sinn ergibt.

Langfristig hoffen wir, daß Mining immer weniger mit schmutziger Energie passiert, und daß sich die vielen positiven Effekte, die Bitcoin auch auf das Klima haben könnte, bewahrheiten.

Aber die Klimakrise ist dringend, und wir wollen deshalb jetzt etwas tun. Unser Ansatz ist, dass viele Bitcoiner Geld mit Bitcoin verdient haben und weiter verdienen. Und wie viele andere Industrien auch sind wir der Meinung, dass man mit Geld Dinge bewegen kann, um dem Klima zu helfen. Ob das nun direkte Kompensation durch Moorrestauration ist oder politische Lobbyarbeit für Forschungsförderung zum Thema saubere Energie. Jeder kann selbst entscheiden, was er für hilfreich hält. Wir wollen mögliche Optionen aufzeigen, es möglichst einfach machen etwas zu tun, und messen, was wir als Gemeinschaft erreicht haben.

Könnte man nicht einfach den Konsens-Algorithmus auf Proof of Stake wechseln? Keine Miner, kein Energieproblem!

Nein. Proof of Stake ist so etwas wie das Perpetuum Mobile. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß es ähnliche Sicherheitseigenschaften garantieren kann wie Proof of Work, und selbst wenn es das täte, dann hätte es gravierende wirtschaftliche Nachteile. Es hilft nämlich z.B. überhaupt nicht dabei, das Geld zu verteilen, sondern die Reichen werden ohne Risiko immer reicher.

Im Gespräch war es mal, ein Public Shaming von CO2-Minern einzuführen. Meinst du, das wäre möglich?

Warum nicht? Public Shaming ist ein erster Schritt zu lokaler Regulierung, und ich fände es hilfreich, hier die schwarzen Schafe klar von denen zu trennen, die sich bemühen, nicht allen zu schaden.

Denkbar wäre meiner Meinung nach auch ein Sammeln von Transaktionen, um sie direkt an nachhaltige Miner weiterzugeben. Wäre das vorstellbar?

Das ist ein interessanter Gedanke. Ich fürchte aber, das würde im Prinzip zu einem riesigen Miningkartell führen, weil die Miner ja sozusagen registriert und geprüft sein müßten. Wenn das aber möglich wäre, bräuchten wir das ganze Mining nicht, dann könnten die Leute, die die Registrierung machen, auch gleich die Blöcke signieren. Überhaupt kein CO2-Problem, aber auch überhaupt keine Dezentralisierung, Zensurfreiheit usw. …

Es wäre vielleicht etwas anders, wenn jeder selbst seine Transaktionen seinem persönlichen Lieblingsminer gibt. Aber ich sehe nicht wirklich, wie das praktisch funktionieren könnte. Aber denk ruhig weiter darüber nach!

Immer wieder hört man auch, ein deflationäres Geld wie Bitcoin wäre am Ende gut fürs Klima. Findest du das auch? Und wenn ja – warum?

Ich glaube, Bitcoin könnte viele positive Folgen auch für die Umwelt haben. Die Idee, deflationäres Geld könnte zu weniger Wachstum um seiner selbst Willen führen, finde ich nicht völlig absurd. Wenn das Geld von alleine mehr wert wird, muß man nicht es nicht ständig in potentiell klimaschädliche Investitionen stecken. Und hat vielleicht auch weniger Lust, so viel zu konsumieren.

Noch naheliegender finde ich, daß Bitcoinminer etwa als virtuelle Kraftwerke ein ständiger Abnehmer für überprovisionierte erneuerbare Energieerzeugung darstellen. Oder zum Heizen mit Strom statt mit Öl benutzt werden könnten. Es gibt viele solche potentiell positiven Effekte. Sie haben aber leider alle gemeinsam, daß sie im Moment mehr Hoffnungen und Träume darstellen als Realitäten mit belegbar positiver Gesamtwirkung. Ebenso ermüdend wie den FUD der nocoiner finde ich daher die selbstverständliche Überzeugung vieler Bitcoiner, daß Bitcoin ja eh super fürs Klima ist.

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