Ist Bitcoin-Mining das bessere EEG für deutsche Windkraftanlagen?

Viele Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien werden nach dem Ablauf der EEG-Prämie unrentabel. Das Mining von Bitcoin kann helfen, die Anlagen weiterhin wirtschaftlich zu betreiben. Dies demonstriert ein wissenschaftliches Paper für Windkraftanlagen in Thüringen.
Generell heißt es pauschal, Mining sei in Deutschland nicht rentabel. Mit Strompreisen von 30 Cent je Kilowattstunde ist man so weit entfernt von profitablen Standorten wie China, Russland, Island oder dem Iran, dass es sich gar nicht lohnt, auch nur darüber nachzudenken.
Oder doch? Gibt es Szenarien, in denen sich das Mining in Deutschland trotz allem lohnt? Der Wissenschaftler Ralf Hartig vom Institut für Energiemanagement an der Hochschule Mittweida hat sich mit dieser Frage beschäftigt und tatsächlich einen Fall entdeckt, bei dem Bitcoin-Mining hochprofitabel ist.
Das Szenarie ist eine Windenergielage, die im Jahr 2000 gebaut wurde, ab 2020 aus der EEG-Förderung herausfiel und damit unprofitabel wurde. Könnte das Mining von Bitcoins diese Anlage wieder profitabel machen?
Ralf Hartig hat dafür eine konkrete Anlage betrachtet. Diese befindet sich nahe der Thüringischen Stadt Apolda und besteht aus zwei Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 500 kW sowie einer mit 1.800 kW. Bei voller Auslastung erzeugen die drei Anlagen also 2,8 MW, im Mittel waren es 2019 jedoch lediglich 535,92 kW. Für die insgesamt ins Netz eingespeisten 4,7 Gigawattstunden erhielt der Betreiber eine Vergütung von 9,5 Cent bis 10,1 Cent je Kilowattstunde und nahm insgesamt 465.000 Euro ein.
Da die Marktprämie aber 2021 nicht mehr bezahlt wird, würde es unmöglich werden, die Anlage wirtschaftlich zu betreiben, da die Betriebs- und Wartungskosten die Einnahmen übersteigen. Also ist der Betreiber gezwungen, sich nach einer alternativen Finanzierung umzusehen. Er könnte den Strom etwa direkt an Endkunden verkaufen, oder er könnte ihn unmittelbar und gewinnbringend selbst nutzen. Denkbar wären etwa die Produktion von Wasserstoff oder die Bereitstellung von Rechenleistung – womit wir beim Bitcoin-Mining wären, dessen Profitabilität das Paper untersucht. Und heraus kommt dabei Erstaunliches.
Hartig geht davon aus, dass der Betreiber den Antminer S19 Pro benutzt. Dieser ist das energieeffizienteste Modell des Marktführers für Mining-Hardware und produziert 110 Terahash je Sekunde bei einer Anschlussleistung von 3,25 Kilowatt. Mit einer Gesamtleistung von 2800 Kilowatt könnte die Windkraftanlage 861 Miner betreiben. Da Windkraftanlagen ihre Gesamtleistung allerdings nur während meterologischer Extremsituationen ausschöpfen und im Normalzustand sehr viel weniger Strom produzieren, könnte man im Mittel eher 100 bis 200 Miner betreiben.
Dennoch hätte das ausgereicht, um Anfang 2019 bis zu 0,21 Prozent der globalen Hashrate zu stellen. Dieser Anteil wäre aber im Lauf des Jahres geschrumpft. Dennoch wäre die Anlage in der Lage gewesen, die stolze Anzahl von 209 Bitcoins zu erzeugen. Hätte der Betreiber diese Coins am Abend eines jeden Tages verkauft, hätte er im Jahr 1,055 Millionen Euro eingenommen. Er hätte seine Einnahmen nicht nur erhalten, sondern mehr als verdoppelt!
Natürlich ist diese Rechnung bisher sehr modellhaft. Es fehlen noch die Anschaffungskosten der Geräte, die Anschaffungskosten von Lüftern, etwa in Containern, sowie die Wartung und eventuell auch Reparatur der Miner. Auch die Gebühren für Pools und Börsen wurden noch nicht eingerechnet. Doch selbst im ungünstigsten Fall dürften diese Kosten nicht die Hälfte der Erträge ausmachen.
Neben diesen Kosten konstatiert das Paper auch noch Risiken. So steigt die Hashrate des Netzwerks fortlaufend. Wenn der Preis von Bitcoin mit diesem Wachstum nicht Schritt hält, sinkt die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Nicht geklärt sind zudem alle rechtlichen Herausforderungen, die das Mining mit sich bringen kann.
Dennoch konstatiert Hartig, dass das Mining von Bitcoins “ein interessantes und außergewöhnliches Geschäftsmodell” sei, das zumindest für 2019 “mit nennenswerten wirtschaftlichen Erfolgen verbunden wäre.” Ein Unternehmer, der den Markt verstehe, könne dort auch in Zukunft “beträchtliche Einnahmen” erzielen.
Abgesehen davon fragt man sich aber natürlich, was der Sinn der Übung im großen Ganzen ist: Die Regierung – bzw. der Stromverbraucher – fördert den Aufbau von Windkraftanlagen, die aber nach Ablauf der Forderung nur noch profitabel sind, wenn der Betreiber sie dem Stromverbraucher vorenthält und stattdessen Geräte importiert, die einen vorher nicht-existenten Bedarf erzeugen. Irgendetwas läuft schief, oder?
Hier läuft nicht nur bei diesem konkreten Beispiel etwas schief….
Naja, trotz fehlendem EEG ist der Strompreis in Deutschland aktuell so hoch, das das Mining in Deutschland im Vergleich zu Orten wie China (oder Island) eher unwirtschaftlich ist. Vielleicht reicht das schon als Anreiz für Anlagebetreiber, Strom weiter an Haushalte zu verkaufen und nur die Stromüberproduktion ins Mining zu stecken. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass die Anlage bei Stromüberangebot nicht gedrosselt werden muss. Dann bleiben zwar die Miner in Strommangelzeiten ungenutzt, aber insgesamt ist die Anlage wirtschaftlicher. Im Vergleich zu den Baukosten einer Windkraftanlage dürften die Anschaffungskosten für die Miner vernachlässigbar sein.
Das Bild ist nicht ganz so schief wie befürchtet …