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Cardano (ADA) erreicht Transaktionslimit – obwohl kaum etwas passiert

Bald, Bald, Bald ist es soweit, und Cardano macht alle Versprechen wahr. Oder? Bild von Maladex.com

Keine Skalierung, keine Smart Contracts, keine Dapps: Beim 70 Milliarden Dollar schweren „Ethereum-Killer“ Cardano (ADA) bleibt vieles erheblich unter dem, was versprochen wurde. Doch vollmundige Ankündigungen halten die Community bei Laune und den Preis hoch. Und irgendwie — kommt uns all das sehr bekannt vor.

Wer große Töne spuckt, muss sich an diesen messen lassen. Wenn ein Coin wie Cardano (ADA) beansprucht, besser als Bitcoin, Ethereum und jede andere Blockchain zu sein, dann steigt die Fallhöhe, von der aus er stürzt, schon sehr weit an. Wenn er zudem eine Marktkapitalisierung von 70 Milliarden Dollar erreicht hat, und damit mehr wert ist als Bayer, Adidas oder BASF, dann hat er verdammt noch mal auch etwas zu leisten, das all das rechtfertigt.

Doch nirgendwo im Krypto-Ökosystem spannt sich die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit so gewaltig weit auf. Wie gewaltig, zeigt eine Diskussion im Cardano-Github, die wie ein Schlaglicht nicht nur eine, sondern gleich mehrere technische Schwächen der Kryptowährung beleuchtet, die sich wie keine andere technische Kompetenz und wissenschaftliche Akribie auf die Fahnen schreibt.

In der Diskussion geht es darum, wie man Transaktionen priorisieren sollte. Denn Cardano stieß in jüngster Zeit an das Kapazitätslimit, und eine Erhöhung der Kapazität kommt nicht in Frage, da ansonsten die Skript-Ausführung zu lange dauern könnten. Also diskutieren die Entwickler, die Transaktionen durch einen Gebührenmarkt zu sortieren, anstatt sie wie bisher so abzuarbeiten, wie sie anfallen.

Einen Gebührenmarkt, wie er bei Bitcoin, Ethereum und jeder anderen halbwegs reifen Blockchains schon lange Standard ist.

Ein Tausendstel so viel wie versprochen?

Das ganze ist ziemlich heiß und peinlich. Und zwar aus mehreren Gründen. Erstens, weil Cardano unter anderem deswegen für sich in Anspruch nimmt, besser als Ethereum bzw. besser als alle anderen Blockchains zu sein, weil es so fabelhaft skaliert. „Ouroboros [der Konsens-Algorithmus, CB] erlaubt Cardano, mit minimalem Energiebedarf auf den global notwendigen Maßstab zu skalieren“, schreibt die Webseite cardano.org. Und laut Cardano-Gründer Charles Hoskinson tritt die Blockchain mit bis zu 1000 Transaktionen pro Sekunde Ethereum 2.0 „in den Arsch“.

Tja. Derzeit jedoch liegt das gegenwärtige Transaktionslimit, erfährt man in der Github-Diskussion bei – na, was meint ihr? Richtig: 0,2 bis 6,5 Transaktionen je Sekunde. Und offenbar kann man derzeit nichts machen, um dies zu ändern, wegen technischer Limits. Also, weil die technisch beste aller Blockchains bereits das ausgespielt hat, was sie kann.

Das ist zwar ein veritables Stückchen unterhalb von dem, was versprochen wurde, grob drei Größenordnungen. Aber, versichert Charles Hoskinon in einer kurzen Videobotschaft von seiner Afrika-Reise aus, alles sei wunderprächtig. Man könne Parameter ändern, wolle dies aber nicht tun, denn zuerst solle Cardano Smart-Contract-fähig werden, und dann skaliere man hoch, wenn das Transaktionsvolumen ansteigen werde. Alles laufe also genau nach Plan.

Aus der Github-Diskussion.

Womit wir bei zweitens wären: Cardano, der Ethereum-Killer Nummer 1 nach Marktkapitalisierung, skaliert also nicht nur schlechter als Ethereum, das rund 15 Transaktionen je Sekunde schafft – sondern er hat noch nicht mal das, was Ethereum so einzigartig macht und was per Definition die Mindesvoraussetzung für einen „Ethereum-Killer“ ist: Smart Contracts.

Aber gab es nicht ein Update im September, die Alonzo-Hard-Fork, das Smart Contracts eingeführt hat, und das laut Hoskinson eine neue Ära eingeführt hat, nicht nur für Cardano, sondern für Blockchain und die ganze Welt? War da nicht was?

Ja. So schreibt Hoskinsons Firma IOHK, Alonzo werde „die Implementierung von Smart Contracts auf Cardano erlauben“ und „zahlreiche DApps und Decentralized Finance (DeFi) Anwendungen ermöglichen.“

Aber irgendwie doch nicht. Ich bin nicht tief genug in der Materie drin, habe aber irgendwie gehört, dass Alonzo nur einen Teil der Smart Contracts eingeführt wurden, aber noch nicht das volle Programm. Es soll noch irgendwie ein Goguen-Upgrade kommen …

Die nach Marktkapitalisierung viertgrößte Kryptowährung ist also noch gar nicht fertig. Sie ist nicht nur noch nicht perfekt, sondern sie kann das, womit sie beworben wird, überhaupt nicht. Und das nach gut vier Jahren der Entwicklung!

Die Rache der UTXO

Aber immerhin hat Alonzo ein wenig Smart Contracts freigeschaltet – genug, um die angeblich überragende Technologie von Cardano zu entzaubern. Denn eine der Sachen, die Smart Contracts so stark machen, ist DeFi – die Welt der Dezentralen Finanzen. Um ernsthaft eine Konkurrenz für Ethereum sein zu wollen, muss eine Blockchain DeFi-fähig sein. Nun aber zeigt sich, dass der Entwicklung von DeFis auf Cardano das UTXO-System der Blockchain im Wege steht.

UTXO ist das auch von Bitcoin verwendete System: Einer Adresse werden Münzen zugeordnet. Diese Münzen können nur einmal ausgegeben werden, und man erhält den Rest als Wechselgeld zurück. Ein wenig wie das Bargeld ein Geldbeutel. Ein Account-System wie bei Ethereum hingegen verwendet eine Adresse als Account, von dem aus man Beträge versenden kann, analog zum Bankkonto.

Nun zeigt sich aber, dass ein UTXO-System zwar gut ist, um bei einer reinen Zahlungsblockchain wie Bitcoin den Usern Privatsphäre bei hoher Transparenz zu ermöglichen. Doch wenn man DeFi-Smart-Contracts baut – oder, genereller, mit Smart Contracts arbeiten will -, macht ein UTXO-System alles viel schlechter und umständlicher.  Denn jedes UTXO kann nur einmal verbraucht werden, bevor es durch einen Block bestätigt wird. Ein sehr einfach konstruierter Smart Contract kann daher nur eine Transaktion je Block verarbeiten, und die, die dasselbe, schon verbrauchte UTXO ansprechen, müssen Schlange stehen. Etwa das geschah bei einer der ersten DApps auf Cardano.

Natürlich kann man den Durchsatz von Smart Contracts dennoch erhöhen. Aber die Skalierung ist viel umständlicher und komplizierter.

Eine Wüste voll guter Neuigkeiten und ein toller DJ

Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die Cardano-Dapp-Landschaft eine rechte Wüste ist. Es ist ziemlich schwierig, aktive Apps und Projekte bei Cardano zu finden.

Wird „soon“ das DeFi-Zeitalter auf Cardano einläuten: Maladex.

Die offizielle Webseite, cardano.org, zeigt zwar viele Anwendungsideen, aber keine Anwender. Auch im Reddit-Sub von Cardano ist kaum etwas von echten Anwendungen zu lesen – es geht vor allem um Preise und neue Videos von Charles Hoskinson. Auf den üblichen Dapp-Rankings, etwa Dapp-Radar, DeFi-Rate, Dapp.com, Stateofthedapp und so weiter –  entdeckt man Token, DeFis und Dapp auf Ethereum, der Binance Smart Chain, EOS, Tron, Polygon, Avalanche, sogar auf exotischen, kleinen Chains wie ICON, Klaytn, Flow, Wax, Hive und anderen. Aber nirgendwo eine Spur des nach Marktkapitalisierung größten und stärksten Ethereum-Killers: von Cardano.

Dapp-Radar bloggt daher auch etwas spöttisch über Charles Hoskinsons Versprechen, es werde 1000 Dapps auf Cardano Mitte 2021 geben: „Natürlich weiß Hoskinson besser als wir, wie groß das Interesse von Dapp-Entwicklern an Cardano ist. Ein weiterer Einspruch ist, dass Dapps noch gar nicht auf Cardano live gehen können, solange es dort noch keine Smart-Contract-Funktionalität gibt, die erst mit dem Goguen-Upgrade freigeschalten wird. Wir sind nicht sicher, wann das soweit sein wird. Trotz allem gibt es eine Sache, mit der wir uns auf DappRadar auskennen – mit Dapps … Und wir meinen, dass seine Vorhersage von ‚Tausenden von Dapps‘ auf Cardana hochgradig unplausibel ist.“

Auch SundaeSwap wird „soon“ live gehen.

Immerhin entdeckt man auf Cardano-Crowd 62 DApps. Wenn man aber beispielsweise die DeFi- bzw. Exchange-Dapps abruft, findet man, dass sie zwar alle auf den ersten Blick Uniswap kopieren, auf den zweiten aber noch gar nicht benutzbar sind: Maladax, SundaeSwap, MineSwap, Liqwid Finance — alle versprechen, bald live zu gehen, keine ist bereits in Betrieb.

Das einzige, was bereits zu laufen scheint, sind NFTs, „Nicht-fungible Token“, also Sammelstücke, der Blockchain-Trend des Jahres. Cardano-Crowd zeigt einige Plattformen, die Ökosystem-Übersicht auf Github noch mal einige mehr. Es gibt zahlreiche Plattformen, um NFTs zu handeln, etwa Tokhun oder CNFT, und welche, um sie zu prägen. Dies wirkt aber wie eine Kopie von dem, was auf Ethereum läuft. Ich bin nicht tief genug drin, um zu erkennen, ob etwas wirklich innovatives passiert, aber soweit ich die Nachrichten rund um NFTs verfolge, hat bisher noch kein wirklich prominenter Künstler ein NFT auf Cardano veröffentlicht, und es brachen auch keine starken Trends aus, wie die CryptoPunks.

Dennoch bleibt die Laune bei Cardano gut, und die Cardano-Influencer und -Fans bleiben ihrer Blockchain treu. Schließlich gab es vor kurzem das Cardano-Summit, ein globaler Gipfel der Cardano-Szene, bei der sich Charles Hoskinson himself auch hinter die Turntables geklemmt hat.

Und natürlich bloggt seine Firma, IOHK, immer wieder über neue, superaufregende Projekte: Eine Partnerschaft mit Oasis Pro Market, dem KI-Entwickler Grace, einem Blockchain-Fond in Afrika, die Regierung Äthiopiens,  die Gründung einer UTXO-Alliance, bei der neben Cardano noch einige andere, weitgehend unbedeutende UTXO-Blockchains dabei sind, und und und …

Ein beliebtes Muster

Was einmal funktioniert, funktioniert im Blockchain-Raum immer wieder. Wenn Dogecoin funktioniert, funktioniert auch der Shiba-Inu-Coin. Wenn die einen ICO funktioniert, funktionieren auch hunderte andere. Wenn die CryptoPunks rocken, dann rocken auch die Pudgy Penguins.

Das grundsätzliche Konzept von Cardano kommt uns bekannt vor: Wir haben einen exzentrischen, narzistischen Gründer einer Blockchain, der brillant sein mag, aber nicht so genial, wie er und seine Anhänger meinen. Er tut so, als käme es bei Kryptowährungen allein auf die Technologie an, anstatt auf Marketing und Netzwerkeffekte, und verspricht, die technologisch aller-aller-beste Blockchain zu bilden, die, wenn sie einmal fertig ist, alle anderen Chains in den Sand stampfen wird.

Einen ironischen Purzelbaum später erreicht die Kryptowährung genau wegen dieser Behauptung jenen Netzwerkeffekt, den sie verleugnet, allerdings eher durch eine Abkürzung. Wo Bitcoin seit mehr als einem Jahrzehnt sich als Zahlungsmittel und Wertspeicher etabliert und Ethereum zum Hort immer neuer Blockchain-Innovationen wurde, erreicht unsere Kryptowährung ihre Netzwerkeffekte, indem sie behauptet, all das in Zukunft besser zu können. Sie schmarotzt quasi die Netzwerkeffekte der anderen, während sie diese öffentlich schlecht redet. Seitenhiebe gegen die Schwächen von Bitcoin und Ethereum sind Standard.

Die so hochgejazzte Technologie entpuppt sich derweil immer mehr als Rohrkrepierer, falls sie denn jemals fertig wird. Der Grund ist meistens der Zwang, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Die Technologie wird nicht nur missbraucht, um das Meme vom technischer allerbesten Coin zu fördern, sondern auch, um dem Narzismus ihres Gründers zu dienen. Alles muss anders und besser und origineller sein als bei den anderen. Es kommt zu exotischen Designentscheidungen, die auf esoterischer Ebene irgendwie vorteilhaft sind, aber praktisch alles verkomplizieren und faktisch auch verschlechtern, vom kryptographischen Algorithmus über die Programmiersprache der Smart Contracts zum Konsensfahren.

Dieses Konzept für eine Kryptowährung ist generell lebensfähiger, als es sein sollte. Cardano ist nicht der erste Coin, den dieses Konzept inspiriert hat, und wird nicht der letzte sein. Womöglich ist all dies ein notwendiger Nebeneffekt eines vitalen, aufblühenden Marktes, und die unerhört hohe Bewertung, die der Markt technologischen Experimenten gewährt, kann durchaus fruchtbar sein. Wenn aber eine Kryptowährung damit zur 70-Milliarden-Dollar-Blockchain wird, erbringt sie den vollendeten Beweis dafür, wie sehr der Krypto-Markt in einer Blase steckt.

Damit, immerhin, haben wir eine Sache, die Cardano richtig gut macht.

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