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Braucht Bitcoin hohe Gebühren, um zukunftsfest zu sein? Sind die BRC-20-Token kein Angriff – sondern die Rettung?

Champagner. Bild von Susanne Nilsson via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die explodierenden Gebühren für Bitcoin-Transaktionen sind eine Last für User – aber sie sind langfristig nötig, um die Sicherheit von Bitcoin zu gewährleisten. Wir docken an eine alte Debatte an und erklären, warum.

Derzeit verstopfen die BRC-20-Token die Bitcoin-Blockchain, und das führt uns direkt hinein in eine enorm spannende Diskussion über die Vergangenheit und Zukunft von Bitcoin: Braucht Bitcoin das, um zukunftsfähig zu sein? Müssen die Transaktionsgebühren so hoch sein? Sind die BRC-20-Token kein Angriff – sondern die Rettung?

Wir müssen ein Stück ausholen. Und zwar zu einer Mail von Bitcoin Core-Entwickler Gregory Maxwell von Dezember 2017. Maxwell, der führende Architekt der Skalierung von Bitcoin, bricht ob einer Explosion der Gebühren in Jubel aus:

„Ich persönlich öffne den Champagner, weil das Verhalten des Marktes ein Aktivitätslevel hervorbringt, das die Sicherheit ohne Inflation bezahlt und ein Backlog an Gebühren produziert, das wir brauchen, um den Konsens zu stabilisieren, während die Subvention zurückgeht.“

Maxwell war der führende Vertreter der Theorie des „Fee Markets“: Die Blocksize von Bitcoin müsse stark beschränkt bleiben, damit die User mit Gebühren um den knappen Platz auf der Blockchain konkurrieren. Nur so sei es möglich, dass die Miner noch ausreichend finanziert werden, wenn der Blockreward auslaufe.

Im Dezember 2017 schien der Markt Maxwell erstmals zu bestätigen. Während die Kurse von Bitcoin und anderen Kryptowährungen ein neues Allzeithoch erklommen, stiegen die Gebühren rasant an; es kostete kurzzeitig bis zu 50 Dollar, eine Transaktion in einen Block zu bringen. Die Einnahmen der Miner schossen in die Höhe, und für einen kurzen Moment war das geschehen, worauf Maxwell hingearbeitet hatte: Die Gebühren überstiegen den natürlichen Block Reward, die „Subvention“. Bitcoin war zukunftsfest geworden.

In der Tat wird die „Subvention“ der Miner durch die Schöpfung neuer Bitcoins im Lauf der Zeit auslaufen. Derzeit entstehen je Block 6,25 Bitcoin, irgendwann 2024 werden daraus 3,725 Bitcoin, und so wird sich die Subvention alle vier Jahre weiter halbieren, bis sie kaum mehr zu sehen ist und irgendwann im 22. Jahrhundert komplett versickert.

Zwar konnte der Anstieg des Bitcoin-Preises die Halbierung des Rewards bisher mehr als reichlich ausgleichen. Daher haben die bisherigen Halbierungen keinen Einfluss auf die Hashrate von Bitcoin und damit die Sicherheit des Netzwerkes gehabt. Im Gegenteil – die Hashrate wächst und wächst und wächst, was auch Kritik vom Standpunkt des Klimaschutzes hervorruft. Doch es ist jedem klar, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Bitcoin kann seinen Marktwert – seinen Wert gemessen in Asic-Minern und Kilowattstunden – nicht für alle Zeiten alle vier Jahre verdoppeln. Vielleicht noch 2024, 2028, womöglich auch 2032. Aber irgendwann wird Schluss sein.

Ab dann müssen sich die Miner durch Transaktionsgebühren finanzieren. Bleiben diese aus, gibt es eine Vielzahl von Angriffen und Risiken, die potenziell erhebliche Unsicherheiten einführen.

Nach Maxwells Champagner-Moment Ende 2017 gingen die Gebühren wieder zurück. In den kommenden Jahren fielen sie immer weiter. Der Bedarf, Bitcoin zu verwenden, schien nicht groß genug zu sein, einen Gebührenmarkt zu schaffen, wie ihn Maxwell geplant hatte. Selbst als der Markt 2021 in ein neues Allzeithoch einfuhr, stiegen die Gebühren nicht weit genug, um an den Block Reward heranzukommen. Bitcoin bleibt vorerst auf die Inflation angewiesen, und es gab wenig Hinweise, dass sich das ändern würde.

Es gab gute Gründe, neidisch auf Ethereum zu schauen: Dort blieb der Bedarf nach den Smart Contracts, mit denen man Token tauschen, Geld leihen, Zinsen einkassieren oder NFTs handeln konnte, fortlaufend so hoch, dass die Transaktionsgebühren die Inflation dauerhaft weit überstiegen.  Ethereum hatte jenen nachhaltigen Zustand des Proof of Works erreicht, den Maxwell mit seiner Theorie des Fee Markets angepeilt hatte – nur um dann mit dem Merge im September 2022 auf Proof of Stake zu wechseln und die Geldschöpfung auf niedrigem Niveau zu verewigen. Ethereum brauchte die hohen Gebühren nicht, nahm sie aber ein.

Bei Bitcoin tendierte man dagegen dazu, die Probleme zu verdrängen. Gregory Maxwell war weitgehend abgetaucht, keiner wollte darüber reden, dass das Lightning-Netzwerk womöglich eher Teil des Problems als der Lösung war, weil es den Gebührendruck mindert und gleichzeitig Gebühren von den Minern an Routing-Nodes umleitet; keiner wagte es, auch nur über die Möglichkeit nachzudenken, dass der Fee Market nicht funktionieren würde und man womöglich doch größere Blöcke brauchte, um Bitcoin zukunftsfähig zu machen — dass sich also exakt derjenige, dessen Roadmap man folgte, in seinem wichtigsten Anliegen kolossal geirrt hatte.

Allein Peter Todd und wenige andere erinnerten gelegentlich daran, dass das Problem bestand, und schlugen vor, die Schöpfung neuer Coins auf tiefem Niveau für immer fortlaufen zu lassen. Das aber ist ein so kontroverser Vorschlag, der so sehr Kern von Bitcoin kratzt, dass er vorerst keine Aussicht hat, auch nur ernst genommen zu werden. So blieb nur die Ratlosigkeit und vage Hoffnung, dass die Zukunft das Problem irgendwie auflösen werde.

Eine mögliche Lösung brachten nun die BRC-20-Token. Sie hoben die von den Minern vereinnahmten Gebühren erstmals seit Ende 2017 auf ein Niveau, welches den Block-Reward – die Subventionen – übersteigt. In den letzten Tagen sahen wir seit langem wieder einen Bitcoin, der in diesem Sinne zukunftsfähig ist.

BRC-20-Token basieren auf Taproot-Transaktionen, worin eine nicht geringe Ironie liegt: Denn der Erfinder von Taproot ist niemand anderes als Gregory Maxwell. Er hatte den Transaktionstypen entworfen, um Smart Contracts auf Bitcoin anders zu ermöglichen und die Privatsphäre mancher Transaktionen zu verbessern. Damit hat er eher versehentlich Bitcoin „gerettet“. Denn dass man mit Taproot Bilder auf die Blockchain lädt oder Token produziert, dürfte kaum in seinem Sinn gewesen sein.

In seiner legendären Mail „Capacity Increase for the Bitcoin System“ legte Maxwell Ende 2015 einen Plan vor, der zur Roadmap für die Skalierung von Bitcoin werden sollte. Darin kommentierte er auch nicht-monetäre Anwendungen von Bitcoin, wie eben NFTs oder Token: „Da Bitcoin elektronisches Bargeld ist, ist es keine generische Datenbank; der Bedarf nach günstigem, vielfach repliziertem, dauerhaftem Speicher ist unbegrenzt, und Bitcoin und und wird den Bedarf nach nicht-monetärem (nicht-Bitcoin) Nutzen nicht befriedigen können, und darin ist keine Schande.“

Damit hat Maxwell sicherlich nicht unrecht. Wenn die Bitcoin-Blockchain für nicht-monetäre Zweck gebraucht wird, liegt darin immer auch ein Stück Missbrauch, da es die Nutzung für „ehrliche“ User erschwert und die Festplatten und Internetverbindungen der Nodes belastet. Wenn man Token, Bilder und womöglich auch Smart Contracts auf die Blockchain bringt, wird der Bedarf so schnell explodieren, dass es kein echtes Limit gibt. Daher wirken die BRC-20-Token als eine eher zweifelhafte Lösung des Problems der langfristigen Sicherheit.

Aber sie sind vielleicht die beste Lösung, die sich derzeit anbietet. Denn was ist die Alternative?

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