Die unabhängige Abgeordnete Joanna Cotar bringt mit einer Initiative Bitcoin in den Bundestag. Sie will die Politik über die Chancen von Bitcoin aufklären, vor einem digitalen Euro warnen – und macht einige kluge politische Vorschläge.
Wer behauptet, es gäbe keine perfekte Bitcoin-Politik, muss lügen. Denn es gibt einige Komponenten einer idealen Politik für Bitcoin, die man eher bruchstückweise, von El Salvador über Lugano bis zum Präsidentschaftsbewerber Robert F. Kennedy, aufsammeln kann.
Die unabhängige Bundestagsabgeordnete Joana Cotar vereinigt diese Elemente der perfekten Bitcoin-Politik in einem Antragsentwurf an die Bundesregierung: Bitcoin soll ein gesetzliches Zahlungsmittel werden und die Bürger sollen Steuern in Bitcoin begleichen können. Mining soll helfen, erneuerbare Energien zu erschließen, und der Betrieb eines Full Nodes wird als Grundrecht geadelt.
Mit der Initiative „Bitcoin im Bundestag“ hat die Abgeordnete Cotar Bitcoin auf eine Weise in die Berliner Politik gebracht, die bisher undenkbar war.
„Bitcoin nutzen und bürgerliche Freiheiten vor Totalüberwachung schützen“
Joana Cotar war bis 2022 ein führendes Mitglied der AFD. Sie war sogar bei der Wahl um den Bundesvorsitz gegen Tino Chrupalla und Alice Weidel angetreten. 2022 verließ sie die Partei jedoch, weil sie die „Anbiederung an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran“ nicht länger mittragen wollte und genug von Opportunismus, Mobbing und Korruption innerhalb der Partei hatte.
Auf ihrer Webseite steht Freiheit in vielen Titeln, es gibt Videos mit Reden über Wärmepumpen, Fachkräfteeinwanderung und Digitales: 5G, Datennutzunug, IP-Adressspeicherung. Um solche Themen geht es meistens auch in ihren Pressemitteilungen. Freiheit und Digitales, und damit, unvermeidbar, Bitcoin.
Mit der Webseite Bitcoin-im-Bundestag.de sowie dem Antragsentwurf „Bitcoin nutzen und bürgerliche Freiheiten vor Totalüberwachung schützen“ verlässt sie nun die Deckung und wird zur ersten echten Bitcoin-Abgeordneten im deutschen Bundestag.
Wahrheit und Dichtung
Mit der Initiative will Joana Cotar Politiker über Bitcoin informieren. Sie will darüber aufzuklären, dass Bitcoin eine „einzigartigen Ressource“ ist, die „das Potenzial hat, die Souveränität der Bürger und unsere Wirtschafts- und Finanzsysteme nachhaltig positiv zu verändern.“ Bitcoin zu verstehen bedeutet in dieser Initiative, Bitcoin zu preisen. Vor Digitalem Zentralbanksgeld (CBDC) hingegen warnt die Abgeordnete entschieden.
Die Aufklärung über Bitcoin ist wie ein Best Of Bitcoin Maximalismus, ein ausführlicher Corpus, mit all seinen Stärken und Schwächen, Wahrheiten und Dichtungen. Bitcoin ist das Universalpflaster. Dazu passend verteilt die Abgeordnete Ausgaben des Bitcoin-Magazins „Einundzwanzig“ im Bundestag und verlinkt auf den Blocktrainer, Posts von Gigi und den Aprycot-Verlag. Interessanterweise (dank an Leser Joe) stehen unter den Mitwirkenden der Initiative auch JAN3 von Samson Mow, ehemals Blockstream.
In Sachen Central Bank Digital Currency (CBDC) arbeitet Cotar mit dem Verdacht eines Verdachtes: Ein digitaler Euros werde gewiss mit der Einschränkung des Bargeldes einhergehen, auch wenn es anders im Entwurf stehe, und auch wenn dieser Smart Contracts ausschließe, werden diese gewiss einführen, um die finanzielle Aktivität der Bürger zu kontrollieren.
Das Entscheidende dürfte aber nicht die Aufklärung sein, sondern die politische Arbeit. Darum geht es ja. Joana Cotar ist Volksvertreterin, kein Außenposten eines Bitcoin-Podcasts. Daher veröffentlicht sie einen Entwurf für einen Antrags des Bundestags, für den sie derzeit noch Mitstreiter sucht.
In seiner derzeitigen Fassung enthält der Antrag einige äußerst vernünftige Vorschläge für eine konstruktive, Bitcoin-freundliche Politik.
Die perfekte Bitcoin-Politik
Der Antrag informiert die Abgeordneten zunächst in einem langen Fließtext über seine Ziele. Dieser ließt sich wie eine etwas ernüchterte Zusammenfassung der „Aufklärung“, mischt aber weiterhin gelegentlich Fakten und Fiktionen. Im generellen stellt er fest, dass „das Thema Bitcoin in Deutschland in relevanten gesellschaftlichen Diskursen“ ignoriert oder zu negativ dargestellt wird. Er sorgt sich um den Wohlstand Deutschlands durch billiges Geld und Schuldentransfers in der EU und fürchtet Massenkontrolle durch Kreditkarten und digitales Geld sowie die Abschaffung des Bargeld.
Der Antrag fordert grunndsätzlich, dass „die Rahmenbedingungen für zukunftsträchtige Technologien verbessert und dabei Grundrechte aktiv im Sinne der Bürger gestaltet werden“. Was Bitcoin angeht, schwebt ihm „eine Koexistenz von soliden Fiat-Währungen und Bitcoin“ vor. Altcoins erwähnt er nicht. Neben vielem anderen ist Bitcoin ein Korrektiv:
„Sollte Bitcoin es schaffen, sich de facto als neue Währung und Wertespeicher gl0obal zu etablieren, birgt Bitcoin nach Ansicht der Antragsteller das Potential, Zentralbanken und Regierungen indirekt zu nachhaltiger Fiatgeld- und Fiskalpolitik zu disziplinieren und somit die Attraktivität der jeweiligen Fiat-Währung durch Wahrung der Preisstabilität langfristig zu erhalten.“
Daher soll die Bundesregierung, fordert Joana Cotar Entwurf:
- Sich gegen die Einführung eines digitalen Euros stark machen und sich nicht an diesem beteiligen.
- Prüfen, ob und wie Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt wird,
- bis dahin die 1-Jahresspekulationsfrist erhalten,
- prüfen, ob und wie die Bürger Steuern und Gebühren in Bitcoin bezahlen können,
- einen Rechtsanspruch darauf schaffen, Bitcoins zu minen und einen Full Node zu betreiben, einschließlich eines Lightning-Knotens, und
- Mining-Farmen nutzen, um das Stromnetz zu stabilisieren und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben.
Diese Vorschläge sind durchweg vernünftig. Nichts in ihnen schadet, nichts droht, Steuergelder zu verbrennen, Werte zu vernichten oder Freiheiten zu gefährden, aber alles in ihnen ist eine Chance: eine Chance, Deutschland als Bitcoin-Standort zu positionieren und zum Gewinner einer Bewegung zu werden. Man muss weder Bitcoin als Allheilmittel verklären noch der politischen Linie von Frau Cotar folgen, um das mit Begeisterung anzuerkennen.

