Nachdem sich die Regierung im November darauf verständigt hatte, sogenannte Bezahlkarten einzuführen, wird es nun konkret. Noch in diesem Jahr möchte man den Flüchtlingsstrom durch monetäre Diskriminierung ausbremsen. Als technische Helfer dienen dabei zwei US-Zahlungsdienstleister.
In der Bitcoin-Community arbeitet man sich gerne an einer möglichen CBDC ab, einer „Central Bank Digital Currency“, also einer von einer Zentralbank herausgegebenen digitalen Währung. Eine solche CBDC, heißt es immer wieder, sei der Anfang vom Ende aller Freiheit. Auf Konferenzen gibt es Panels über – oder besser: gegen – CBDCs, und Politiker, die klar Stellung gegen sie beziehen, ob die deutsche Abgeordnete Joana Cotar oder Donald Trump, dürfen sich des Beifalls der Community sicher sein.
Tja. Nun passiert es, aber ganz ohne CBDC, und leider auch ohne den Protest der Bitcoin-Community. Während Pläne für eine CBDC in Europa weiterhin so vage wie nur möglich bleiben, hat unsere Regierung beschlossen, fast eine halbe Millionen Menschen in Deutschland einer bisher beispiellosen monetären Kontrolle und Diskriminierung zu unterwerfen: Asylbewerber sollen nicht länger in den Genuss des gesetzlichen Zahlungsmittels in der EU kommen – Euroscheine – sondern die sogenannte Bezahlkarte erhalten.
Beschlossen wurde die Bezahlkarte im November 2023. Bayern und Hessen waren bei den Landtagswahlen massiv nach rechts gerutscht, jeder machte die Flüchtlinge als Ursache aus, und Kanzler Scholz und die Ministerpräsidenten beschlossen in einer Notkonferenz, die Bezahlkarte einzuführen. Diese soll den Verwaltungsaufwand der Kommunen senken und verhindern, dass Flüchtlinge ihr Geld in einem unerwünschten Sinn verwenden, etwa für kriminelle Zwecke oder als Rücküberweisung in ihre Heimat.
Gestern hat eine Arbeitsgruppe ein bundesweit einheitliches Konzept vorgestellt, das wohl das Gefallen aller Bundesländer gefunden hat. Schon ab dem Sommer sollen Kommunen Hilfsgelder an Flüchtlinge nur an Banken überweisen, die Bezahlkarten für Flüchtlinge führen. Die Bezahlkarte ist eine reine Debitkarte ohne angebundenes Bankkonto, in den bisherigen Pilotprojekten von MasterCard oder Visa. Mit ihr können Flüchtlingen in allen Geschäften einkaufen, welche die Geschäftsbedingungen und Gebühren der beiden US-Unternehmen akzeptieren.
Die Bundesländer sollen eine Option erhalten, bestimmte Geschäfte oder Branchen auf eine Blacklist zu setzen oder den Gebrauch außerhalb des Bundeslandes oder der Region zu unterbinden. Grundsätzlich können Flüchtlinge mit der Bezahlkarte kein Bargeld abheben, nicht im Ausland bezahlen und das Geld weder im Inland noch ins Ausland überweisen. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, meint zudem, dass die Karten „auch mit anderen Informationen und Nachweisen“ erweitert werden sollen. Dies könnte auf Identitätsdaten hinauslaufen.
Damit wird das 2016 verabschiedete Grundrecht aller in Deutschland lebenden Personen, ein Bankkonto erhalten zu können, mehr oder weniger ausgesetzt. Es geht dabei um derzeit 182 Euro Taschengeld für Asylbewerber in Asylheimen mit Nahrungsversorgung und 410 Euro für Selbstversorger. Immerhin haben die Bundesländer die Option, einen bestimmten Teil dieses Geldes weiterhin bar als Taschengeld auszuzahlen.
Integrationsforscher und -Experten sind skeptisch. Es gibt laut ihnen keine Belege dafür, dass Asylbewerber die an sie ausgezahlten Sozialleistungen in nennenswertem Maßstab nach Hause überwiesen haben. Solche Rücküberweisungen setzen üblicherweise erst ein, nachdem sie eine Arbeit gefunden haben. Es handele sich um Symbolpolitik, wird beklagt, von denen kein Experte einen nachweisbaren Effekt auf die Fluchtbewegungen erwarte. Eine Vertreterin von Pro Asyl nannte die Bezahlkarte „ganz klar ein Diskriminierungsprogramm“.
Schon im Dezember hat Hannover eine „SocialCard“ eingeführt. Das ist eine Debitkarte von Visa, auf die die Regelleistungen für Asylbewerber ausgezahlt werden, allerdings ohne die für die Bezahlkarte gewünschten Blacklists. Auch in Thüringen gibt es in einigen Landkreisen erste Versuche mit einer Bezahlkarte, die, einem Foto zufolge, von Mastercard ausgestellt wurde. Laut Landräten hat man damit gute Erfahrungen gemacht. Der Thüringer Flüchtlingsrat dagegen beklagt, dass die Karte es Flüchtlingen erschwere, Zahlungen beim Friseur, in kleineren Geschäften und auch beim Deutschlandticket zu leisten.
Ganz unmöglich wird es natürlich nicht werden, Geld an Verwandte im Ausland zu überweisen. Dazu müssen Flüchtlinge künftig eben im Supermarkt Gutscheinkarten kaufen und versenden. Diese können ihre Verwandten dann auf Online-Portalen eintauschen. Vermutlich wird es auch eine Art Schwarzmarkt geben, etwa Kiosk-Besitzer, bei denen man mit der Bezahlkarte „Snacks“ kaufen kann, um dann Bargeld oder Auslandsüberweisungen zu erhalten. So oder so sind mehr Mittelsmänner involviert, die durch Gebühren zum Gewinner der Bezahlkarte werden.
Unter Bitcoinern wird bisher erstaunlich wenig Kritik an der Bezahlkarte laut. Dabei verwirklicht sie genau jene Alpträume, die man sich so lebhaft und empört über CBDCs erzählt, von der Begrenzung von Bargeld über Blacklists und Whitelists zum Zwang, sich von einem bestimmten Mittelsmann abhängig zu machen.

