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Fork you! Neuigkeiten von den Blocksize-Kriegen

Fork Fun III von Broderick via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Monat für Monat dasselbe Thema. Was die Flüchtlingsdebatte für Deutschland ist, ist die Blocksize-Diskussion für die Bitcoin-Szene: Zwei Lager stehen sich offenbar unversöhnlich gegenüber, Meinungen versteinern sich und Geschirr zerbricht, während die Szenerie mit Volldampf auf den Eisberg zusteuert. Hier erfahrt ihr, was in den letzten Wochen an der Blocksize-Front passiert ist.


Für Eilige:

Mit eine der Schwierigkeiten der Blocksize-Debatte ist, dass sie rein virtuell stattfindet. Das macht es mehr oder weniger unmöglich, zu beurteilen, wie viele Leute auf welcher Seite stehen. Steht die Mehrheit der Community weiter hinter den Bitcoin-Kernentwicklern, die sich weigern, die Blocksize zu erhöhen, oder steht sie hinter Bitcoin Classic mit Gavin Andresen und Jeff Garzik, die so schnell wie möglich auf 2 MB Blöcke springen wollen?

Das Problem: Die Blöcke werden langsam voll, und die Kapazität des Bitcoins ist auf 2-3 Transaktionen je Sekunde beschränkt. Das „Team Big Blocks“ verlangt daher, die maximale Größe der Blöcke zu erhöhen. Das „Team Small Block“ um Core fürchtet dagegen, dass dies zu einer Zentralisierung von Knoten und Minern führt.

In jedem Lager gibt es diese über-engagierten Leute, die in jedem Forum ständig posten, oft aggressiv, beleidigend, absolut entschlossen; und wer weiß, ob diese Leute nicht mehrere Accounts – Sockenpuppen! – haben, oder ob es nicht jemanden gibt, der ihnen dafür Geld bezahlt, für eine Meinung zu trollen? Es ist unübersichtlich und schwer zu sagen, ob es nun einen Konsens für etwas gibt oder nicht. Will die Mehrheit größere Blöcke – oder will die Mehrheit Core folgen?

Anfang des Jahres sind Jonathan Toomin, Gavin Andresen und Jeff Garzik vorgestoßen und haben Bitcoin Classic angekündigt. Classic soll dieselbe Software wie Core sein, aber 2 MB Blöcke akzeptieren. Classic würde eine Hard Fork veranstalten und damit das Netzwerk vorübergehend in zwei inkompatible Teile trennen.

Ökonomie vs. Entwickler?

Zumindest die ökonomische Mehrheit scheint klar für 2 MB Blöcke zu sein. Bitcoin Classic hat die Unterstützung von großen Börsen, Online-Wallets, Zahlungsdienstleister, Asic-Hersteller und großer Mining-Pools. Mehr oder weniger alle großen Firmen unterstützen Classic.

Core hat auch Support für sich gesammelt. Soweit ich weiß waren an bekannteren Unternehmen nur ledger und GreenAddress dabei. Aber eigentlich hat Core das gar nicht nötig, da so gut wie alle Entwickler hinter Core stehen. Das Team Classic steht mit Jonathan Toomin, Gavin Andresen und Jeff Garzik relativ schwachbrüstig da, während Core Dutzende Leute zusammenhält, die seit Jahren mit Bitcoin arbeiten.

F2Pool, ein chinesischer Mining-Pool mit derzeit 25% der Hashrate, hat daher seine Unterstützung für Classic relativiert: man begrüße den Vorstoß, unterstütze ihn aber noch nicht. Etwas deutlicher war BTCChina, die große chinesische Börse mit Mining-Pool: man gehe zwar inhaltlich mit Classic, aber man werde es erst unterstützen, wenn ausreichend Entwickler-Kompetenz dahinter stehe.

Die chinesischen Pools haben sich dem Verlauten nach zusammengesetzt und eine gemeinsame Position gefunden: Man möchte die Kernentwickler weiterhin im Boot haben, will aber auch, dass die Blocksize erhöht wird, und ist bereit, dies selbst in die Hand zu nehmen, falls sich Core weiter weigert. Eric vom Pool HaoBTC drückt dies in einem Bitcointalk-Thread so aus:

Insgesamt gibt es ein Gefühl der Hilflosigkeit. Einige von uns fragen sich, warum die Chinesen in der Sache so wenig zu sagen haben und einige drängen darauf, dass wir ein eigenes Entwickler-Team bilden und eine eigene Fork entwickeln … Einige denken auch, dass dies ein Test der Bereitschaft von Core sei, zuzuhören. Wenn sie nicht bereit sind, diesen kleinen Kompromiss einzugehen, dann fürchten die Chinesen, dass sie auch in der Zukunft nicht kompromissbereit sein werden.

Wer es sich antun möchte, den Thread weiter zu verfolgen, wird verstehen, was ich mit einer festgefahrenen, mitunter ekelhaften, Debatte meine.

Marketing und Propaganda

Das Ärgerliche an den Blocksize-Kriegen ist, dass die Kernentwickler sie jederzeit beenden könnten, indem sie 2 MB Blöcke einführen, was, wie sie selbst einräumen, problemlos möglich wäre. Das Team „Big Blocks“ ist von den 8 MB durch XT runter auf 2 MB gegangen und hat dafür die Zustimmung der Wirtschaft.

Core aber bleibt dabei: der richtige Weg jetzt zu skalieren, ist Segregated Witness. Es gibt kein klares Bekenntnis zu einer Erhöhung der Blocksize. Es gibt dafür Gründe, wie etwa Jonas Schnelli im Interview erklärt, und man könnte diesen Gründen hinzufügen, dass Core keinen Präzedenzfall schaffen möchte.

Insgesamt reagiert Core jedoch auf die Kritik aus Wirtschaft und Community so ähnlich wie die Stuttgarter Stadtverwaltung auf Proteste gegen Stuttgart 21: Man ignoriert weiterhin das Anliegen der Protestierenden, aber räumt ein, bei der Kommunikation gepatzt zu haben – womit das Problem nicht mehr in dem liegt, wogegen demonstriert wird, sondern in der Unwissenheit der Protestierenden bzw. deren Unfähigkeit, rationale Argumente nachzuvollziehen.

Die Kern-Entwickler arbeiten also an ihrem öffentlichen Auftritt. Auf der neuen Webseite bitcoinco.re wurden zwei FAQ veröffentlicht, zu opt-in-RBF sowie zu Segregated Witness. Außerdem hat Core nun auch einen twitter-account und einen öffentlichen Slack-Kanal. Adam Back, Erfinder des Hashcash und Mit-Gründer von Blockstream, twittert entschieden für Core – ohne dass geklärt ist, weshalb Adam Back nun für Core spricht – während Gregory Maxwell zu reddit zurückkehrt und Core Position etwas aggressiv und verbissen verteidigt. So richtig Sympathie kommt dabei nicht rüber.

Auch im Marketing von Classic läuft nicht alles glatt. Michael Toomin, der mit seinem vermutlich älteren Bruder Jonathan das Mining-Center der Toomins leitet, hat seinen freien Tag genutzt, um im Slack-Kanal von Core aufzukreuzen. Dabei war er allerdings vollkommen zugedröhnt, was er auf Nachfrage auch bestätigt hat. In seinem Bundesstaat ist das zwar nicht illegal (wie auch breit sein hier nicht illegal ist), aber es hat den Auftritt unfreiwillig komisch gemacht und war alles andere als vertrauenserweckend. Wer würde schon die Zukunft des Bitcoin in die Hände eines Kiffers legen?

Echte Arbeit

Zugleich sind beide Seiten ihrer Arbeit nachgegangen. Core hat einen Pre-Release von Bitcoin Core 0.12 herausgegeben. Der Release hat, wie schon Jonas Schnelli angedeutet hat, eine sehr umfangreiche Dokumentation. Ich habe ihn noch nicht getestet, kann aber schon mal so viel sagen: indem openSSL durch libsecp256k1 ersetzt wurde, soll die Verifizierung von Transaktionen und Blöcken erheblich beschleunigen, Pruning wird aktiviert (damit kann man seine Blockchain komprimieren), das umstrittene Opt-in RBF wird nicht nur integriert, sondern auch per default eingeschalten, es gibt einen Traffic-Shaper für den Upload, der Mempool – der die unbestätigten Transaktionen speichert – wird limitiert, die Gebühr wird neu berechnet und mehr. Core 0.12 ist ein sehr umfangreiches Update, das aber nicht in jeder Hinsicht Beifall findet.

Auch bei Classic wurde geschuftet. Gavin Andresen hat den Vorstoß auf 2 MB als formelles BIP eingereicht. Wenn 75% der Miner das BIP unterstützen und eine Frist von 28 Tagen verstrichen ist, wird die Blockgröße auf 2 MB erhöht. Das BIP kann bis zum 1. Januar 2018 getrigert werden. Danach soll es verfallen. Das „Sigops“-Limit – das Limit der zu verarbeitenden Signaturen je Block – soll so bleiben, wie es derzeit ist, aber nur für ECDSA-Verifikationen gelten, die den Block validieren, während es ein neues Limit von 1.300.000.000 Bytes an Hash-Data je Block gibt. Somit ist die Gefahr einer „Monstertransaktion“, die die CPU aller Knoten lahmlegt, wohl beseitigt.

Damit ist der weitere Weg im Prinzip klar. Entweder Core bringt schnell – aber sauber – Segregated Witness ans Ziel und die dadurch gewonnene Kapazität recht fürs erste aus – oder die chinesischen Miner sowie die Industrie werden Classic unterstützen und die Erhöhung der Blocksize erzwingen.

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