Website-Icon BitcoinBlog.de – das Blog für Bitcoin und andere virtuelle Währungen

Blockchain ohne Bitcoin – wirklich?

Blockchains sind im Trend und sollen sich in Zukunft von Coins und Minern lösen. Wir haben unsere Zweifel, ob es eine sinnvolle Idee ist, auf zwei elementare Pfeiler des Konzeptes zu verzichten.

„Es gibt eine weite Übereinstimmung, dass diese Technologie das Potenzial hat, ein neues Zeitalter der Effizienz einzuleiten“, schreibt IBM. Der IT-Konzern steigt derzeit voll in die Blockchain ein und hat vor kurzem seine Blockchain-Seiten online gestellt. Darin ist unter anderem zu lesen: „Wir prognostizieren, dass diese Technologie genutzt wird, um intelligentere und effizientere Systeme für Supply Chains, das Internet der Dinge, Spiele, das Management von Medienrechten, Autoverleiher, Ausweise und Versicherungen zu bilden.“ Die Anwendungsfälle sind beinah endlos.

IBM setzt, wie jüngst ein Direktor der Firma sagte, „voll auf die Blockchain.“ Damit ist das Unternehmen nicht alleine. Neben ihm stürzt sich derzeit unter anderem die Linux Foundation und eine ganze Legion von Banken und Börsen auf die Blockchain. Wenn man die mit der Blockchain betrauten Mitarbeiter hört und die Paper liest, die diese Firmen veröffentlichen, wird man mit Superlativen überhäuft und kommt zu dem Schluss, dass die Blockchain DIE Mega-Innovation der Gegenwart ist. Keine Branche, die nicht von der zauberhaften dezentralen Datenbank auf den Kopf gestellt wird, kein Mittelsmann, dessen Stellung nicht bedroht ist, keine Anwendung, die nicht verbessert wird.

Erste Gehversuche, die langfristig keine Rolle spielen

Die IT-Konzerne und die Banken arbeiten derzeit gemeinsam an einem großen Infrastrukturprojekt, das zahlreiche Dienstleistungen, Transaktionen und Verträge digitalisieren und auf die Blockchain bringen soll. Der Bitcoin allerdings spielt in diesen Plänen keine Rolle. Er ist regulatorisch zu heikel, kurstechnisch zu volatil, und in der Kapazität zu dünn. Auch andere Kryptowährungen wie Ethereum sind, so ein Direktor von IBM, „first generation blockchains“ – erste Gehversuche, die langfristig allenfalls als historische Prototypen überdauern können. Eine echte Bedeutung werden die „neuen Blockchains“ haben, wie sie etwa IBM und die Linux Foundation mit Hyperledger planen.

Bitcoin und all die anderen Blockchains für Altcoins sind zwar die bisher einzigen bekannten und erfolgreichen Anwendungen der Blockchain, was auch die Vertreter der „neuen Blockchains“ anerkennen. Doch ihrer Meinung nach haben Bitcoin und Altcoins zentrale Fehler: Sie benötigen Miner, haben eine eigene Währung, sind vom Design her zugangsoffen und pseudonym. All diese Eigenschaften – die eigentlich zentral für Bitcoin sind – sind Ballast, von dem sich die Blockchains, die IBM und die Banken planen, befreien werden.

Ob man das, was bleibt, wirklich eine Blockchain nennen kann, darf bezweifelt werden. Denn Miner und native Währungen spielen eine tragende Rolle in den bekannten Blockchains. Mir ist kein Rezept bekannt, wie man ohne sie die zentralen Eigenschaften von Blockchains reproduzieren kann.

Ohne Miner muss man jemandem vertrauen

Die Miner haben eine essenzielle Funktion: Sie sammeln frische Transaktionen ein, die durch das Netzwerk fliegen, packen sie in einen Block, schließen diesen und verbreiten ihn im Netzwerk. Auf diese Weise gewährleisten sie, dass alle Knoten eine übereinstimmende Dokumentation vergangener Transaktionen haben. Als Belohnung erhalten die Miner für jeden Block Bitcoins; um sich für diese Aufgabe zu qualifizieren, müssen sie kryptographische Rätsel lösen. Dieser „Beweis durch Arbeit“ (Proof of Work) führt dazu, dass das Bitcoin-Netzwerk dezentral von auf einem freien Markt konkurrierenden Minern gesichert wird. Man muss niemandem vertrauen.

Nun kann man, wie IBM-Direktor John Wolpert oder auch Deutsche Bank Analyst Thomas Dapp, sagen, dass der komplette Verzicht auf Vertrauen unnötig ist. Ein Konsortium von Banken – oder eine große Firma wie IBM – kann etwa 10-20 Knoten bei Partnern aufstellen, denen man vertraut, und jeder dieser Knoten bildet dann und wann einen Block, ohne dafür Geld zu bekommen. Etwa so funktionieren auch die bisherigen kommerzielle Sidechains von Blockstream. Ohne den dezentralen Firlefanz mit Minern und tausenden Knoten auf Heim-Computern kann man eine Blockchain fast beliebig skalieren und Transaktionen fast in Echtzeit bestätigen.

Es fehlt allerdings ein elementarer Vorteil der Bitcoin-Blockchain. Wenn man in ihr etwas speichert – sei es ein Bitcoin-Guthaben oder ein Token für ein Wertpapier – weiß man, dass diese Information exakt so in der Blockchain bleiben wird, wie man sie hineingeschrieben hat, weil es niemanden gibt, der manipulieren kann. Egal wer was macht, egal wer wen betrügt, egal wer pleite geht: Die Information bleibt unverändert auf der Blockchain. Wenn eine Firma hingegen eine Blockchain auf 10-20 eigenen Computern laufen lässt, muss man darauf vertrauen, dass die Firma – oder das Konsortium – ehrlich ist und weiterhin genügend Ressourcen hat, um die Blockchain sicher zu betreiben. Überspitzt ausgedrückt könnte man auch einfach eine Excel-Datei in einen Cloudspeicher stecken und 10-20 Computer synchronisieren.

Ohne Währung transportiert eine Blockchain nur Gutscheine

Ähnlich unbefriedigend fällt der Verzicht auf eine native Währung aus. Beim Bitcoin belohnt die native Währung BTC die Miner für ihren Beitrag zum Funktionieren des Netzwerkes. Sofern die neuen Blockchains keine Miner mehr benötigen – oder diese anders motivieren – kann auf eine native Währung verzichtet werden. Die neue Blockchain könnte anstatt einer eigenen Währung eben Token transportieren, die für Euro, Dollar oder ein Wertpapier stehen, je nach Belieben des Herausgebers.

Dies aber führt das „Real World Problem“ wieder ein, das der Bitcoin eigentlich beseitigt hat. Denn ein Bitcoin hat die Eigenschaft, dass er mit einer Transaktion voll und ganz überwiesen wird, so ähnlich, als würde man eine Münze übergeben. Die Überweisung ist die Übergabe. Die Transaktion eines Tokens, das einen Euro repräsentiert, übergibt hingegen nicht den Euro, sondern lediglich einen Zettel, auf dem steht, dass der Empfänger ein Anrecht auf einen Euro hat. Ob man den Euro wirklich bekommt, hängt davon ab, ob die Partei, die das Euro-Token herausgegeben hat, ehrlich und liquide ist. Wir müssen also erneut jemandem vertrauen.

Darüber hinaus bietet eine native Währung gewaltige Vorteile, wenn man Smart Contracts anwendet. Nehmen wir mal an, wir schreiben einen Smart Contract, der sagt, wenn auf Adresse A so und so viele Bitcoins eingegangen sind, dann schickt Adresse B so und so viele Bitcoins an Adresse C. Dies funktioniert derzeit nicht mit Bitcoins, aber mit Ethereum. Ein solcher Smart Contract hat den Vorteil, dass er sich in jedem Fall selbst ausführt, wenn Bedingungen eintreffen, deren Gültigkeit auf einer Blockchain nicht gefälscht werden können.

Wenn wir jedoch keine native Währung haben, dann funktioniert der Smart Contract anders: Wenn eine API, an die ich andocke, sagt, dass X oder Y passiert, schicke ich so und so viele Token, die laut einer Bank für Euro stehen, an eine andere Adresse. Weder die Bedingungen für den Smart Contract noch seine Ausführung geschieht rein auf der Blockchain. Beides benötigt eine Partei, der man vertrauen muss, kann gefälscht und manipuliert werden und ist damit nur ein begrenzter Fortschritt gegenüber dem bisherigen Vertragswesen. Ob ein Vertrag sagt, dass ich etwas überweisen muss, oder ob dies eine Blockchain sagt, macht keinen grundlegenden Unterschied.

Sofern IBM, die Linux Foundation und die Banken keine Asse im Ärmel haben, von denen noch nichts bekannt ist, scheinen Blockchains, die auf Miner und native Währungen verzichten, nicht allzu attraktiv und werden dem Potenzial dieser Technologie nicht gerecht. Aber ich bin guter Dinge, dass die Unternehmen sich etwas dabei gedacht haben.

Die mobile Version verlassen