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Die lange, lange Geschichte der Diskussion um die Skalierbarkeit von Bitcoin

Der Streit um die Frage, wie Bitcoin skalieren soll, begann nicht 2015. Er begann auch nicht 2013, und auch nicht 2011. Er ist so alt wie Bitcoin und war bereits da, bevor Satoshi die erste Version der Kryptowährung veröffentlicht hat. Und die Argumente haben sich seitdem gar nicht so sehr verändert.

Manchmal entwickeln sich Debatten weiter, manchmal nicht. Im Falle des Streits um Bitcoin Skalierung rotiert die Debatte seit Jahren um dasselbe Rohr. Ich bin für euch in die Archive gestiegen, um zu recherchieren, wie die Diskussion begann.

2008 James A. Donald

Viele Leute wissen, dass der Streit um die Blocksize nicht aus dem Nichts kam. Wenige Leute wissen aber, dass die Debatte zurück bis zum November 2008 reicht, als Satoshi den Bitcoin in der Cryptography Mailing List erstmals angekündigt hat.

Die erste Antwort, die erste Idee, die zu Bitcoin geäußert wurde, der erste Funken überhaupt, den das Bitcoin-Paper entzündet hat – das war, wortwörtlich, die Aussage „es scheint nicht zu skalieren.“ Die Scalability stand ganz am Anfang der Bitcoin-Diskussion. James A. Donald, ein kanadischer Cypherpunk, Waffennarr und Anarchist, war die erste Person, die Satoshi geantwortet hat. Er schrieb:

Wir brauchen ein solches System ungemein, aber so, wie ich deinen Vorschlag verstehe, scheint es nicht auf die Größe zu skalieren, die es braucht. […] Um ein Double Spending rechtzeitig zu erkennen und zurückzuweisen, muss man alle vergangenen Transaktionen des Coins kennen, was, einfach implementiert, verlangt, dass jeder Knoten die meisten vergangenen Transaktionen hat. Wenn hunderte von Millionen Menschen Transaktionen ausführen, bedeutet das eine Menge an Bandbreite …

Satoshis Antwort wird bis heute häufig als Argument dafür zitiert, dass Bitcoin sehr wohl skalieren kann:

Lange bevor das Netzwerk auch nur annährend so groß ist, sollte es für die User sicher sein, Simplified Payment Verification zu benutzen, um Double Spends zu erkennen. Das braucht nur die Header der Block Chain, was etwa 12 KB am Tag sind.

In Satoshis Vision betreiben nur noch Miner Full Nodes. Diese Full Nodes rentieren sich, da sie Bitcoins erzeugen. Satoshi hatte kein Problem mit der Aussicht, dass diese Nodes zu großen Datenzentern werden:

Am Anfang werden die meisten User Netzwerk-Knoten betreiben, aber wenn das Netzwerk über einen bestimmten Punkt hinauswächst, werden das mehr und mehr nur noch Spezialisten machen mit Server-Farmen mit spezialisierter Hardware.

Auch die Anforderungen an die Bandbreite betrachtet Satoshi im Gegensatz zu James A. Donald nicht als grundsätzliches Problem:

Die Bandbreite muss nicht so prohibitiv sein wie du denkst. Eine typische Transaktion braucht etwa 400 bytes (ECC is angenehm kompakt). Jede Transaktion muss zweimal propagiert werden, also sagen wir 1 KB je Transaktion. Visa prozessierte 2008 am Tag 100 Millionen Transaktionen. Das würde 100 GB Bandbreite brauchen, was der Größe von 12 DVd oder 2 HD Filmen entspricht, oder etwa 18 Dollar an Bandbreite zu gegenwärtigen Preisen.

Sollte das Netzwerk einmal so groß werden, dann wird es noch einige Jahre dauern, und bis dann wird es vermutlich keine große Sache mehr sein, 2 HD Filme über das Netz zu verschicken.

Gewöhnlich endet das Zitat an dieser Stelle. Es wird gerne verwendet, um zu zeigen, dass Satoshi vorhatte, Bitcoin onchain zu skalieren, und optimistisch war, dass dies bis zu einem Visa-artigen Level möglich ist. Es ist jedoch interessant, an dieser Stelle weiterzulesen. Denn James A. Donalds Antworten nehmen sehr viel von dem vorweg, was auch 2016 noch diskutiert wird.

Zunächst beginnt er mit einem etwas verwirrenden Statement über Regierungen und ökonomische Akteure, um seine Unzufriedenheit damit auszudrücken, dass Satoshi plant, Bitcoins durch große Server-Farmen minen zu lassen:

Wenn eine kleine Anzahl von Entitäten neue Coins erzeugen, ist dies resistenter gegen Angriffe eines Staates als ein einzelner Herausgeber. Doch die Regierung greift regelmäßig auch finanzielle Netzwerke an. Der finanzielle Kollaps, den wir gerade erleben, ist ein direktes Resultat einer der jüngsten dieser Angriffe.

Für James A. Donald war die einzige nachhhaltige Lösung, die Anforderungen an Mining-Knoten so gering wie möglich zu halten:

Ich denke, wir müssen dafür sorgen, die Datenlast und Bandbreite für Geld-Herausgeber zu minimieren. Je kleiner die Anforderungen an Datenspeicher und Bandbreite für Geld-Herausgeber sind, desto resistenter ist das System gegen die Art von Angriffen durch die Regierung, die finanzielle Netzwerke in letzter Zeit erleiden.

Der Vergleich mit Kreditkarten, den Satoshi gezogen hat, ging James A. Donald nicht weit genug:

Man muss dorthin gehen, wohin Bankkarten nicht gehen. Etwa File Sharing. Dies benötigt extrem günstige Transaktionen, mehrere je Sekunde per Client, den ganzen Tag …

Donald sah nur eine Möglichkeit, solche Zahlungsmodelle mit Bitcoins zu betreiben:

… wir brauchen Schichten des Geldes auf Bitcoin, die die winzigsten Transaktionen ermöglichen, ein hunderttausendstel so klein wie die kleinsten Münzen, und die Anonymität ermöglichen, so wie Chaum’sches e-Geld als Schicht auf dem Geld von Bankkonten liegt.

Heute wird diese Methode Payment Channel genannt. Sie wurde etwa von 21.co und SatoshiPay verwirklich, soweit ich weiß aber nicht eben mit großem Erfolg. Die große Hoffnung, Bitcoin nachhaltig zu skalieren, liegen derzeit auf dem Lightning Netzwerk, das ein Netzwerk solcher Payment Channels sein soll.

So wie für die Befürworter des Lightning Netzwerkes ist Bitcoin für James A. Donald eher ein Settlement-Netzwerk als ein Zahlungsmittel:

Wir können eine private Schicht darauf aufbauen – Geld, um zu zahlen, und Chaum’sches Geld, beides auf bitgold Münzen aufbauend, so ähnlich wie das US-Banksystem vor 1915 Schichten von Geld und Scheinen auf Goldmünzen gebaut hat, und tatsächlich müssen wir solche Schichten auf Bitcoin aufbauen, um die Transaktionskosten auf ein Level zu drücken, dass Mikrotransaktionen ermöglicht, und um die Bandbreite zu kontrollieren …

Mit diesen Zitaten haben wir, mehr oder weniger, die Essenz der ganzen Scaling-Debatte. Und zwar einige Monate, bevor Satoshi die erste Bitcoin-Transaktion an Hal Finney gesendet hatte.

2010 Hal Finney

Im Dezember sprach sich Hal Finney, ein weiterer Langzeit-Cypherpunk und gediegener Kryptograph, für Bitcoin-Banken aus:

Tatsächlich gibt es einen sehr guten Grund dafür, dass Bitcoin-Banken existieren und ihre eigenes digitales Bargeld herausgeben, das man gegen Bitcoins eintauschen kann. Bitcoin selbst kann nicht weit genug skalieren, um jede Finanztransaktion der Welt an jeden zu broadcasten und in die Block Chain aufzunehmen. Es muss ein weiteres Level der Zahlungssysteme geben, das leichter und effizienter ist.

Für Hal Finney war Bitcoin weniger ein Zahlungsmittel, als eine Währunug. Und wie jede andere Währung konnte die Zahlung von Mittelsmännern durchgeführt werden, die er Banken nannte:

Bitcoin-Banken lösen diese Probleme. Sie können so arbeiten, wie es die Banken taten, bevor die Währungen nationalisiert wurden. Verschiedene Banken haben verschiedene Politiken. Die einen sind aggressiver, die anderen konservativer. Manche würden auf Teilreserve fahren, während andere eine 100-prozentige Deckung durch Bitcoins haben können.

Bitcoin, als das Netzwerk von Minern, die Transaktionen auf der Blockchain bestätigen, können wie ein Anker in einem Netzwerk von Banken sein:

Ich glaube, dies wird das ultimative Schicksal von Bitcoin werden – ein „High-Powered Geld“ zu sein, das Banken als Reservewährung dient, um ihr eigenes digitales Bargeld herauszugeben. Viele Bitcoin-Transaktionen werden zwischen Banken stattfinden, um Net Transfers zu settlen. Bitcoin-Transaktionen zwischen Individuen werden so selten sein wie … nun ja, wie es Käufe mit Bitcoin heute sind.

Die Antworten, die Hal Finney auf diesen Kommentar erhielt, geben einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie giftdurchzogen das Thema sein kann. Ein Bitcointalk-User sagte:

Das hört sich an wie ein Fractional Reserve System, eines dieser Probleme des Fiat-Geldes, das Bitcoin vermeiden soll.

Doch zu dieser Zeit konnte noch niemand sagen, wie groß und heiß die Debatte bald werden würde.

2013 Gavin Andresen, Peter Todd, Mike Hearn, Gregory Maxwell

Ende Januar 2013 begann das Thema der Skalierbarkeit auf Bitcointalk zu kochen. In dieser Zeit begannen einige Leute, das harte Blocksize-Limit von 1 MB als Problem anzusehen und schlugen vor, es mit einer Hardfork anzuheben oder aufzulösen.

Ein User forderte beispielsweise, das Limit so schnell wie möglich zu ändern:

Wir müssen jetzt darüber diskutieren, wie wir das Limit ändern, bevor wir dagegen stoßen. Ein kurzer Blick auf die Blockchain zeigt, dass schon jetzt viele Blöcke 300 KB übersteigen. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass Bitcoin rapide wächst und wir das 1 MB Dach relativ bald treffen werden.

Das 1 MB Limit war weniger ein praktisches Problem, denn eines der Erwartungen und Versprechen: Mit 1 MB Blöcken passen nur 7 Transaktionen je Sekunde auf die Blockchain. Tatsächlich sind es eher 3-4. Eine solche Anzahl von Transaktionen ist viel zu wenig für eine Sache, die Anfang 2013 gerne als Weltwährung der Zukunft beworben wurde.

Doch bereits in diesem Thread wurde jene radikale Opposition gegen die Erhöhung der Blocksize sichtbar, der es gelungen ist, sie bis heute zu verhindern. Der User da2ce7 erklärt, weshalb eine Hardfork, die die Blocksize erhöht, ein fundamentales Problem ist:

Dies wurde wieder und wieder diskutiert. Es gibt ein hartes Limit im Protokoll, und es zu verändern ist ebenso schwierig, wie die Gesamtzahl der Coins zu ändern: Mehr oder weniger unmöglich.

Viele Leute haben in Bitcoin unter der Annahme investiert, dass die harten Limits im Protokoll nicht geändert werden.

Selbst wenn eine Super-Mehrheit die Veränderung will. Eine signifikante Anzahl von Leuten (mich eingeschlossen) wird dies ablehnen.

An dieser Stelle schließt sich Gregory Maxwell der Debatte an. Maxwell ist heute als CTO von Blockstream einer der Vordenker derjenigen, die eine Hardfork zur Erhöhung der Blocksize vehement ablehnen. Er präsentiert jene Argumente, die er in den darauffolgenden Jahren immer wieder präsentieren sollte:

Ohne eine scharfe Begrenzung der maximalen Blockgröße gibt es gegenwärtig keinen vernünftigen Grund zu glauben, dass Bitcoin in irgendeiner Weise sicher sein wird, wenn die Subventionen für Miner verschwunden sind.

Bitcoin ist wertvoll, weil es knapp ist. Eine der wichtigen Knappheiten ist die begrenzte Menge an Coins, eine andere die begrenzte Menge an Block-Space: Begrenzter Platz auf der Blockchain schafft einen Markt für Transaktionsgebühren, mit denen das Mining finanziert wird, was nötig ist, um die Chain robust vor feindlichen Angriffen zu schützen.

Aber Maxwell hat noch weitere Bedenken:

Mit Gigabyte-großen Blöcken kann Bitcoin nicht mehr sinnvoll auf dezentrale Weise funktionieren: Nur noch eine kleine, ausgewählte Gruppe von einigen tausenden von großen Banken würde die Mittel und Motive haben, an der Validierung teilzuhaben.

Die Befürchtung, dass größere Blöcke das zerstören werden, was als die wichtigste Eigenschaft von Bitcoin gilt – die Dezentralität – war bereits 2013 da.

In diesem Jahr war die Kapazität von Bitcoin noch durch Soft Limits definiert. Diese Limits konnten von den Minern durch eine Softfork angehoben werden. Als das Transaktionsvolumen Anfang 2013 stieg, hoben die Entwickler das Limit von 250 Kilobyte auf.

In dieser Zeit begann Gavin Andresen, Ideen zu erkunden und zu diskutieren, wie man langfristig mit der Blocksize umgehen konnte. Einer seiner Vorschläge war es, das harte Limit durch ein fließendes Limit zu ersetzen, das dafür sorgte, dass sich die Größe der Blöcke an die Nachfrage anpassen konnte. Peter Todd warnte energisch vor dieser Idee.

Es wurde kürzlich eine Menge darüber gesagt, das Block Size Limit anzuheben, und ich fürchte, nur wenige Leute verstehen die perversen Anreize, die die Miner hinsichtlich von Blöcken haben, die so groß sind, das nicht jeder im Netzwerk sie prozessieren kann, im speziellen auf eine Weise, dass diese Anreize unvermeidbar zur Zentralisierung führen.

Das Szenario, dass die Miner die Blocksize wieder und wieder erhöhen, um die schwächsten Knoten von dem Netzwerk zu drängen, so lange, bis es ein komplett zentralisiertes Netzwerk ist, wurde auch bereits gegen Bitcoin Unlimiteds Ansatz eingeworfen, das Blocksize-Problem zu lösen.

So oder so, die Miner, vor allem die größten Miner, machen am meisten Gewinn, wenn die Blöcke, die sie produzieren, groß genug sind, dass weniger als 100 Prozentz des Netzwerkes, aber mehr als 50 Prozent sie prozessieren können.

Dies führt, so Todd, „zur Zentralisierung der Mining Kapazitzät.“

An diesem Punkt der Debatte erklärte Gavin Andresen seine Sicht der Dinge. Möglicherweise zeigt sein Kommentar deutlicher als alles andere, wie die Blocksize-Debatte die Bitcoin-Community in zwei Lager teilte, die zu dieser Zeit bereits existierten, aber, anders als heute, noch in der Lage waren, vernünftig miteinander zu reden:

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht zum Ziel haben sollten, Bitcoin zu einem „high power Geld“ zu machen, das nur 7 Transaktionen je Sekunde schafft.

Ich stimme hierin mit Stephen Pair überein – DAS wäre ein extrem zentralisiertes System.

Die eine Seite möchte die Zentralisierung von Knoten und Minern vermeiden, die andere die Zentralisierung von Transaktionen. Andresen stellte klar, wo seine Prioritäten lagen:

Ich meine, wir sollten uns zuerst um die Nutzer kümmern. Was wollen die Nutzer? Sie wollen geringe Gebühren und schnelle Bestätigungen. Lasst uns für dieses Ziel planen, denn DIE NUTZER sind es, die Bitcoin am Ende einen Wert geben.

Danach begann die Diskussion, die wir heute im Überdruss kennen. Auf der einen Seite Gavin Andresen, Mike Hearn und viele Nutzer, auf der anderen Seite Peter Todd, Gregory Maxwell und andere. Beide Seiten haben hervorragende Argumemte und diskutieren zu dieser Zeit noch miteinander. Zwischen den beiden Lagern steht etwa Pieter Wuille, der eine Mittelposition einnimmt, wie auch viele andere User und Entwickler. Es scheint damals weitgehend Konsens zu herrschen, dass man das Limit früher oder später anheben muss, aber wie und wann – darüber gab es keine Einigkeit.

Vielleicht brachte es ein User auf den Punkt:

Im Grunde geht es darum, ob Bitcoin ein Zahlungs-Netzwerk oder ein Wertspeicher ist.

Es ist die alte, lange, nimmerendende Geschichte: Was sind die Prioritäten? Bitcoin als Zahlungsmittel – oder als Wertspeicher? Sollen Nodes dezentral sein – oder Transaktionen? Gibt es Widersprüche zwischen diesen beiden Zielen – und wo liegen sie? Und wie kann ein Kompromiss zwischen beiden Positionen aussehen?

Auf Bitcointalk wurden diese Fragen schon Anfang 2013 lang, kontrovers und intelligent diskutiert. Der entsprechende Thread erreichte nach 26 Seiten sein Ende. Die Debatte darum herum kam bislang noch nicht zum Ende. Sie wurde lediglich lauter und hitziger.

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