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Die Identität auf der Sim-Karte

"Big Brother", Bild von marco mazzone via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

5G ist im Anmarsch, und die Chinesische Telekom plant, Blockchain-Smartphones für die neuen Netze zu zu entwickeln. Ein Whitepaper von Forschern der Telecom und einer anderen Gruppe erklärt, weshalb das notwendig ist – und was ein Blockchain-Smartphone in den neuen Mobilfunknetzen leisten soll. Das ist faszinierend – aber auch gruselig.

5G. Manche kennen den Begriff, manche nicht: 5G ist der neue, schnellere Mobilfunkstandard, der derzeit weltweit ausgerollt wird. Südkorea hat ihn schon seit einigen Monaten, in Deutschland bringt die Telekom ihn gerade in die ersten Städte und Landkreise, und China möchte im Lauf der nächsten zehn Jahre mehr als 400 Milliarden Dollar in den Ausbau der Netze investieren. 5G soll bis zu 10 Gigabit Bandbreite schaffen, auch wenn es bisher selten mehr als 1 Gigabit liefert.

Das Whitepaper – bzw. der per Google-Translate übersetzte Artikel der Sina Times – begrüßt 5G mit schwärmerischen Worten: Die „Datenbestände, die Menschen beherrschen können, werden sich exponentiell vervielfältigen.“ Es werde eine neue Dichte „der Verbindungen zwischen Menschen und Dingen sowie zwischen Dingen und Dingen eingeläutet“. 5G ist nicht nur eine Technologie, sondern eine Ära.

Damit gehen Chancen ein, aber eben auch Risiken: für die Privatsphäre, für die Sicherheit. User und Smartphones werden mit Datenmassen konfrontiert, die zuvor nicht denkbar waren. Die Blockchain soll nun, meint die chinesische Telecom, dabei helfen, die Smartphones für das neue Zeitalter fit zu machen.

Damit ist nicht das gemeint, was bisherige Blockchain-Smartphones, etwa von Samsung, machen. Diese würden, so das Whitepaper, „die Blockchain-Brieftasche nur zum Spekulieren auf den Hotspost des Marktes verwenden“, anstatt Durchbrüche in der Technologie anzuvisieren. Dafür seien diese Telefone auch gar nicht in der Lage, weil sie zu wenig Leistung haben.

Über die Hardware der geplanten Blockchain-Telefone verrät der Artikel allerdings nicht viel. Sie sollen, zumindest das wird offenbart, die Unterstützung für Ethereum und ERC20-Token in die SIM-Karte bringen. Vermutlich bedeutet das, dass die Schlüssel direkt auf der SIM gespeichert werden. Ferner sollen die Smartphones einen Node in einem Blockchain-Netzwerk bilden. Da die Blockchain von Ethereum ziemlich groß und komplex ist, dürfte eine (wie auch immer) abgespeckte Version gemeint sein. Die Smartphones sollen damit eine Art essenzielles Netzwerk des Vertrauens innerhalb des 5G-Netzes bilden. Das klingt schon ganz interessant.

Insgesamt soll die Blockchain Anwendungen sicherer machen, Unternehmen neue Chancen eröffnen, ein vertrauenswürdiges „5G-Blockchain-Terminal für Smartphones“ bilden und auch die Privatsphäre verbessern. Das Whitepaper identifiziert fünf Anwendungsszenarien für das Blockchain-Smartphone: Authentifizierung der digitalen Identität, Finanzen, Lieferketten, gerichtliche Anwendungen und Expressversand. Die Blockchain soll helfen, etwa die Kreditvergabe zu beschleunigen. Sie soll Lieferketten transparent machen und damit Streit, Manipulation und Produktfälschung zu reduzieren. Ferner soll sie elektronische Dokumente gerichtsfest machen, indem sie sie in Echtzeit unveränderbar abspeichert. Auch der Online-Handel soll optimiert werden.

Schließlich soll das Netzwerk der Blockchain-Smartphones – und jetzt wird es gruselig – ein dezentrales Identitätssystem bilden. Man könnte sagen, es steckt im Kern der Pläne. User sollen sich darüber ausweisen können, ohne dass sie sich einen Nutzernamen und ein Keyword merken müssen. Das klingt zunächst gut. Aber was, wenn man das Smartphone verliert? Ist dann auch die Identität weg? Um Identitätsdiebstahl zu verhindern, soll das Blockchain-Smartphone die User identifizieren: Es soll biometrische Merkmale der User, Gesicht, Stimme, Fingerabdruck, Iris und so weiter, sowie Verhaltensmerkmale wie Handschrift, Gangart, Lippensprache und Tipprhythmus, messen und aufzeichnen.

Das natürlich spielt dem chinesischen Überwachungs-Staatskapitalismus in die Hände. Es gibt bereits eine gigantische öffentlich-rechtliche Industrie, die künstliche Intelligenzen zu Helfern der automatisierten Massenüberwachung macht. Sollte ein Blockchain-Smartphone – oder eine Identität – gestohlen werden, kann sie auf eine Blacklist gesetzt werden. Ein Gerät – oder eine Identität – das oder die auf dieser Liste steht, wird von den mobilen Knoten im Blockchain-Netzwerk automatisch abgewiesen. Damit werden die Smartphones nicht nur zum Werkzeug der Überwachung, sondern auch der Bestrafung (durch Ausschluss).

Die Zukunft kommt unvermeidlich. Das bedeutet aber nicht, dass sie einem gefallen muss.

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