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Die natürliche Userbase des Bitcoin

Es gibt mehr „natürliche“ Befürworter des Bitcoins als man denkt – Gruppen von Menschen, für die es einen wirtschaftlichen oder ideelen Vorteil hat, wenn der Bitcoin zu einer echten Währung mit echter wirtschaftlicher Grundlage wird. Wir haben 11 Gruppen oder Milieus identifiziert, die zumindest in der Theorie Interesse an Bitcoins und anderen virtuellen Währungen haben dürften.

Das Konzept der „natürlichen“ Verbündeten war ein stehender Begriff im 17. und 18. Jahrhundert, als die europäischen Fürsten sich durch Kabinettkriege unterhielten. Es bedeutete, dass verschiedene Fürstentümer dazu bestimmt waren, gemeinsame Sache zu machen, da sie gemeinsame Interessen hatten – territoriale, ökonomische oder religiöse. Auf den Bitcoin übertragen – welche Gruppen sind „natürliche“ Befürworter von virtuellen Währungen? Wem nützt es etwas, wenn sich der Bitcoin zu einer anerkannten Währung ausreift?

Die Anonymen und Privaten

Ein Feature des Bitcoins ist, dass Transaktionen anonymer sind als mit einem Bankkonto. Bekanntlich sind Bitcoins nicht so anonym wie Bargeld, aber die Pseudonymität der Bitcoin-Adressen ist doch nützlich, um die Privatsphäre zu schützen. Die Gruppen, die an diesem Feature interessiert sein könnten, sind sehr unterschiedlich:

„Anonymous“ von Thomas Leth Olsen via flickr.com. Lizenz nach Creative Commons 2.0

Kriminelle: Jeder, der etwas macht, das vom Gesetz seines Landes verboten ist. Das können klassische Kriminelle sein wie Drogendealer, Hehler oder Erpresser, aber auch Dissidenten oder Whistleblower. Die Freiheit, die die Pseudonymität des Bitcoins bereitstellt, nützt den Kriminellen in freien Gesellschaften – wie auch denen, die von einem autokratischen Regime unterdrückt werden.

Verfechter von Privatsphäre: Man muss jedoch nicht kriminell sein, um seine Vorhänge herunterziehen zu wollen. Es gehört zu den Grundrechten in einer offenen Gesellschaft, sich dem Blick von Big Brother zu entziehen und zu entscheiden, wer einen wann beobachtet. Die Deutschen haben nicht gegen google-street-views protestiert, weil sie kriminell sind, und die Totalüberwachung des Internetverkehrs durch die NSA hat keine Empörung hervorgerufen, weil alle Welt im Internet Verbrechen begehen möchte. Die Leute wollen ledigliche ihre Privatsphäre – so, wie sie nicht wollen, dass der Nachbar zuschaut, während sie auf der Schüssel sitzen. Spätestens seit den Enthüllungen von Snoweden ist bekannt, dass die Bankkonten von jedermann für die Geheimdienste ein offenes Buch sind. Jeder, der an finanzieller Privatheit interessiert ist, hat mit dem Bitcoin ein Instrument, diese zu beschützen.

→ Goldbugs, Bankenkritiker, Liberale

Goldbugs, Bankenkritiker, Liberale

Bitcoin ist Geld ohne Banken und Staaten. Diese Eigenschaft vereint einige Gruppen von Leuten, die erneut alles andere als homogen sind, sondern von verschiedenen politischen Strömungen kommen.

„Goldbug“ von Ben Sutherland. Lizenz: Creative Commons 2.0

Bankenkritiker: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise befindet sich das Ansehen von Bankern im Sturzflug. Viele Leute machen die Gier der „Bankster“ dafür verantwortlich, eine Krise verschuldet zu haben, von der man sich mit dem Geld der Steuerzahler freikauft, und viele wollen nicht mehr, dass die Banker mit ihrem Geld spekulieren. Man kann nun vor den Zentralbanken zelten und protestieren – oder sich einfach weigern, das Geld zur Bank zu bringen. Mit dem Bitcoin kann man auch ohne Banken Überweisungen durchführen.

Goldbugs: Die Goldfans vertrauen keinem Geld, das in prinzipiell unendlicher Menge verfügbar ist. Sie sind überzeugt, dass das Fiat-Geld dazu bestimmt ist, über die Zeit hin im Wert zu schrumpfen, Jahr für Jahr und Jahrzehnt für Jahrzehnt, bis es die Hälfte oder mehr an Kaufkraft verloren hat. Der Bitcoin wird kaum Gold als Wertspeicher ablösen – dazu fehlt ihm die physische Präsenz und der glänzende Glamour des Edelmetalls – aber als Währung sollte er für Goldbugs attraktiver sein als Fiat-Geld.

Liberale: Wie die Goldbugs misstraut diese Gruppe dem gegenwärtigen Finanzsystem. Allerdings geht es ihnen vor allem um das Verhältnis von Markt und Staat. Liberale glauben daran, dass der Markt sowohl wirtschaftlich als auch ethisch dem Staat überlegen ist. Sie meinen, dass eine echte und gute Währung ein Produkt des Marktes sein und sich dort in Konkurrenz zu anderen Währungen beweisen sollte. Selbst wenn Liberale nicht zufrieden sind mit der Architektur des Bitcoins – sie sollten mit virtuellen Währungen als Marktgelder sympathisieren.

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→ Weltenbummler, Gastarbeiter und internationale Geschäftsleute

Weltenbummler, Gastarbeiter und internationale Geschäftsleute

Als „Währung aus dem Internet“ ignoriert der Bitcoin physische Grenzen. Es entspricht seinem Design, dass es keinen Unterschied macht, ob ich Geld an meinen Nachbar sende oder an jemanden in China, dem Iran oder in Australien. Das sollte für eine Menge Leute interessant sein.

„Walking towards paradise.. EXPLORED“ von Manoj Vasanth via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

Reisende: Wer im Grenzgebiet zwischen Deutschland, Belgien und den Niederlanden lebt, wird sich kaum mehr vorstellen können, wie das Leben ohne den Euro war. Wer durch Osteuropa oder andere Gegenden reist, muss Geld wechseln, sobald er über eine Grenze geht. Wäre der Bitcoin eine international akzeptierte Währung, könnten Reisende eine Menge Zeit und Gebühren sparen.

Gastarbeiter: Für jeden Arbeiter, der in der ersten Welt Geld verdient und dieses zu seiner Familie in der zweiten oder dritten Welt sendet, ist eine internationale Währung wie der Bitcoin ein Geschenk. Beim gegenwärtige Stand der Dinge haben Gastarbeiter für solche Überweisungen 4-20 Prozent Gebühren zu bezahlen und dauert Tage oder Wochen, bis das Geld ankommt. Wäre der Bitcoin eine international akzeptierte Währung, müssten überhaupt keine Gebühren bezahlt werden – und das Geld wäre so gut wie sofort angekommen.

Internationale Geschäftsleute: Sogar die deutschen Ingenieure könnten von Bitcoin als einer Währung ohne Grenzen profitieren. Man stelle sich vor, ein deutscher Automobilhersteller bezahlt seine Zulieferer in China und verkauft seine Produkte in Australien oder Arabien gegen Bitcoins. Die Transaktionen über die Grenzen wären günstiger und schneller. Ein weiteres Beispiel für internationale Geschäfte sind Freelancer – zum Beispiel Programmierer aus Bulgarien oder der Ukraine. Die Anzahl von Unternehmen, die von einer digitalen Weltwährung profitieren würden, ist beinah unbegrenzt. Es wäre vorstellbar, dass Öl, Diamanten, Kaffee, Tee und vieles mehr ohne finanzielle Mittelsmänner global gehandelt werden.

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→ Künstler, die Content-Industrie, der Online-Handel

Künstler, die Content-Industrie, der Online-Handel

Neben allem andere ist der Bitcoin eine Währung, deren natürlicher Lebensraum das Internet ist. Das sprengt Beschränkungen und macht Transaktionen günstiger und schneller – was für einige Gruppen einen handfesten Vorteil darstellt.

„Day 3/365 – Ride in the Shopping Cart …“ von Caden Crawford via flickr.com. Lizenz: Creative Commons 2.0

Künstler: Musikstücke, Bücher, Filme, Fotos – alles auf der eigenen Homepage verkaufen, ohne dafür einen Zahlungsdienstleister zu benötigen? Nicht das geringste Problem mit Bitcoins. Man muss dazu nicht mal programmieren können. Das könnte für viele Künstler ein neues Geschäftsmodell eröffnen und den globalen Verkauf ihrer Werke ermöglichen. In jedem Fall bedeutet es ein Stück mehr Freiheit, da sie etwas selbst machen können, wofür sie zuvor Hilfe gebraucht haben.

Die Content-Industrie: Schöne, alte, analoge Welt, in der man Filme für ein paar Tage ausgeliehen und die Zeitung am Kiosk gekauft hat. Die Content-Industrie kämpft bis heute damit, ihre alten, funktionierenden Geschäftsmodelle auf den virtuellen Raum zu übertragen. Eine der größten Barrieren ist es derzeit, dass die Angebote der Contentindustrie die Möglichkeiten der Nutzer gegenüber dem physischen Verkauf nicht erweitern, sondern begrenzen: Um für die Zeitung zu bezahlen, braucht man eine Anmeldung und ein Abo, ebenso, um Filme anzuschauen. Dabei sollte es andersherum sein – dass die Kunden im Internet neue Möglichkeiten haben: Zahle für ein Lied, zahle für einen Artikel, zahle für ein Video. Selbst wenn man daran zweifelt, dass der Bitcoin sich fürs Mikro- oder Nanopayment eignen wird – wofür es berechtigte Gründe gibt – so wird es in einem wohlentwickelten Ökosystem virtueller Währungen eine Währung geben, die echtes, flüssiges Mikropayment ermöglicht. Und das ist es, was die Content-Industrie dringend benötigt.

Der Online-Handel im Allgemeinen: Tiefere Gebühren, keine Chargebacks, internationale Zahlungen – die Versprechen des Bitcoins sind für jeden Onlinehändler interessant. Neben den Shops trifft dies auf weite Teile der Wirtschaft drumherum zu, etwa die Werbewirtschaft. Es ist lächerlich kompliziert, einen Webhoster dafür zu bezahlen, aus dem fernen Ausland Werbung zu schalten, obwohl die wirtschaftliche Tätigkeit im selben virtuellen Raum stattfindet. Mit Bitcoin werden sich solche Probleme – Sie werden es erraten – in heiße Luft auflösen.

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→ Und wie ist es in Wirklichkeit?

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Und wie ist es in Wirklichkeit?

Ok … die natürliche Userbase des Bitcoins und der virtuellen Währungen ist also groß. Sie übertrifft die gegenwärtige Nutzung um ein Vielfaches. Aber warum wird etwas, das ein natürliches Werkzeug für so viele ist, von so wenigen genutzt? Der wichtigste Grund dürfte sein, dass gegenwärtig die Nachteile oft die Vorteile überwiegen. Eine Beispiele:

Der Verfechter von Privatsphäre: „Was bringt es mir, eine Währung zu benutzen, die zwar relativ privat ist, aber mit der ich nur bei ein paar Shops einkaufen kann?“

Der Goldbug: „Soll ich ernsthaft einer Währung vertrauen, wertstabil zu sein, wenn deren Preis wie verrückt rauf und runter hüpft und wenn selbst ihre größten Fans sagen, sie sei ein Experiment?“

Die Content-Industrie: „Schön, mit dieser digitalen Währung kann man ein Mikropayment einrichten. Aber was haben wir davon, wenn es niemanden gibt, der mit Bitcoins bezahlt?“

DIe Gastarbeiter: „Jaja, lässt sich fast gebührenlos überweisen, super. Aber zuerst muss ich Bitcoins umständlich kaufen und dann muss es meine Familie verkaufen. Da die Märkte in meiner Heimat nicht liquide sind, zahle ich so mehr als bei den Banken.“

Der Bitcoin hat noch einen langen Weg vor sich.

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