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Drittgrößter Mining-Pool zensiert Transaktionen nach US-Sanktionslisten

Bild von oatsy40 via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Wenn die Miner beginnen, Transaktionen abzublocken, wandert die Zensur direkt auf die Base-Layer von Bitcoin. Mit F2Pool wurde erstmals ein Mining-Pool genau dabei erwischt. Wie schlimm ist das – wenn überhaupt? Und woher weiß man eigentlich, was ein Pool nicht gemacht hat?

F2Pool, dem drittgrößten Bitcoin-Mining Pool, wurde letztens vorgeworfen, Transaktionen zu zensieren, die von einer Adresse ausgehen, die das US-Finanzministerium in seine Liste von Finanzsanktionen aufgenommen hatte.

Wie zu erwarten, sorgte das für Entsetzen in der Community. Schließlich ist es eine der wesentlichen Eigenschaften von Bitcoin, sich Zensur zu widersetzen. Zwar zensieren Mittelsmänner wie Börsen schon lange und das stößt auch auf ein relativ weites Verständnis. Doch wenn die Miner damit beginnen, wandert die Zensur auf die grundlegende Schicht von Bitcoin. Sie droht, total zu werden.

Ist es also Zeit, Alarm zu schlagen? Sägt F2Pool an einer tragenden Säule von Bitcoin?

Wenn Transaktionen in den Blöcken fehlen

Entdeckt wurde die Zensur von 0xB10C, ein Bitcoin-Entwickler aus der Schweiz, der die Webseite „Miningpool.Observer“ betreibt. Die Methode ist interessant:

Die Webseite führt eine Liste von „fehlenden Transaktionen“. Dazu simuliert sie den nächsten Block mit dem eigenen Knoten auf Basis des Standard-Algorithmus von Bitcoin Core, der Transaktionen üblicherweise nach Gebühren sortiert, und gleicht die tatsächlichen Blöcke damit ab. Wenn Transaktionen fehlen, die eigentlich im Block enthalten sein sollten, muss dies einen Grund haben.

Zensur ist dabei nicht der einzige mögliche Grund. In der Regel fehlen Transaktionen aus anderen, harmloseren Gründen. Manche Miner bevorzugen eigene Transaktionen oder empfangen manche Transaktionen zu spät, um die Vorlage für den nächsten Block anzupassen. Daher muss es keine Zensur sein, selbst wenn eine sanktionierte Adresse betroffen ist.

So hat 0xB10C im September und Oktober mehrere solche fehlenden Transaktionen entdeckt. ViaBTC ignorierte Ende September eine Transaktion von der Adresse 1ECeZBxCVJ8Wm2JSN3Cyc6rge2gnvD3W5K, und Foundry Ende Oktober eine von 3PKiHs4GY4rFg8dpppNVPXGPqMX6K2cBML. Beide Adressen stehen auf den OFAC-Sanktionslisten der USA. Die erste gehört einer russischen Börse, die Ransomware-Einnahmen gewechelt hat, die zweite einem Chinesen, der Fentanyl in die USA schmuggelte. Allerdings gibt es in beiden Fällen plausible Erklärungen: ViaBTC hat die Transaktion mit zahlreichen weiteren gegen bevorzugte Transaktionen ersetzt, bei Foundry war die Transaktion ganz frisch im Mempool, etwa 30 Sekunden.

Interessanter wird die Situation bei F2Pool. Der Mining-Pool fiel mit vier Blöcken zwischen dem fünften und 22. Oktober auf, in denen Transaktionen fehlten, die versuchten, Bitcoins von der Adresse des chinesischen Drogenschmugglers auszugeben. Zwar sind die Transaktionen auch bei moderaten Gebühren relativ groß. Doch da F2Pool in denselben Blöcken vergleichbare Transaktionen bestätigt hat, ist die Schlussfolgerung plausibel, „dass F2Pool derzeit Transaktionen filtert.“ Unklar sei aber, so 0xB10C, ob der Pool lediglich die eine Adresse blockiere, oder die OFAC-Sanktionslisten im generellen umsetze.

Individuum und System

F2Pool-Gründer Wang Chun hat kurz darauf angeblich getweetet, dass man fortan den Transaktions-Filter deaktivieren werde, bis die Community einen Konsens zu diesem Thema findet. Er gab also offiziell zu, dass F2Pool Transaktionen zensiert.

Kurz darauf hat er den Tweet gelöscht, vermutlich deswegen, und stattdessen die Schuld vom Pool auf das System abgewälzt: Ein zensurresistentes System müsse so aufgebaut sein, „dass es Zensur auf dem Protokoll-Level widersteht, anstatt darauf zu vertrauten, dass jeder Akteur gewissenhaft handelt und Zensur unterlässt.“ Das Internet-Protokoll TCP/IP sei daran gescheitert. Bitcoin solle davon lernen.

Tatsächlich ist der Schritt von einem zensurresistenten zu einem zensierten Netzwerk nicht so weit, wenn man über die Akteure geht. Die beiden vor F2Pool größten Pools, Antpool und Foundry, verifizieren schon heute die Identität ihrer Miner. Man braucht nicht allzu viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass sie über kurz oder lang, ob freiwillig oder unfreiwillig, beginnen, ebenfalls Finanzsanktionen umzusetzen. Zusammen mit F2Pool hätten sie schon fast 70 Prozent der Hashrate.

Im Grunde lässt sich dagegen zunächst nichts sagen. Die Pools machen nur, wozu sie das Recht haben. Es ist nicht „das Netzwerk“, das die Transaktionen von Fentanyl-Schmuggler, Ransomware-Hackern und anderen Verbrechern bestätigt, sondern die Betreiber der Pools. Warum sollten sie sich nicht weigern, wenn sie die Option haben? Transaktionen NICHT zu bestätigen bedeutet lediglich, dass ein Miner die Rechte wahrnimmt, die ihm das System gibt. Es wäre an sich eine ethische Entscheidung, keine Kriminellen zu bedienen.

Gleichzeitig kann man aber auch argumentieren, dass sich Pools aus ethischen Gründen dafür entscheiden, diese kriminellen Transaktionen zu bestätigen. Denn die Zensurresistenz von Bitcoin ist ein größeres Gut als die einzelnen kriminellen Zahlungen ein Übel sind; ein Miner, der Sanktionen umsetzt, mag im Einzelfall ethisch richtig handeln, nicht aber aus der Vogelperspektive des Systems.

Solange nur einzelne Miner zensieren, ist die Situation harmlos, da keine echte Zensur stattfindet. Die Transaktionen der russischen Börse und des chinesischen Drogenschmugglers wurden ja trotz allem zügig bestätigt. Sie haben vermutlich noch nicht einmal mitbekommen, dass F2Pool sie zensiert hat. Die einen Miner entscheiden sich dafür, die Sanktionen zu übernehmen, die anderen dagegen. Jeder macht also Gebrauch von seinem Recht, souverän zu wählen, welche Transaktionen in einen Block kommen.

Selbst dann, wenn 90 Prozent der Miner zensieren, werden die Transaktionen von sanktionierten Akteuren durchgehen. Es wird dauern – eventuell auch mehrere Stunden – aber die Zahlung wird irgendwann bestätigt werden. Und auch dann, wenn 100 Prozent der Miner eine Transaktion ablehnen, reicht es, wenn irgendwann in Zukunft ein einzelner Miner sie bestätigt. Die Zensurresistenz von Bitcoin hängt also eben nicht vom Verhalten der einzelnen Akteure ab. Bitcoin bleibt vollkommen unberührt davon, dass einzelne Pools die OFAC-Sanktionen umsetzen, egal wie viele.

Allerdings gibt es ein Szenario einer „harten“ Zensur. Dazu müssten die Pools noch einen Schritt weitergehen: Sie müssten sich nicht nur weigern, bestimmte Transaktionen zu bestätigen – sondern aktiv andere Blöcke zurückweisen, die Outputs von sanktionierten Adresse enthalten.

Eine solche harte Zensur dürfte in naher Zukunft nicht zu erwarten sein. Doch langfristig ist sie durchaus denkbar, und Bitcoiner sollten das zumindest wissen.

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