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Der Bitcoin fordert die staatliche Kontrolle des Geldes heraus. Er ist kein unartiges Kind, sondern falsch geboren.

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China: Einige Tage vor dem Ablauf eines weiteren Ultimatums der Chinesischen Volksbank (PBOC) haben die fünf größten Bitcoin-Börsen gemeinsam die Initiative ergriffen: Sie haben angekündigt, sich selbst zu regulieren und eine Liste mit Maßnahmen präsentiert. Wird sie das retten können? Weiwu Zhang ist nicht sehr optimistisch. Er erklärt, was bisher passiert ist, was das für die aktuelle Situation bedeutet – und warum er meint, dass die Börsen die PBOC falsch verstanden haben.

In sehr alter Zeit marschierte das Reich Qi in das Land Lu ein. Qi war das mächtigste Königreich Chinas, und Lu war klein. Aber Lu hatte einen General, der dazu bestimmt war, zur Legende zu werden. General Wuqi war ein eifriger Schüler des Konfuzius und ein Meister der Kriegskunst, der zweite nach Sunbin, dem Autor von „Die Kunst des Krieges“. Doch der König von Lu zweifelte an der Loyalität seines Generals, da dessen Ehefrau in Qi geboren war. Also erschlug Wuqi seine Frau und servierte ihren Kopf auf einem Teller. So durfte der General die Armee von Lu aufs Schlachtfeld führen, wo er einen glorreichen Sieg gegen das übermächtige Qi errang. Danach wurde er ins Exil geschickt.

von Zhang Weiwu

Anfang Mai 2014 haben die fünf führenden Bitcoin-Börsen – OKCoin, Huobi, CHBTC, BTCChina und BtcTrade – bekanntgegeben, dass sie sich selbst regulieren werden. Sie wollen

Das ist seltsam. Denn von Börsen wird nicht erwartet, dass sie sich selbst regulieren – sie werden reguliert. Selbstregulierung verletzt das Prinzip der „Checks and Balances“. Also habe ich HUA Songxiu, den Geschäftsführer von CHBTC, angerufen und gefragt, ob er und die anderen Börsen einen Befehl von der PBOC bekommen haben. Er antwortete: „Wir handeln so, wie wir denken, dass es am besten ist. Wir haben keine Information von der PBOC.“ Dann habe ich XU Yiji angerufen. Der Leiter des Beijing 2014 Bitcoin Global Summit hatte die fünf Börsen gebeten, dem Gipfeltreffen fernzubleiben. Auch er sagte: „Wir haben nichts von der PBOC gehört. Es ist ein freiwilliger Zug.“ So, wie General Wuqi seine Frau erschlagen hat, ohne dass es ihm befohlen worden war.

Es heißt, die Welt sei eine Bühne. Wenn man in China lebt, sitzt man in der ersten Reihe. Die Dinge ändern sich schnell, und oft kann man nur raten, was in Wahrheit passiert. Ende des letzten Jahres sah es noch so aus, als sei der Markt der Bitcoin-Börsen eines der für unser Land typischen Überlebensspiele: Gebühren von 0 Prozent wurden zur Norm, was bedeutet, dass das Spiel einen Gewinner hervorbringt, der alles bekommt. Das ist schon oft passiert. Am bekanntesten ist Alibaba, das Ebay mit der 0-Prozent-Politik aus China vertrieben hat. Also haben wir erwartet, dass der Sieger des Surviver-Games zur größten Bitcoin-Börse der Welt werden wird.

Nun wird aber klar, dass die Politik das Spiel verdirbt. Am 10. Mai endet wieder ein Ultimatum der Chinesischen Volksbank (People’s Bank of China, PBOC). Der Vorschlag der Selbstregulierung der fünf großen Börsen erscheint mir wie ein Akt der Verzweiflung und, vielleicht noch wichtiger, wie ein fatales Missverständnis des Willens ihres Herrn.

Schauen wir uns etwa das folgende Versprechen der Börsen an:

„Wir werden den Behörden regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen und Risiken Bericht erstatten.“

Das ist sowohl lustig als auch interessant, denn: Welche Behörde ist gemeint? Zuständig wäre eigentlich die China Banking Regulatory Commission (CBRC), eine frühere Abteilung der PBOC, die sowohl die Aufgabe als auch die Kompetenz hat, Geschäfte wie Bitcoin-Börsen zu regulieren. Die CBRC hat den Bitcoin bisher jedoch ignoriert. Sie wurde nicht beauftragt, die Bankkonten von Bitcoin-Börsen zu schließen, obwohl diese Aufgabe in ihren Bereich fallen sollte. Stattdessen kamen die Anweisungen bisher immer direkt von der PBOC, also von ganz oben. Wollen die Börsen nun also der PBOC direkt Bericht erstatten? Dafür sind sie zu klein und die PBOC zu groß.

Die Wahrheit ist, dass der Herr niemals gesagt hat, er wolle „regulieren“, auch wenn der Wunsch es gerne in die Befehle hineininterpretiert. Die Börsen haben sich einen Phantasie-Herren ausgedacht, dem man berichten kann. Tatsächlich hat die PBOC aber die klare Ansage geliefert, dass sie den Bitcoin aus dem Bild haben wollen. Ich habe die Botschaft in Wahrheit, Gerüchte und Gehorsam zum ersten Mal entziffert und in „Es ist kein Spiel der Überlebenden, sondern der Verlierer“ nochmal erklärt.

→ Warum wird Yiya berühmt und Wuqi verbannt?

Warum wird Yiya berühmt und Wuqi verbannt?

Leser, die mit der chinesischen Kultur vertraut sind, wissen, dass die Leute oft nach dem Willen des Herren handeln, ohne einen Befehl zu benötigen – manchmal ist es eine Angelegenheit von Leben und Tod. Indem sie sich selbst regulieren, wollen die Börsen dem Willen des Herrn folgen. Aber – wird es funktionieren? Werden die Börsen begnadigt und wird ihnen gestattet werden zu leben? Um die Frage zu beantworten, müssen wir ins chinesische Denken eintauchen.

Wir haben schon von dem Krieg zwischen Qi und Lu gesprochen. Im antiken China war Qi lange Zeit das mächtigste Reich. Es hatte einst einen König, der ein Gourmet war. Um ihm zu dienen, servierte Yiya, der Koch des Hofes, seinem Herrn den eigenen Sohn. Gedämpft, wie Han Feizi berichtet. Yiya wurde dadurch zu einem von drei hohen Beamten am Hof. Der zweite hohe Beamte hatte seine Familie verlassen, um dem König zu dienen, und der dritte hatte sich kastriert, um seine Loyalität zu beweisen. Keinem von ihnen wurde das Opfer befohlen.

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300 Jahre später griff Qi das Reich Lu an und General Wuqi wurde zur Legende. Ist es nicht seltsam? Warum wurde Yiya, der Koch des Königs von Qi, berühmt und mächtig, nachdem er seinen Sohn ermordet hatte, während General Wuqi verbannt wurde, nachdem er seine Frau getötet hatte?

Die Antwort ist einfach: Yiya war ein ein Landsmann, während Wuqi in einem anderen, noch kleineren Land geboren wurde. Der Unterschied ist, ob du einer von uns bist oder nicht. Hollywood würde die Geschichte so erzählen: Ein Mann hält eine rauchende Knarre in der Hand und sagt: „Danke, dass du meine Eier geleckt hast, aber sorry, du gehörst nicht zu uns.“

Die Geschichten haben eine schlichte Moral: Nach den Vorlieben des Herrn zu handeln, ohne einen Befehl bekommen zu haben, ist eine gute Strategie, aber ob sie aufgeht, hängt davon ab, wer du bist. Einer von uns, oder ein Ausländer? Ein unartiges Kind, das zu erziehen ist – oder ein Feind des Staates?

Das, was Frau oder Sohn für Yiya und Wuqi waren, sind Margin Trading und High Frequency Trading für die Börsen. Sie zu entfernen schadet, wie die anderen Maßnahmen der Selbstregulierung, dem Geschäft. Ob es den Börsen hilft, hängt davon ab, wer sie sind: Nur eine kleine Störung unserer Harmonie, eine kleine Dirne, die unserem Herrn nicht die Mühe wert ist, sie zu zähmen – oder die Feinde der Regierung?

Die Antwort macht einen großen Unterschied. Im ersten Fall sind alle Tricks möglich: reguliere dich selbst, opfere Sohn und Frau, und der Herr wird dich beurteilen und vielleicht begnadigen. Im zweiten Fall möchte der Herr einfach nur, dass du gehst. Aus dem Markt, aus dem Land.

→ Was will der Herr wirklich?

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Es geht gleich weiter: Dieser Text wurde von unserem chinesischen Gastautor geschrieben. Er wurde redigiert und übersetzt. Wenn Sie es genießen, ihn zu lesen, dann bitte ich Sie, sich einige Sekunden Zeit zu nehmen, um Ihre Wallet zu öffnen, die unten stehende Adresse zu kopieren und einen Betrag zu spenden, von dem Sie meinen, er sei angemessen. Sie können sich am Ende des Artikels entscheiden, ob Sie den Betrag senden.

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→ Was will der Herr wirklich?

Was will der Herr wirklich?

Im Oktober 2013, als der Bitcoin noch weniger als 200 Dollar wert war, habe ich die kommende Blase vorhergesagt – wie auch die Einstellung unserer Regierung:

„In China haben wir eine extrem zentralisierte Macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die chinesische Regierung den Bitcoin auf dem Markt erlaubt, wenn er ihre Aufmerksamkeit erregt, ist so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Regierung Schulden in Bitcoin aufnimmt.“

Es war zu erwarten, dass die Reaktion der Regierungsorgane nicht wohlgesonnen ausfällt. Auch die Börsen haben damit gerechnet. FxBTC, eine der ersten und nun geschlossenen Bitcoin-Börsen in China, operierte ohne einen Firmennamen oder eine Adresse oder Telephonnummer zu nennen. Ich habe sie im vergangenen Jahr angeschrieben und nach Informationen gefragt, und sie haben geantwortet: „Du fragst nicht, wir antworten nicht. Wenn du uns vertraust, können wir Geschäfte machen. Du weißt, was ich meine.“ Auch die anderen Börsen sind vorsichtig. BtcTrade, eine der fünf großen Börsen, war etwa in Kanada registriert.

Gegen Ende Oktober 2013 setzte sich jedoch die Gier gegen die Furcht durch. Die Börsen krochen aus dem Schatten, um sich mit Venture Kapital zu versorgen. Der Star war BTCChina.

Wird die Regierung Bitcoin für den Staatsfeind halten oder für das unartige Kind, das zu erziehen ist? BTCChina hat auf das zweite gesetzt. Sie haben die Risiken abgewogen und zwei Dinge getan:

1. BTCChina hat bereits im Dezember Vorschläge für eine Selbstregulierung präsentiert und versucht, Gespräche mit den Behörden zu führen.

2. In einem präventiven Zug hat BTCChina versucht, eigenhändig die Marktfluktuation zu beeinflussen, also den Markt zu zähmen. Ihre Maßnahme war es, Liquiditätsrabatte einzuführen.

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Liquiditätsrabatte sind eine Maßnahme, um unkontrollierte Preissteigerungen auf dem Wertpapiermarkt zu verhindern. Sie helfen, überschäumenden Blasenbildungen zu vermeiden. Jedesmal, wenn ein Objekt gehandelt wird, wird es teurer, da es eine Gebühr gibt. Dies schafft einen Druck auf den Preis, zu steigen, und je häufiger gehandelt wird, umso höher steigt der Preis. BTCChina entschied sich, Gebühren von Händlern zu erheben, die Preis-Fluktuationen durch Market-Order erzeugt haben, und diese Gebühren an Händler weiterzugeben, die den Preis halten durch Limit Order. Diese Methode wird Liquiditätsrabatt genannt und sie funktioniert.

BTCChina macht mit dem neuen Feature keinen Profit. Jeder Yuan, der bezahlt wird, geht an einen anderen Trader. Die Methode erwies sich allerdings als zu kompliziert für die meisten Trader, weshalb sie als Versuch angesehen wurde, Geld von den Usern zu kassieren. BTCChina verlor rasch Marktanteile an Huobi, die „Feuercoin-Börse“, die fast augenblicklich „Null Gebühren für immer“ ankündigte und zur größten Börse der Welt wurde. Fairerweise muss man sagen, dass BTCChina, in der Absicht, die Gunst des Herrn zu gewinnen, soweit gegangen ist, die Marktführerschaft abzugeben – sie wurde auf dem Teller präsentiert. Wegen des Wettbewerbs kann eine einzelne Börse den Markt jedoch nicht beruhigen. Aber können es alle, wenn sie sich zusammenschließen?

Das ist der Hintergrund der Ankündigung der Selbstregulierung der fünf großen Börsen. Wenn der Herr Harmonie will, soll er sie bekommen. Können wir nun leben?

Wenn unser Herr wollte, dass ein Markt beruhigt und reguliert wird, dann würde er es sagen. Er hätte es jederzeit in den vergangenen vier Monaten verlangen können, aber er hat geschwiegen und BTCChinas Versuch, den Markt zu zähmen, ignoriert. Wenn man gründliche die Berichte liest, wird man erkennen, dass die PBOC niemals von Regulierung gesprochen hat. Ja, anstatt, wie es üblich ist, die CBRC anzuweisen, die Bankkonten der Börsen zu schließen – diese Kommission ist für solche Aufgaben zuständig – hat die PBOC selbst den direkten Befehl dazu gegeben. Das bedeutet: Er ist final, da er von der höchsten Ebene kommt. Irgendjemand weit oben in der Hierarchie will nicht, dass der Bitcoin existiert.

Der Erfolg des Tricks, den Willen des Herrn zu erkennen, hängt davon ab, wer du bist. Der Bitcoin basiert auf der Idee der Dezentralität. Er fordert die staatliche Kontrolle von Geld heraus. Das macht ihn nicht zu einem unartigen, sondern zu einem falsch geborenen Kind.

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Zhang Weiwu ist ein chinesischer IT-Unternehmer, der seit zehn Jahren mit deutschen Unternehmen handelt und sich seit zwei Jahren mit dem Bitcoin beschäftig. Die virtuelle Währung ist für ihn die größte Erfindung dieser Dekade. Er sucht aktiv nach Gelegenheiten und Partnern für Bitcoin-Geschäfte. Er ist über linkedin zu erreichen.

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