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IOTA, die Kryptowährung für Maschinen: eine Blockchain ohne Blöcke

Sieht aus wie ein Bug: eine Drohne für das Internet der Dinge. Ob IOTA wirklich die Währung dafür wird? Bild: Drones von Jason Cipriani via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

IOTA-Token, die Kryptowährung für Maschinen, gilt derzeit als einer der spannendsten Altcoins. Wir haben bei Co-Founder Dominik Schiener nachgefragt, wie die angeblich vollständig skalierbare Kryptowährung funktioniert.

Autonome Maschinen, die sich gegenseitig bezahlen: Das ist die Vision, für die Dominik Schierer vor gut einer Woche nach Berlin gezogen ist. Der 20-Jährige hat, sobald er seine Matura gemacht hat, das beschauliche Südtiroler 800-Seelen-Bergdorf, in dem er aufgewachsen ist, verlassen, um in der Start-Up-Metropole sein Blockchain-Projekt zu verwirklichen.

Anders als viele Glücksritter, die nach Berlin ziehen, hat Dominik bereits ein Team und ein Projekt, das bei Investoren und Industrie gut ankommt. Gemeinsam mit dem Norweger David Sønstebø sowie den Entwicklern Serguei Popov und Come-from-Beyond hat Dominik die Kryptowährung IOTA entwickelt. IOTA soll “das Rückgrat einer autonomen Ökonomie der Maschinen” sein, so die Webseite.

Dominik stellt IOTA auf einer Konferenz vor

Um eine perfekte – eine schnelle, beliebig skalierbare – Kryptowährung für die Maschinen-Wirtschaft zu entwickeln, haben Dominik und das Team für IOTA die Blockchain durch einen “Tangle Ledger” ersetzt. Ende vergangenes Jahr wurden die IOTA-Token vorverkauft, womit das Team rund 500.000 Dollar eingenommen hat. Heute, gut ein halbes Jahr später, hat sich der Wert der Token, der bislang nur inoffiziell gehandelt wird, auf mehr als 15 Millionen Dollar vervielfacht. Die Idee und Technologie von IOTA scheint gut anzukommen.

“Wir sind seit Ethereum das innovativste Altcoin-Projekt”, erklärt Dominik selbstbewusst, “es gibt schon viele große Unternehmen, die sich für unser Produkt interessieren.” Um zu verstehen, was das alles soll, müssen wir ein Stück ausholen. Nämlich zum Internet-der-Dinge und dem Grund, weshalb Bitcoin dafür nicht die perfekte Währung ist.

Autonome Maschinen bezahlen autonome Maschinen

Also: M2M – Machine-to-Machine – Payment. Wozu brauchen wir das? Zunächst haben wir das Internet-of-Things, dieser riesige Innovationsstrom, der seit ein paar Jahren gehypt wird. Alle Maschinen sollen miteinander reden: Die Kaffeemaschine mit dem Wecker, die Solaranlage mit dem Wolkensensor, das Auto mit dem Parkhaus und all die Maschinen in den industriellen Produktionsketten sowieso, vom Steinbrecher zur Verpackungsanlage.

Wer weiß – vielleicht spielt der Kaffee am Morgen eine große Rolle bei der Vermassenmarktung der Internet of Things? Bild: Get Ready For Blogging, von Ricardo Bernardo via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Nun kommt das Geld ins Spiel: Wie wäre es, wenn Maschinen andere Maschinen dafür bezahlen, dass sie etwas tun? Wenn das Auto einen Parkplatzsensor dafür bezahlt, ihm zu erzählen, wieviele Parkplätze frei sind? Eine Solaranlage Daten von einem Wettersensor kauft? Ein Kühlschrank Milch bestellt? Sich die Maschinen entlang einer Produktionskette selbst bezahlen? Die Vorteile liegen auf der Hand.

Um solche Bezahlungen vorzunehmen, haben wir zwei Modelle. Das eine ist, dass wie bisher die Besitzer der Maschinen per Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen, vermutlich kumuliert und am Ende des Monats, und die Maschinen lediglich Buch führen. Das Modell hat den Vorteil, dass es schon heute möglich ist, aber es hat etliche Nachteile: Man braucht Mittelsmänner, die teuer und womöglich nicht kompatibel sind, so dass sich die Landschaft des M2M-Payments zersplittert, und dein Auto nicht bei meinem Parkhaus bezahlen kann. Außerdem – und schlimmer: es gibt die Gefahr, dass einen ein Error oder Bug in Schulden stürzt, weil beispielsweise der Kühlschrank meint, er müsse 100 Kilogramm des allerfeinsten Serano-Schinkens bestellen, oder die Waschmaschine bei der Solaranlage so viel Strom bestellt, dass die Sicherung durchbrennt und das ganze Haus abfackelt.

Besser wäre daher das zweite Model: Dass Maschinen selbst Geld verwahren und damit bezahlen. Dadurch verschwinden nicht nur die erwähnten Probleme – es eröffnet sich auch eine schwindelerregende Möglichkeit: Dass Maschinen, die überhaupt keinen Besitzer haben, mit anderen Maschinen oder auch mit Menschen Geschäfte machen.

Selbstfahrend, selbstbezahlend, selbstverwaltet – das Auo der Zukunft? Bild: Le auto a guida autonoma: the Driverless Cars, von Automobile Italia via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Man muss kurz durchatmen, um sich das vorzustellen. Maschinen, die niemandem gehören, aber bezahlen können. Ein Auto, das selbst für seinen Parkplatz zahlt, eine Drohne, die freiberuflich Packete versendet (oder Schutzgeld eintreibt), eine Straßenlaterne, die nur dann leuchtet, wenn sie jemand bezahlt, eine Bohrmaschine, die sich selbst vermietet …

Gruselig, aber auch faszinierend.

Bitcoin ist kein perfektes Geld für Maschinen

Das Problem mit dem M2M-Payment ist nun, wie schon Markus Weinberger von Bosch angemerkt hat, dass ein Parkplatzsensor keine Bankkonte bekommt. Für Bosch ist das der Grund, weshalb Kryptowährungen interessant sind.

Könnten Maschinen also einfach mit Bitcoins bezahlen? An sich ja – und zum Teil machen sie das auch schon – aber wenn wir eines aus der endlos langen Blocksize-Debatte gelernt haben, dann, dass das auf Dauer nicht gutgehen wird. Es wird Milliarden von Maschinen geben, die miteinander kommunizieren und Daten tauschen – Schätzungen gehen von 50 Milliarden aus – und sollte wirklich ein solcher M2M-Markt entstehen, dann brauchen wir ein Payment-System, das winzige Transaktionen in riesiger Menge und in Echtzeit prozessieren kann. Es muss günstig oder umsonst sein, schnell und beliebig skalierbar – also genau das, was Bitcoin nach Ansicht von Experten nicht ist.

IOTA hingegen, meint Dominik, kann all das leisten. Denn IOTA ist eine Kryptowährung ohne Blockchain, oder, anders ausgedrückt, eine Blockchain ohne Blöcke und ohne Kette.

Der Tangle

Die Idee für IOTA geht eigentlich auf ein Startup von David zurück. Der Norweger wollte Microprozessoren für das Internet-der-Dinge zu entwickeln, hat dabei aber realisiert, dass man ein M2M-Payment system braucht. Und weil das mit den verfügbaren Technologien nicht möglich ist, haben er und sein Team eine neue Kryptowährung entwickelt.

“Wenn man sich heute eine Blockchain anschaut, ist das ein einziger chronologischer Strang, der Block auf Block setzt. Das hat Beschränkungen, etwa das 10 Minuten Interwall bei Bitcoin. Was IOTA nun macht, ist, dass es anstatt einen Strang viele Stränge benutzr,” erklärt Dominik.

Visualisierung des Tangle genannten Transaktionsgraphen.

Es gibt bei IOTA weder Miner noch Blocks, sondern nur Transaktionen. “Die Transaktionen sind miteinander verbunden, und jeder, der eine Transaktion absendet, nimmt am Konsens teil. Wenn du eine neue Transaktion bildest, musst du zwei vorhergegangene Transaktionen verifizieren. Du musst also prüfen, ob der Account gedeckt, es keine widersprechende Transaktionen gibt und ob und die Signatur korrekt ist.”

Dieser Tangle – die Datenbank sich selbst verifizierender Transaktionen – wächst ebenso wie die Blockchain prinzipiell endlos weiter. “Es gibt aber die Möglichkeit, einen Snapshot zu machen, ab einem bestimmten Zeitpunkt, so dass man nicht die ganze Transaktionsgeschichte aufzeichnen muss. Anders als bei Bitcoin gibt es keine UTXO (Unspent outputs), sondern Accounts, wodurch der Snapshot weniger groß ist.”

Double Spends

Wer sich ein Weilchen mit Bitcoins beschäftigt hat, weiß aber, dass es gar nicht der Sinn des Minings ist, Transaktionen zu prüfen. Vielmehr verhindern die Miner, dass jemand das dezentrale Netz mit einer Sybill-Attack kapert – etwa indem er tausende von Nodes aufsetzt – und Double-Spends ausführt oder Transaktionen blockt. Wie verteidigt sich IOTA gegen solche Angriffe?

“Ein Double-Spend ist bei IOTA nicht unmöglich, aber probabilistisch abhängig von der Aktivität des Netzwerks,” räumt Dominik ein, “nehmen wir an, du veröffentlichst zwei sich widersprechende Transaktionen. Dazu musst du in der Lage sein, deine eigene Transaktion zu finden und zu verifizieren, was viel Rechenkraft und Glück erfordert.”

Denn der Tangle funktioniert so, dass ein Algorithmus auf Zufallsbasis entscheidet, welche zwei vorhergegangenen Transaktionen man verifizieren muss, um eine neue Transaktion abzusenden. Wenn man nun seine eigenen – doublespendenden – Transaktionen als erstes finden will, braucht man entweder sehr viel Glück oder sehr viele Versuche. Da jeder Versuch ein kleines Proof-of-Work – die Lösung für ein kryptographisches Rätsel – verlangt, braucht das eine Menge Rechenleistung.

Die Hypothese, auf der IOTA aufbaut, ist, dass sich das System selbst reguliert. Je mehr Teilnehmer es nutzen, desto schwieriger ist ein Double-Spent. Bei zehn bis hundert Knoten ist er relativ einfach, bei 50 Milliarden teilnehmenden Maschinen unmöglich.

Mehr als Geld – DAS Protokoll für Maschinen

Im Prinzip könnte man hoffen, dass das, was IOTA vorhat, auch mit dem Lightning Netzwerk – und damit mit Bitcoin – funktionieren wird. Das wäre einigermaßen praktisch, da man so schon eine relativ verbreitete Währung mit einem relativ stabilen Wert hat.

Allerdings ist es zum einen unklar, ob dies wirklich mit Lightning funktionieren wird, und zum anderen würden damit alle über Geld hinausgehenden Anwendungen ausscheiden. All diese Ideen also, über eine Blockchain auch Informationen zu speichern, zu versenden, zu verarbeiten und zu bestätigen, wie sie unter dem großen Stichwort “Blockchain-Technologie” kursieren.

“Unsere Vision ist es, die Machine Economy zu verwirklichen,” schwärmt Dominik, “das große Problem mit dem Internet-of-Things ist es, dass die Maschinen oft andere Sprachen sprechen, weil die Protokolle nicht kompatibel sind. IOTA soll das Protokoll der Machine Economy werden. Man kann über den Tangle nicht nur Geld versenden, sondern auch Daten. Etwa von einem Sensor, oder auch Smart Contracts wie bei Ethereum.”

Geht es nach Dominik, soll IOTA zum zentralen, aber nicht einzigen Protokoll für Maschinen werden. “Wir planen, dass IOTA auch mit Ethereum und Bitcoin-Schichten wie Rootstock kompatibel ist. Daran arbeiten wir aber gerade noch.”

Zu tun gibt es für das mittlerweile auf 6 Köpfe angewachsene Team von IOTA noch einiges. Am Montag, dem 11. Juli, gab es aber einen ersten Grund zu feiern: Das Mainnet von IOTA geht live. Damit können die ersten, echten Transaktionen versendet werden. Ende des Monats werden dann die IOTA-Token für den börslichen Handel freigegeben. Man wird sehen, wie der Preis darauf reagiert.

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