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Fällt die nächste Bitcoin-Rally wegen der Derivate aus?

Zero Rally 2011. Foto: Eirik Helland Urke via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die Spekulation auf Bitcoin läuft mehr und mehr über Derivate wie Futures und Optionen. Einer Expertin zufolge könnte dies einen Einfluss auf den Preis haben, der den meisten Bitcoin-Investoren nicht besonders gut schmecken wird.

Meltem Demirors investiert mit CoinShares in das Krypto-Ökosystem und hat lange Zeit eng mit Barry Silbert von der Digital Currency Group zusammengearbeitet. Die Meinung der Investorin dürfte in der Szene etwas zählen. Wenn sie also wie an Weihnachten eine eher pessimistische Tweetserie absetzt, sollte man zuhören – vor allem, wenn sie dabei auf eine interessante Marktmechanik hinweist, die viele nicht auf dem Schirm haben werden.

So meint Meltem, dass es die „sehr reale Möglichkeit“ gebe, dass „der Preis von Bitcoin nach dem Halving nicht ansteigt.“ Der Grund sei, dass es zum ersten Mal überhaupt „einen robusten Markt für Bitcoin-Derivate (Futures, Optionen)“ gebe. Die meisten Unternehmen, die auf Bitcoin spekulieren, „werden Derivate handeln, nicht das unterliegende“ Asset.

Tatsächlich hat sich im Lauf der vergangenen zwei Jahre etwas geändert. Bisher musste jemand, der in Bitcoins investiert, auch Bitcoins kaufen. Auf einer Börse, einem Marktplatz, oder direkt im außerbörslichen Handel. Investment-Papiere, die auf Bitcoin laufen, etwa der XBT Tracker oder die BTC-Anteile bei Second Markets, wurden zu 100 Prozent durch Bitcoins gedeckt. Die Nachfrage nach der Spekulation auf Bitcoin wird direkt zur Nachfrage nach Bitcoins und stützt damit den Kurs.

Nun gibt es aber mehr und mehr Produkte, die allenfalls indirekt etwas mit Bitcoin zu tun haben. So werden auf den Chicagoer Börsen CME und CBOE Bitcoin-Futures gehandelt, die in „Cash“ ausgezahlt werden: die Trader kaufen die Futures mit Dollar, und die Gewinne oder Verluste werden in Dollar ausgezahlt. Bitcoins kommen darin nicht direkt vor, wenn überhaupt, dann indirekt, weil die Börsen als Herausgeberinnen der Futures womöglich Bitcoins halten, um sich gegen extreme spontane Kursschwankungen abzusichern. Auch die 1-Tages-Futures auf Bakkt, die die Szene so verheißungsvoll als Ersatz für den lange erwarteten, aber bisher noch immer nicht genehmigten ETF herbeigesehnt hat, entpuppen sich als ein solches Asset. Ende November hat Bakkt neben den „physikalisch“ geschlossenen Bitcoin-Futures auch das Settlement durch Cash – also durch Dollar – eingeführt. Laut Tradern läuft bereits der Großteil des Handels auf Bakkt durch diese Produkte.

Auch mehr und mehr Kryptobörsen bieten einen solchen Handel an. Wenn Trader „long“ oder „short“ gehen, kaufen sie nicht direkt Bitcoins, sondern leihen sich von anderen Tradern oder der Börse Dollar, die durch die Assets in ihren Wallets abgedeckt werden und mit denen sie auf den Anstieg oder Fall des Bitcoin-Preises wetten. Sie setzen dafür geliehene Dollar ein und werden, im Falle des Erfolgs, mit Dollar ausgezahlt. Auch hier können Spekulanten auf den Preis von Bitcoin wetten, ohne selbst Bitcoins kaufen zu müssen.

Der Effekt von Derivaten auf Rohstoffe sei, so Meltem Demirors, gut erforscht. Und Bitcoin sei in diesem Zusammenhang wie ein digitaler Rohstoff zu behandeln. „Normalerweise bestimmten die Produzenten eines Rohstoffs dessen Preis. Aber wenn Derivate abheben, verlieren sie dieses Recht.“ Dies mache Derivate zu einem „seltsamen Tier.“ Die Investorin verweist auf das Beispiel Öl, wo die Preisfindung in den vergangenen zwanzig Jahren mehr und mehr von Derivaten dominiert wird, denen immer weniger tatsächliches Öl unterliegt. Der Markt werde von Spekulation getrieben.

Ein solcher Markt für Derivate entwickelt sich nun auch für Bitcoin. Erst waren es BitMEX, dann kam CME dazu. „Nun poppen hunderte von Firmen auf.“ Die Folge wird zwangsläufig die sein, dass der Preis sich von seinem Wert entkoppelt sowie von Angebot und Nachfrage. „Er wird nur ein anderes Stauwasser im großen Spiel der globalen Spekulation. Er wird ‚finanzialisiert‘, und korreliert mit den Makro-Märkten.“

Dass sich die Spekulation vom unterliegenden Rohstoff entkoppelt, ist nicht zwingend schlecht. Bei Lebensmitteln beispielsweise erlaubt dies den Tradern, munter auf Weizen, Gerste, Bananen oder Kaffee zu spekulieren, ohne dass sie dabei eine Teuerung von Lebensmittelpreisen auslösen oder die Preise verfallen lassen. Weniger hübsch ist das aber, wenn es um einen digitalen Rohstoff wie Bitcoin geht, bei dem die Spekulation einer der häufigsten Anwendungen ist. Wenn hier die Spekulanten nicht länger Bitcoins brauchen, um Bitcoin in dieser Weise zu benutzen, dann könnte es tatsächlich so kommen, wie Meltem Demirors voraussagt: dass die Wall Street und die etablierten Finanzinstitutionen zwar ihr Portfolio mit Bitcoin anreichern – aber dass dies keinen bzw. nur einen minimalen Einfluss auf die Nachfrage nach Bitcoins haben wird.

Allerdings ist noch nichts in Stein gemeisselt. Zum einen ist die Frage noch offen, wie groß der indirekte Anteil Bitcoin hinter den Cash-Spekulationen ist. Die Herausgeber der Futures und Optionen werden vermutlich große Mengen Bitcoins halten, weil dies die sicherste Methode ist, ihre Verpflichtungen ohne Verluste zu erfüllen. Zum anderen ist Spekulation längst nicht die einzige Nutzung von Bitcoin. Wenn die Spekulation sich nun von der Nachfrage nach den digitalen Münzen löst, bedeutet das, dass der Preis wieder mehr von der echten Nutzung als Zahlungsmittel oder privat verwahrte Wertanlage abhängt. Und das könnte auch eine gute Nachricht sein – wenn auch vielleicht nicht für Spekulanten.

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