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Pragmatiker und Idealisten

Eine Große Graueule im Winter. Bild von Andy Reago & Chrissy McClarren via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Im dritten und letzten Teil der Auswertung unserer Umfrage analysieren wir mehrere Untergruppen. Welchen Einfluss hat der Grund, warum man sich Bitcoin zuwendet, auf alles andere? Der Effekt ist überraschend stark.

Man soll sich ja das Beste zum Schluss aufheben. Und so, wie erfahrene Snacker bei einem Ferrero Rocher erst die Schale abnagen, um dann die Schokocreme pur zu schlecken, kommen wir bei der Auswertung unserer Umfrage heute zum abschließenden und spannendsten Teil: Wir unterteilen unsere Leser in fünf Subgruppen.

Die Achse, die diese Gruppen definiert, ist die Antwort auf die Frage: Warum Bitcoin?

Insgesamt haben 313 Leser die Frage beantwortet, und mehr als ein Dreiviertel von ihnen hat sich für eine von fünf Optionen entschieden.

Als Tabelle:

Um mein Geld autonom zu speichern 63
Weil ich auf höhere Preise hoffe 63
Weil Bitcoin die Zukunft des Geldes ist 61
Weil mich die Technologie begeistern 34
Um mich vor Inflation zu schützen 24
Aus anderen Gründen 68

Jede dieser Gruppe hat bestimmte Merkmale, sowohl im Verhältnis zu Kryptowährungen als auch zur Politik.

Zugegeben: Manche Gruppen sind so gering, dass ich den Ergebnissen nur bedingt traue. Statistische Ausreisser und der Zufall könnten eine große Rolle spielen. Dies im Hinterkopf führen wir unsere Auswertung fort.

Die Autonomen

Die erste Gruppe sind die „Autonomen“: Diese Bitcoiner nutzen Bitcoin, um ihr Geld autonom zu verwalten. Not your Keys, Not your Coins: Sie wollen Unabhängigkeit und Autonomie, und sie erkennen richtig, dass diese Unabhängigkeit die große Leistung von Bitcoin ist.

Bei manchen Merkmalen ist diese Gruppe schreiend unauffällig: Die Altersverteilung entspricht fast exakt dem Durchschnitt, und auch der Einstieg in Bitcoin folgt dem üblichen Muster, lediglich die Ausschläge sind extremer.

 

Sehr faszinierend ist auch, dass die Zustimmung zu Aussagen zu Bitcoin und Krypto nahezu deckungsgleich ausfällt mit der Gesamtheit. Die Autonomen betreiben lediglich etwas häufiger einen Full Node. Auch die Anzahl der gehaltenen Kryptowährungen liegt mit 4,72 fast perfekt im Schnitt (4,86).

Bei den anderen Fragen schert diese Gruppe aber etwas aus:

  • Mit 64 Prozent haben hier auffällig wenige mit dem Investment Gewinn gemacht.
  • Mit 65 Prozent genießen dagegen überdurchschnittlich viele Mitglieder dieser Gruppe ein hohes Einkommen.
  • Geld macht diese Gruppe jedoch nicht wirklich glücklich. Mit einem Durchschnittswert von 6,9 sind die Autonomen die am wenigsten glückliche Gruppe.

Deutliche Unterschiede finden wir auch in der Politik:

Die Automen wählen seltener die Grünen, aber deutlich häufiger die AFD, FDP und die Piraten.

Bei der Zustimmung zu politischen Aussagen weichen sie tendenziell in die bereits festgestellte „AFD-Richtung“ ab. Allerdings, wie der Vergleich mit dieser Gruppe zeigt, in der Regel deutlich moderater. Beispielsweise finden sie nicht, dass die Nato den Krieg provoziert hat, und wären mit einem Veggi-Tag in der Kantine einverstanden.

Kurz: Die Gruppe der Autonomen entspricht im Alter und ihrer Haltung zu Bitcoin und Krypto fast exakt dem Durchschnitt. Ihre Mitglieder verdienen mehr, sind aber weniger glücklich und haben mit ihrem Investment oft Verlust gemacht. Politisch haben sie eine leichte Neigung nach rechts und zum Liberalismus.

Die Gläubigen

Die zweite hier vorgestellte Gruppe sind die „Gläubigen“: Sie halten Bitcoin für die Zukunft des Geldes. Sie haben mit den Autonomen gemeinsam, dass sie sich aus idealistischen Gründen Bitcoin zuwenden.

In der Altersverteilung zeigt diese Gruppe eine kleine Auffälligkeit: Die ansonsten stärkste Grippe der 41-50-Jährigen ist schwächer, während die 31-40- und die 51-60-jährigen stärker vertreten sind. Der Einsteig in Bitcoin folgt hingegen wieder dem üblichen Muster, teilweise sogar deckungsgleich mit dem Durchschnitt, jedoch mit einer Ballung im Jahr 2021.

 

Anders als bei den Autonomen stoßen wir im Verhältnis zu Bitcoin und Krypto auf einen starken Ausschlag zum Maximalismus. Die Überzeugung, dass Bitcoin die Zukunft des Geldes sei, verträgt sich offenbar schlecht mit anderen Kryptowährungen. Auffällig ist, dass die Gläubigen seltener Full Nodes betreiben als die Autonomen, aber öfter Lightning verwenden.

Interessant wird an der Stelle der Abgleich der Gründe für Bitcoin mit dem Durchschnitt und den Autonomen:

Die Gläubigen weichen stärker vom Durchschnitt ab. Ihnen ist es etwa wichtiger, mit Bitcoin zu bezahlen, während das autonome Verwalten, die Technologie und die Kursgewinne für sie wesentlich weniger Bedeutung genießen. Auffällig ist, dass sowohl die Autonomen als auch die Gläubigen den Inflationsschutz überdurchschnittlich hoch bewerten.

Was Einkommen, Investmenterfolg und Glück betrifft, liegen die Gläubigen deutlich näher am Durchschnitt als die Autonomen.

Politisch gesehen ist diese Gruppe extrem interessant: Sie zeigt den Grünen die kalte Schulter, begeistert sich aber auch weniger für die AFD als der Durchschnitt. Dagegen wird die FDP bei ihnen zur führenden Kraft, und Nicht-Wähler, sonstige Parteien und Piraten erhalten bemerkenswert viele Stimmen.

Bei der Zustimmung zu politischen Fragen hingegen fallen die Gläubigen wieder in ein Schema: Sie neigen zu Positionen des AFD-Lagers, allerdings wie schon die Autonomen sehr gemäßigt:

Bei den meisten Fragen erscheinen die Gläubigen moderater als die Autonomen. Eine Ausnahme bildet jedoch die höhere Steuer für Fleisch – diese wird in dieser Gruppe vehementer abgelehnt.

Kurz: Die Gruppe der Gläubigen ist entweder jünger oder älter als der Durchschnitt und tendiert stark zum Maximalismus. Politisch zeigt sie eine Abneigung gegen die Grünen und eine starke Zuneigung zur FDP, während sie in den konkreten Positionen eine moderate Neigung zum rechten Lager hat.

Inflationsbesorgte und Spekulanten

Die folgenden zwei Gruppen stelle ich zusammen vor, weil sie im Prinzip dasselbe wollen, es aber anders nennen: Sie wollen, dass die Preise in Euro steigen. Die einen sagen das unverblümt – sie sind wegen der höheren Preise bei Bitcoin – während die anderen es den Schutz vor Inflation nennen.

Das Ziel ist dasselbe, aber die Gründe unterscheiden sich: Die einen besitzen Bitcoin aus offensiven, die anderen aus defensiven Gründen; die einen wollen ihr Vermögen vermehren, die anderen erhalten. Entstehen daraus Unterschiede?

Mit 63:24 ist der Anteil der Spekulanten erheblich höher. Dies macht den Vergleich der beiden Gruppen etwas unsolide. Beide zusammen bilden die erste Gruppe der Pragmatiker: Sie werden nicht durch idealistische, sondern instrumentelle Gründe getrieben.

Eine unerwartete Auffälligkeit zeigt sich bei der Altersverteilung: Die deutlich kleinere Gruppe des Inflationsschutzes entspricht viel eher dem Durchschnitt als die Gruppe der Spekulation. Diese zeigt eine sehr auffällige Spitze in der Alterskohorte der 41-50-Jährigen, die hier beinah 50 Prozent ausmachen.

Auch beim Einstieg in Bitcoin finden wir einen Unterschied: Die Spekulanten haben zu deutlich höheren Anteilen in den Bullenjahren 2013 und 2017 investiert – und deutlich seltener in den Jahren der Bärenmärkte. Für sie spielen steigende oder fallende Preise eine größere Rolle.

Einen markanten Unterschied bildet auch die Anzahl Coins in der Wallet: Diejenigen, die sich vor Inflation schützen wollen, halten mit 4,67 leicht unterdurchschnittlich viele Währungen, während die Spekulanten mit 5,98 Coins erheblich über dem Durchschnitt liegen. Gemeinsam haben beide Gruppen, dass sie mit ihrem Investment überdurchschnittlich häufig in der Gewinnzone sind.

Was das Verhältnis zu Bitcoin und Krypto angeht, haben beide Gruppen erhebliche Gemeinsamkeiten:

Beide sind seltener Maximalist und offener für andere Coins. Das kommt vermutlich daher, dass sie weniger idealistisch getrieben sind. Beide haben seltener einen Full Node und nutzen seltener Lightning, aber begeistern sich stärker für Ethereum. Dabei scheren die Spekulanten tendenziell stärker aus, insbesondere sind die Inflationsbesorgten wesentlich häufiger Maximalist.

Auch politisch stoßen wir auf starke Gemeinsamkeiten – und Unterschiede. Das zeigt sich bereits bei der Sonntagsfrage:

Beide Gruppen würden überdurchschnittlich oft die Grünen und unterdurchschnittlich selten die AFD und FDP wählen. Während die Tendenzen übereinstimmen, gibt es im Detail einige Unterschiede: Die Inflationsbesorgten stehen etwas weiter links – sie wählen häufiger Grün, SPD und Piraten, und seltener FDP und CDU.

Bei den Fragen zur Zustimmung antworten beide Gruppe wie erwartet:

Die Antworten fallen durchgehend und übereinstimmend stärker ins Lager der Grünen. Allerdings mit variierender Stärke: In vielen Fällen – Corona, Great Reset, Waffenlieferungen, Nato — sind die Spekulanten der kraftvollere Verstärker. In anderen – Klimakleber, Deindustrialisuerung, AKWs, Sozialismus 2.0 – sind es diejenigen, die Bitcoin als Inflationsschutz sehen.

Kurz: Sowohl Inflationsbesorgte als auch Spekulanten neigen weniger zum Maximalismus und begeistern sich stärker für Ethereum. Beide Gruppen stehen politisch eher links oder mittig. Spekulanten halten jedoch mehr Coins, während Inflationsbesorgte stärker zum Maximalismus neigen.

Die Technologen

Die fünfte und letzte Gruppe sind die Technologen: Sie wenden sich Bitcoin aus Begeisterung für die Technologie zu. Sie bilden die dritte eher pragmatische, nicht-idealistische Gruppe.

In der Altersverteilung stoßen wir bei ihr auf eine klare Abweichung:

Die Technologen sind im Schnitt etwas älter als die anderen. Beim Jahr des ersten Investments hingegen bleiben sie unauffällig. Mit 5,12 Kryptowährungen halten sie etwas mehr Coins als der Durchschnitt, aber nur unwesentlich mehr.

Wesentlich hingegen ist ein Unterschied im Erfolg ihres Investments: 86 Prozent haben Gewinn gemacht. Das ist in allen Subgruppen der höchste Wert.

Glücklich sind die Technologen nicht nur finanziell. Mit einem Glücksdurchschnitt von 7,83 sind sie die zufriedenste Gruppe. Im Vergleich mit den Autonomen sind sie um fast 10 Prozent glücklicher – kann das ein Zufall sein?

Auch in der Haltung zu Bitcoin und Kryptowährung setzt sich die Auffälligkeit fort:

Sie sind seltener Maximalist, gehen aber konform damit, dass die meisten Coins Betrug sind. Sie betreiben seltener Full Nodes und nutzen seltener Lightning, aber ein Stückchen öfter DeFi.

Auch politisch zeichnet sich die Gruppe der Technologen durch markante Unterschiede aus:

Sie wählt häufig Grün oder FDP und seltener AFD. Nichtwähler gibt es unter ihnen gar nicht, Wähler der sonstigen Parteien selten. Relativ viele Stimmen bekommen auch die Linke, die SPD und die Partei.

Das schlägt sich auch in der Zustimmung zu politischen Aussagen durch:

Auffällig ist hier, dass für relativ viele in dieser Gruppe Corona noch nicht abgeschlossen ist, sie stärker als alle anderen Gruppen mit den Klimaklebern sympathisieren und auch gerne Fleisch höher besteuern würden. Ebenfalls auffällig ist eine starke Ablehnung von Atomkraft sowie ein Vertrauen in die Energiewende.

Kurz: Die Gruppe der Technologen ist etwas älter, investiert erfolgreich und erfreut sich des Lebens. Sie neigt nicht zum Maximalismus, findet DeFi interessant und wählt eher links, wenn auch mit einem ausgeprägten Anteil von FDP-Wählern. Sie fürchtet sich etwas stärker vor Corona und bleibt der grünen Energiepolitik treu.

Idealisten und Pragmatiker

Insgesamt ist faszinierend, wie sehr eine Aussage für alle andere stehen kann: Der Grund, der einen zu Bitcoin bringt, beinhaltet im Durchschnitt eine ganze politische Welt.

Man kann Bitcoiner in idealistisch und pragmatisch motivierte Gruppen unterteilen. Die Idealisten wollen Autonomie und ein besseres Geld der Zukunft, die Pragmatiker ihr Geld erhalten oder vermehren oder begeistern sich an der Technologie.

Die Idealisten haben politisch einen Drall nach Rechts und lehnen die etablierten Parteien eher ab, bleiben jedoch in vielen konkreten Fragen gemäßigt. Die Pragmatiker neigen stärker nach links und sind fest im Parteiensystem verankert. Diese politischen Tendenzen spiegeln sich auch erheblich in den Meinungen zu aktuellen Debatten wieder, wobei die „Autonomen“ am stärksten nach rechts und die Technologen am stärksten nach links neigen.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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1 Kommentar zu Pragmatiker und Idealisten

  1. „Die ansonsten stärkste Grippe der 41-50-Jährigen ist schwächer…“
    Gute Besserung! 😉

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