Weil der Markt es so wollte: Bitcoin-Kurs rast rauf nach verwirrenden Meldungen zu ETF

Lange sind die Preise von Bitcoin und anderen Kryptowährungen nicht mehr so entschieden gestiegen wie in den vergangenen Tagen. Oberflächlich lag der Grund in verwirrenden Nachrichten zu einem Bitcoin-ETF. Tatsächlich aber war der Markt schlicht bereit dafür.
So macht die Sache Spaß! Während die Farbe Rot beim Betrachter bekanntlich Aggression und Vorsicht auslöst, weckt die Farbe Grün Hoffnung und Kreativität. Es ist also sehr viel besser für die Psyche, grüne anstatt rote Flächen anzuschauen – oder Kerzen.
Denn üblicherweise stellt man steigende Kurse durch grüne, und fallende Kurse durch rote Säulen dar, die man gemeinhin „Kerzen“ nennt. Und während die roten Kerzen in den vergangenen Tagen rar und meistens ziemlich flach waren, herrschte an prachtvoll in die Höhe ragenden grünen Kerzen keinerlei Mangel.
Die Kurse stiegen. Am Freitag-Morgen kostete ein Bitcoin noch 27.000 Euro, heute sind es gut 32.000.

Der Bitcoin-Kurs in Euro inm 7-Tages-Chart nach Bitcoin.de
Dieser Anstieg um knapp 20 Prozent zog sich durch das ganze Ökosystem. Alles stieg, wenn auch unterschiedlich. Am extremsten schossen Solana, Chainlink und Mina in die Höhe.

Der Solana-Kurs in Euro nach coinmarketcap.com
Solana stieg von etwa 23 auf fast 32 Euro – also um knapp ein Drittel – während Mina mit einem Sprung von 36 auf 62 Cent mehr als 75 Prozent zulegte.

Der Mina-Kurs im 7-Tages-Chart nach coinmarketcap.com
Man muss aber sowohl bei Chainlink als auch Mina einräumen, dass beide trotz dieses Satzes nach oben weit unterhalb ihrer Allzeittiefs stehen. Bei Mina lag dieses Ende 2021 bei mehr als 5 Euro, bei Solana um dieselbe Zeit bei etwa 216 Euro. Der Kurs beider Coins ist also weiter nicht einmal ein Schatten seiner selbst.

Ethereum im 7-Tages-Chart bei Bitcoin.de
Auch Ethereum ist gestiegen, von knapp 1.500 auf rund 1.700 Euro. Damit ist Ethereum zwar weiterhin nicht einmal die Hälfte von dem wert, was es Ende 2021 erreicht hatte, macht aber langfristig eine sehr viel bessere Figur als Solana oder Chainlink.

Bitcoin gegen Ethereum nach coinmarketcap.com
Im Vergleich mit Bitcoin fällt Ethereum jedoch auf ein Jahrestief von 0,052 Bitcoin. Noch im Sommer waren das 0,07 Bitcoin, Ende 2021 0,09, und einst, im Jahr 2017, sogar mehr als 0,14.
Hü oder Hott — Egal, hauptsache was mit ETF
Soweit die Einordnung, was auf den Märkten passiert. Die viel interessantere Frage ist aber: Warum?
Erfreulicherweise sind sich dieses Mal die meisten Beobachter einig: Es liegt am ETF. Genauer gesagt: An ETF-Phantasien.
Wie berichtet hat Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, einen Antrag für einen physisch gedeckten Bitcoin-ETF eingereicht. Vor kurzem tauchte bei der amerikanischen Zentralverwahrerin DTCC nun das Kürzel „IBTC“ für den Blackrock-ETF auf. Die Bitcoin-Szene registrierte das fast augenblicklich und euphorisch, da das Kürzel als Zeichen gewertet wurde, dass die Börsenaufsicht SEC im Begriff steht, den ETF zuzulassen.
Zwar fehlt es Investoren in den USA nicht an Möglichkeiten, ihrem Portfolio Bitcoins hinzuzufügen. Sie können Bitcoins selbst verwahren oder durch Plattformen wie Coinbase verwahren lassen. Sie können Anteile am Bitcoin Trust von Grayscale kaufen, ETFs auf Futures, kurzfristige Futures bei Bakkt oder Aktien von Microstrategy, dessen Kurs sich mittlerweile mit dem von Bitcoin synchronisiert hat. Dennoch gilt ein echter Spot-ETF, wie ihn Blackrock plant, als Gamechanger. Nicht nur weil er das bequemste Produkt für institutionellen Investoren wäre, seien es Banken, Versicherungen oder Pensionsfonds, sondern auch, weil er den Preis abbildet, indem er Bitcoins akumuliert, die er auf Börsen kauft.
Die DTCC nutzte die kurze Phase der Aufmerksamkeit der Bitcoin-Community, um maximale Verwirrung zu stiften. Sie zog das Kürzel rasch wieder zurück, nur um es ein wenig später wieder zu listen. Warum, bleibt rätselhaft und Gegenstand vager Spekulationen.
Aber auch abseits von Blackrock tut sich etwas in Sachen ETF. So hat etwa ein Gericht die Ablehnung eines Bitcoin-ETFs von Grayscale, der Herausgeberin des langjährigen Bitcoin Trusts auf Second Market, durch die SEC für ungültig erklärt. Die Umwandlung des Trusts in einen ETF ist ein lange gehegter Wunsch von Grayscale und seinen Investoren. Die Aufsicht hätte, so die Richter, den ETF genehmigen sollen, da sie auch einen Future-ETF durchgewunken hatte.
Diese Vorgänge zeigen, sind sich Analysten sicher, dass ein Bitcoin-Spot-ETF unvermeidbar sein wird, ob heute, morgen oder übermorgen. Der Druck auf die SEC, von ihrer ablehnenden Haltung abzukehren, wird immer größer. Diese wachsende Zuversicht befeuert die alten Phantasien, was ein solcher ETF auslösen kann.
Der Fonds Galaxy Digital veröffentlichte etwa am vergangenen Donnerstag einen Bericht, demzufolge ein ETF schon im ersten Jahr 14,4 Milliarden Dollar ins Ökosystem pumpen kann, was im zweiten Jahr auf 27 Milliarden und im dritten auf 39 Milliarden Dollar steigen könne. Schon allein im ersten Jahr könne dies den Bitcoin-Preis um 74 Prozent ansteigen lassen. Und das erste Jahr des ETFs, vermutlich 2024 – das wäre auch das Jahr, in dem das nächste Halfening ansteht, traditionellerweise ein starker Treiber des Preises. Es kommen also zwei bullische Events zusammen, die sich womöglich gegenseitig bestärken und so mehr als die Summe ihrer Teile werden.
Materiell hat sich also nichts geändert. Die angebliche Zulassung eines ETFs war eine Ente, und es ist ebenso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich, dass sie erfolgt, wie noch eine Woche vorher. Doch die Phantasie des Marktes hat den Preis um 20 Prozent höher getrieben, ohne ihn nach der Entlarvung der Nachricht als Fake wieder fallen zu lassen. Die Träume halten stärker als die Wirklichkeit.
Das macht einen Schluss sehr wahrscheinlich: Der Preis ist nach oben geschossen, weil der Markt es so wollte. Er hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, wie sie ihm die Zulassung des ETFs gegeben hat. Auf Wahrheit oder Dichtung kommt es dabei schlicht nicht an.
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