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Rechts links Bitcoin

Immer wieder heißt es, dass Rechte Bitcoin mehr mögen als Linke, und irgendwie ist da auch etwas dran. Aber warum? Weshalb sympathisieren Rechte mit Bitcoin – und was stößt Linke ab?

Zumindest in Deutschland macht man sich mit Applaus von rechts bekanntlich wenig Freunde. Gäbe es hier ein Marketing-Kommando für Bitcoin, würde es Jubel vorziehen, der von links kommt.

Aber — es ist, wie es ist: Die erste deutsche Partei, die Bitcoin ins Wahlprogramm ließ, war die AfD, und je weiter man nach links schaut, desto kritischer wird die Perspektive. Ähnlich verhält es sich im Ausland:

  • In Polen wirbt ein Kandidat für Bitcoin, der noch weiter rechts steht als das PiS
  • in der Schweiz sympathisiert die rechtspopulistische SVP mit Bitcoin, während die Sozialdemokraten und Grünen eher skeptisch sind.
  • In England lobt Rechtspopulist Nigel Farage Bitcoin
  • über die USA und Trump müssen wir erst gar nicht reden.

Fast überall, wo Politik betrieben wird und Bitcoin zur Sprache kommt, zeigt sich dasselbe Bild: Die Rechten sind tendenziell dafür, die Linken wollen schärfer regulieren oder gar verbieten.

Aber warum? Was liegt in Bitcoin, das Rechte entzückt und Linke empört?

Eine verwirrende Unterscheidung

Beginnen wir damit, dass „rechts“ und „links“ sehr unpraktische, oft schwammige, manchmal widersprüchliche politische Kategorien sind.

Es gibt ein paar Dimensionen, in denen der Unterschied einleuchtet: Linke denken international, in Staatenbünden, idealerweise in einer alle Ethnien übergreifenden Weltgemeinschaft. Sie wollen Grenzen minimieren und die globale Freizügigkeit maximieren. Rechte dagegen denken national, in Staaten und Regionen, die durch Grenzen zu schützen sind. Sie fühlen sich nicht der Menschheit an sich zugehörig, sondern dem Volk, in das sie geboren wurden.

So weit so klar. Doch schon bei der Ökonomie wird es konfus. Zwar definieren sich Linke sehr deutlich durch Wirtschaftspolitik: Sie wollen Ungleichheit abbauen und den Kapitalismus durch einen starken Staat domptieren. Doch der Gegenpol linker Wirtschaftspolitik ist nicht rechts, sondern liberal. Das ist das glatte Gegenteil des rechtsextremen Ideals, das Individuum dem Volkskollektiv unterzuordnen. So etwas wie eine „rechte Wirtschaftspolitik“ gibt es schlicht nicht.

Aber die Verwirrung beginnt erst. Oft wirken rechts und links wie willkürliche Lifesyte-Entscheidungen:

  • Wärmepumpen und Windräder sind links – Holzöfen und Atomkraftwerke rechts
  • Vegan sein ist links — Fleisch essen eher rechts
  • Fahrräder, vor allem Lastenräder, sind links – Jeeps und Diesel eher rechts
  • E-Autos sind links – außer sie werden von Elon Musk gebaut
  • Yoga ist links – die Muckibude rechts
  • Linke setzen sich Minderheiten ein – Rechte für die „Mehrheitsgesellschaft“
  • Kritik an Religionen und Homophobie sind links – außer sie richten sich gegen Muslime
  • Impfen ist links – Esoterik rechts
  • … aber nicht, wenn die Esoterik ethnologische Folklore verkörpert
  • Feminismus ist links – Maskulinismus rechs

Und so weiter. Das Rechts-Links-Schema scheint jede Spaltung aufzusaugen, die sich durch unser Leben zieht, häufig ohne jede innere Logik und Konsistenz.

Kann man also überhaupt noch irgendwie von rechts und links reden? Behindert die zwanghafte Einteilung in diese beiden Pole unsere Fähigkeit, überhaupt politisch zu diskutieren?

Und wie kommen wir von diesem Wirrwarr zurück zu Bitcoin?

Die eine zentrale Kategorie

Es gibt eine zentrale Unterscheidung, die hilft, den Knoten zu durchtrennen: Linke wollen Gleichheit, Rechte Hierarchien. Von dieser einen, grundlegenden Trennung kann man die meisten anderen ableiten.

Bitcoin allerdings sollte in dieser Dimension für Linke eigentlich hochattraktiv sein: Vor keinem Geld sind alle Menschen so gleich wie vor Bitcoin. Bitcoin kennt keine Grenze und ist gar nicht in der Lage, nach Hautfarbe, Alter, Geschlecht, Sexualität, Religion oder irgendeinem anderen Merkmal zu diskriminieren. Bitcoin macht jeden unabhängig von Mittelsmännern. Es gibt keine Hierarchie der Institutionen, die Macht und Herrschaft ausüben können.

Praktischer gesagt: Bitcoin gibt Frauen in Ländern ein Bankkonto, in denen sie die Erlaubnis ihres Mannes brauchen. Bitcoin erlaubt Flüchtlingen, ihr Vermögen mitzunehmen, wenn sie vor Tyrannen fliehen. Bitcoin ermöglicht Menschen in der gesamten Dritten Welt, sich Geld zu schicken, ohne dass ein (meist amerikanischer) Zahlungsdienstleister die Hand aufhält. Und so weiter.

Bitcoin ist ein Geschenk für linke Ziele. Warum aber lieben die Linken Bitcoin nicht?

Sich in die Breite trivialisieren

Versuchen wir dafür, den Unterschied anders zu formulieren, emotionaler: Rechte lieben Gewinner, Linke lieben Verlierer.

Das ist zunächst vollkommen legitim. Um schöpferisch zu sein, muss eine Gesellschaft ihre erfolgreichen Mitglieder lieben – doch um human zu sein, auch diejenigen, die erfolglos bleiben. Es gibt schlicht nicht für jeden einen Sonnenplatz.

Aber jede Kategorie trivialisiert sich, wenn sie in die Masse skaliert. Kein Gedanke kollektiviert erfolgreich, ohne Komplexität abzubauen und zum Klischee seiner selbst zu verkommen. Wichtiger als eine reine Lehre sind die Trivialisierungen, die sich aus ihr ableiten, und, vielleicht vor allem: die Art und Weise, wie diese die niederträchtigen Saiten im Seelenhaushalt anspielen:

Die Rechten eskalieren zum Untertanen: sie buckeln nach oben und treten nach unten; sie wähnen sich schon erfolgreich, weil sie die Gewinner da oben verehren, und sie befriedigen ihr gedrücktes Ego, indem sie die, die unter ihnen stehen, verachten und zu entmenschlichen. Das triviale rechte Denken versetzt viel Niedertracht in Schwingung.

Aber auch die Linke trivialisiert unschön. Für sie wird die Welt zum Nullsummenspiel. Gewinner gibt es nur, weil es Verlierer gibt, und Arme sind nur arm, weil die Reichen reich sind. Es gibt weder ein schöpferisches noch ein selbst verantwortetes Leben: Die Erfolgreichen sind Täter, die Erfolglosen Opfer.

Eine trivale Linke will überhaupt nicht, dass die Armen weniger arm werden. Denn dann würde sie sie nicht mehr lieben. Sie will Verlierer nicht zu Gewinnern machen und Mieter nicht zu Hausbesitzern. Sie will stattdessen, dass die Hausbesitzer zu Mietern werden. Sie will die Gewinner für ihren Erfolg bestrafen. Die Niedertracht der trivialen Linken ist die Rache unter dem Vorwand der Gerechtigkeit.

Diese Unterscheidung ist natürlich eine Karikatur. Im echten Leben tritt sie, glücklicherweise, eher als Tendenz auf, die sich von der Mitte aus in eine Richtung dehnt.

Aber sie erlaubt es uns, schärfer zu sehen, wie Rechte und Linke zu Bitcoin stehen.

Warum triviale Rechte Bitcoin mögen

Die triviale Rechte findet Bitcoin tendenziell gut. Denn sie lebt davon, sich über andere zu erheben, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Sie lehnt jeden Eingriff, der den eigenen Rang bedroht, und wäre er nur erhofft, vehement ab. Ein Staat, der den Gewinnern Geld abknöpft, um es an die Verlierer umzuverteilen, stört den Geschmack der trivialen Rechten. Geht es nach ihnen, steht den Zukurzgekommenen allenfalls ein gnädig gegebenes Almosen zu. Ein Werkzeug wie Bitcoin, das Vermögen vor dem Staat schützt, gefällt ihr, da es den Abbau von Hierarchien verhindert.

Dabei aber darf man den trivialen Rechten auf keinen Fall mit dem Liberalen verwechseln. Denn jener sieht Staatsgewalt pauschal skeptisch, wohingegen der triviale Rechte seinen Staat durchaus mag. Wenn es um Recht und Ordnung geht, darum, Eigentumsverhältnisse und Hierarchien zu bewahren, kann ihm der Staat sogar gar nicht stark und rabiat genug sein.

Es gibt also niedere, triviale Motive der Rechten, die mit Bitcoin räsonieren. Auf der Seite der Linken sieht es jedoch nicht besser aus. Es verhält sich nur umgekehrt.

Warum Bitcoin den trivialen Linken anwidert

Der triviale Linke versteht die schöpferische Kraft des Marktes nicht. Für ihn verkommt die Welt zum Nullsummenspiel, in dem man nur etwas bekommt, indem man es den anderen wegnimmt.

Alles, was mit Finanzen zu tun hat – alles was Leute reicher macht – ist ihm hochgradig suspekt. Er kann mit Widerwillen einsehen, dass Unternehmer, die etwas produzieren, einen Mehrwert einstreichen dürfen. Doch Investments? Kapital, das aus Kapital selbst entsteht? Für den Linken ist dies – und damit Bitcoin – auf einer sehr grundsätzlichen, vielleicht sogar emotionalen Ebene Raub.

Was Staat und Steuern angeht, hasst die triviale Linke zwar das Gewaltmonopol, durch das der Staat die bürgerliche kapitalistische Ordnung erhält. Er liebt jedoch den sozialistischen Umverteilungsstaat, der nicht nur die Erfolgreichen bestraft, sondern zudem den Erfolglosen – die er nur als Opfer wahrnehmen kann – ein Leben ohne Eigenverantwortlichkeit erlaubt. Der triviale Linke möchte das Individuum mit seiner Selbstwirksamkeit und seinem Vermögen dem Kollektiv unterordnen.

In der Breite kehrt es sich um

Es handelt sich hier, wie gesagt, um eine starke Überspitzung. Doch so, wie in jedem Samen eine Pflanze steckt, steckt in jeder politischen Einordnung ihr Extrem. Was mit Maß und Mitte vernünftig, sogar weise ist, trägt bereits den Bauplan in sich, nach dem sich sein trivialer und niederträchtiger Schatten entfaltet.

Die triviale Version kann durchaus zum Gegenteil der maßvollen Lehre werden. Ginge es nur nach dieser, wäre Bitcoin viele eher eine linke als eine rechte Bewegung. Die grenzenlose Gleichberechtigung von Bitcoin oszilliert hervorragend mit linken Zielen und widerspricht dem hierchisch-völkischen Kern des rechten Denkens.

Doch in der Breite, in der die Idee sich notwendigerweise trivialisiert, kehrt sich dies gerne um. So kommt es, dass die Linke sich an Bitcoin stört, während die Rechte in ihr einen Wert erkennt.


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Über Christoph Bergmann (3247 Artikel)
Das Bitcoinblog wird von Bitcoin.de gesponsort, ist inhaltlich aber unabhängig und gibt die Meinung des Redakteurs Christoph Bergmann wieder ---

14 Kommentare zu Rechts links Bitcoin

  1. Multiakademiker // 17. Januar 2025 um 14:35 // Antworten

    Ganz spontan kommt mir beim Lesen des Artikels die Frage:

    Und wer lebt fürstlich in Monaco und lässt dafür Sorge tragen, dass die unscheinbare (eher Motor statt Segel)- Yacht gut mit 70000 Liter betankt ist?
    Zu welcher Sitze-Platzierung fühlen sich die Messebesucher am selben Ort… hingezogen?

    „Geld stinkt nicht „… Vor allem, wenn es sich innerhalb von nur 2 Jahren verdreifacht hat…

    Viel wertvoller empfinde ich die primäre Literatur zum Grundgedanken

  2. Sehr guter Artikel mit vielen Erkenntnissen. Das Problem bei diesen Haltungen ist, dass sie über unbewusste Gefühle laufen. Deshalb die Trivialisierungen, die auf diese Weise auch mit ihren inneren Widersprüchen funktionieren.

  3. Guter Artikel, das Frage ich mich ebenfalls und ich würde mich als Links Progressiv Orientieren. Die angebrachten Punkte warum die Linken das lieben sollten sind genau die Punkte warum die Cypherpunks Bitcoin erdacht haben. Ich komme aus der IT Ecke und hatte daher bereits sehr früh über die Technik Schiene Zugang. Ich seh Bitcoin neutral dass es eigentlich egal ist welche Politische Einstellung man hat, Bitcoin ist ein Werkzeug. Selbst das viel zitierte Energie Thema kann Positiv genutzt werden wenn man nur will. Viele sehen aber einfach nur eine Wunschwelt und nicht die Realität. Wobei dank Bitcoin und der Bitcoin Bubble mich das Ergebniss der Wahl nicht umgehauen hat, das war abzusehen. Ich hoffe einfach, manche Links Orientierte Personen finden noch nen Zugang zu Bitcoin. Mehr als die Frohe Botschaft verkünden kann man leider auch nicht.

  4. Man muss auch unterscheiden zwischen Bitcoin früher / bzw dem Protokoll/crypto, sowie heute als Anlage/noch reicher machen der „crypto bros“ Libertären.

    • Eigentlich nicht, schon damals war einigen klar das dieses Potential des Wachstums da ist und Bitcoin mal Richtung 10 Millionen gehen wird. Auf dieser Reise befinden wir uns aktuell. Das war einmal schon sehr früh im Emailverkehr von HAL Finney geschrieben. Und später im Forum dann auch von Satoshi Nakamoto, dass eine Zeit kommen werden würde, wo das Finanzsystem Bitcoin adoptiert. Und durch dieses Wachstum es genau diese Preise haben würde.

  5. Ein schöner, objektiver Artikel. So wünsche ich mir das immer.

  6. Immer wieder heißt es, dass Böse Bitcoin mehr mögen als Gute, und irgendwie ist da auch etwas dran. Aber warum? Weshalb sympathisieren die Bösen mit Bitcoin – und was stößt die Guten ab?

    Es fehlt noch der Schluss:
    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

  7. Wo bleibt der Artikel über den Official Trump meme coin? 😀 Wahnsinn was au dem Markt los ist! Guter Artikel übrigens!

  8. Hut ab vor dieser ausführlichen und super durchdachten Analyse des Problems! Da fallen mir gleich eine Reihe Leute aus meinem Umfeld ein (Linke wie Rechte), denen ich das mal weiterleiten sollte…

  9. Sehr guter Artikel! Du hast es zwar angedeutet, aber ich sehe diese Verbindung als noch wichtiger: Bitcoin ist (in sich) ultra-libertär, und Trivial-Rechte sehen gerne nur den „starker-Mann-Mythos“ in libertären Erfolgsstories. Ohne zu merken, dass das eigentlich nur schlecht in ihr Volks- und Staatsverständnis passt. Und für Trivial-Linke ist alles Libertäre des Teufels, auch wenn es noch so international und unvölkisch daherkommt.
    Die Blockchain als Technolgie mit ewiger Nachverfolgbarkeit ist ja der feuchte Traum jedes Kontrollfreaks, sollte also Rechte und Linke gleichermassen ansprechen.
    Aber wer versteht schon Bitcoin als Ganzes, als ausbalanciertes Ökosystem? Die Wenigsten, also haben sich Propagandisten auf beiden Seiten eben Einzelaspekte rausgesucht – und eigentlich erst seit Trumps Wahlkampf hat sich diese links-dagegen-rechts-dafür-Tendenz verfestigt.

  10. Ein wirklich sehr treffender, sehr amüsant zu lesender Artikel.

  11. Danke für diesen Artikel. Mir ist bis heute unbegreiflich warum Bitcoin von links so wenig wahrgenommen wird bzw. sogar negativ besetzt ist. Auch ich bin schon sehr lange im Space und für mich war Bitcoin immer eine sehr linke Sache. Umso härter ist es heute die kognitive Dissonanz auszuhalten. Ich denke es ist eine Frage der Zeit. Möglicherweise dreht es sich auch irgendwann.

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