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Wie der Bitcoin-Preis seinen höchsten Wert seit Januar erreicht – und wieder fällt

Wer am Wochenende am Rechner saß, wusste vermutlich gar nicht, wohin er schauen sollte: Auf die Nachrichtenseiten, die stündlich neue Rosinen aus den Griechenlandverhandlungen pickten, auf den Bitcoin-Kurs, der ständig neue Höhen anpeilte, oder auf twitter, wo beides kommentiert wurde. Heute, am Montag, wissen wir allerdings: Der Bitcoin-Preis hat so gut wie alles verloren, was er am Wochenende gewonnen hat, Griechenland wird in der Eurozone bleiben, die vermutlich niemals mehr die selbe sein wird.

Man stelle sich mal vor, alles wäre Deutschland, die ganze Welt würde ackern wie Deutschland, zuverlässig, penibel, pünktlich und ordentlich. Würde Ihnen das gefallen? Entweder findet man, dass dies klasse wäre, weil Fleiß, Ordnungssinn und Gewissenhaftigkeit eben klasse Tugenden sind. Oder man findet das ekelhaft, weil es doch schon in Deutschland genügend Deutsche gibt, die einen ständig darauf hinweisen, was man jetzt schon wieder semikorrekt gemacht hat.

Ein wenig geht es in dieser ganzen fürchterlichen Griechenland-Krise auch um diese Frage: Wie reagiert man darauf, dass Griechenland sich zwar mit Deutschland eine Währung teilt, aber eben nicht deutsch ist? Die Antwort darauf lautet, seit nunmehr fünf erfolglosen Jahren: Griechenland soll entweder deutscher werden – oder ärmer. Deutschland hilft gerne, mit Ratschlägen, Spar- und Regierungsprogrammen und mit Steuerbeamten, die den griechischen Ämtern gerne erklären, wen sie zu entlassen haben (was die Griechen aber, wie unser werter 75-jähriger Bundespräsident Gauck heute beklagte, ablehnen.)

Der Bitcoin-Kurs hat gestern Abend mit gut 280 Euro seinen höchsten Wert seit dem 16. Januar erreicht. Also beinah ein 6-Monats-Hoch, was wir seit dem 1. Dezember 2013 nicht mehr hatten. Dies ist in jedem Fall ein äußerst positives Signal. Gestern Abend wurde klar, dass der Euro bzw. die Idee hinter ihm in Bausch und Bogen gescheitert ist. Eigentlich sollte ein gemeinsamer europäischer Wirtschaftsraum (EWG) Deutschland enger an die Nachbarn binden, um zu verhindern, dass sich ein wiedervereinigtes Deutschland zur Großmacht aufschwingt und mal wieder Furcht und Schrecken in Europa verbreitet. Damals gab es noch die Ansicht, dass Deutschland ein gefährliches Land sei. Im Lauf der Jahrzehnte wurde diese Ansicht aber vergessen und verdrängt, und der Euro wurde ironischerweise zum Instrument der deutschen Dominanz in Europa. Der Euro macht es erst möglich, dass Deutschland bzw. dessen fast 73-jähriger Vertreter Furcht und Schrecken in Europa verbreiten kann, indem er seine Ansichten richtiger Wirtschaftspolitik anderen Staaten selbst dann noch aufzwingt, wenn internationale Ökonomen aller Schulen diese Politik für gescheitert erklären.

Vielleicht trägt dieses Unbehagen am Euro und die Furcht vor Deutschland – ja, Deutschland wird wieder gefürchtet! – dazu bei, jenen für eine gefährliche Währung zu halten und im Bitcoin eine Rettung zu sehen. Wer mit Bitcoins spart und bezahlt, der ist nicht mit schuld, dass die EU bzw. Deutschland diktieren, welche Wirtschaftspolitik zu machen ist. Möglich, dass eine solche Erkenntnis in Staaten wie Spanien, Portugal, Italien oder Irland dazu geführt hat, dass die Nachfrage nach Bitcoins ansteigt.

Vor allem aber hat sich in der vergangenen Woche eines gezeigt: Es empfiehlt sich, Bitcoins zu besitzen, wenn das Wohnzimmer beginnt zu brennen. Wenn den Banken das Geld ausgeht und die Regierung Kapitalkontrollen verhängt, dann gnadet Gott vor allem denen, die Bitcoins besitzen. Ohne Bitcoins konnte man kein Geld über die Grenzen senden – mit Bitcoin konnte man Geld über die Grenzen senden. Punkt, so einfach ist das. Wenn Sie der Meinung sind, dass es nie wieder in Europa Kapitalkontrollen geben wird, dann dürfen Sie gerne weitergehen. Ansosten sollten Sie darüber nachdenken, sich zumindest ein paar Not-Bitcoins zuzulegen.

Diese Erkenntnis hat sich in der vergangenen Woche mehr und mehr auf den Bitcoin-Märkten verbreitet, wodurch ein allgemeiner Optimismus erblüht ist. Eine Währung, die das kann, wird immer gebraucht werden. Als sich dann am Wochenende die Verhandlungen zwischen Griechenland und der Eurogruppe in die Länge zogen, es noch immer keine Ergebnisse gab, das Hastag #ThisIsACoup kursierte, das vor allem Deutschlands empathielose Position anklagte, unser 73-jähriger Finanzminister die Wahl zwischen Grexit und Beschlagnahme von Staatsbesitz aufstellte und womöglich tatsächlich ein Grexit vor der Türe stand – da stieg der Preis immer weiter an. Er durchbrach die 300-Dollar-Marke, was knapp 270 Euro entspricht, erreichte Spitzenwerte von 276 Euro oder 312 Dollar – und fiel dann heute morgen, etwa 9 Uhr, energisch auf den Boden von etwa 255 Euro zurück – etwa den Wert, den wir vor dem Wochenende hatten. Der Grund war, dass die Eurogruppe wohl eine Einigung gefunden hat.

Merke: der Bitcoin ist hochvolatil, ein kurzer Anstieg macht noch keine echte Rally, und, vor allem: der Bitcoin ist und bleibt eine Wette darauf, dass das herkömmliche und bekannte Finanzwesen den Karren immer tiefer in den Dreck ziehen wird. Das hat sich heute morgen extrem deutlich gezeigt, als der Preis punktgenau zu den Pressemeldungen über die Euro-Einigung begann zu stürzen. Der Bitcoin ist ein Notgeld, gemacht gegen Kapitalkontrollen und gegen Hyperinflationen. Und, merke: der von Millionen von Menschen geteilte Traum, ein Europa der in Freundschaft und Respekt verbundenen Nationen, wurde erheblich beschädigt.

Über Markus Städler (23 Artikel)
Ist freier Journalist und Autor. Er beschäftigt sich überwiegend mit technologischen und wirtschaftlichen Themen. Seit er Ende 2013 den Bitcoin kennengelernt hat, ist die Kryptowährung sein absolutes Lieblingsthema geworden.

8 Kommentare zu Wie der Bitcoin-Preis seinen höchsten Wert seit Januar erreicht – und wieder fällt

  1. Guter Artikel. Gerade gestern Nacht noch für 277€ ordentlich nachgekauft. Naja die nächste Krise kommt garantiert. Bis dahin immer mal wieder aufstocken 😉

  2. Da haben einfach ein paar Helden auf den Ausstieg spekuliert und gedacht, dass Bitcoin dadurch mehr Nutzer gewinnt.
    Eine kleine Korrektur ist doch auch wieder mal ganz schön zum Nachkaufen.

  3. Der Bitcoin ist einfach ein Stück mehr Freiheit, weniger Abhängigkeit vom Staat, weniger Sklave der Banken, einfach weniger erpressbar sein.
    Für mich ist der Bitcoin keine Wette auf das derzeitige Geldsystem und war es auch nie.
    Das einzige Problem des Bitcoin sind die Spekulanten, denn es gar nicht um die Währung geht. Sie würden auch auf Tulpen spekulieren. 😉 Ein Teil des Rückganges sind schlicht und einfach Gewinnmitnahmen.

  4. Was wäre die Alternative zum “bösen” Deutschland?
    Wir würden weiterhin zahlen und zahlen und zahlen….

  5. Deutschland soll nicht mehr zur Großmacht aufsteigen?
    Macht es doch. Was Soldaten nicht geschafft haben, schafft der Euro. Italien, Spanien, Zypern haben sich der Zwangs-Spar-Diktatur unterworfen, Griechenland steht am Abgrund…..

    Das “böse” Deutschland sind wir nicht, denn wir zahlen und zahlen und zahlen, Corleone.

    Für Griechenland wären ein paar Entwicklungshelfer für die Staatsverwaltung hilfreich. Das ordnungsgemäße Einziehen der MWSt. würde uns sicher etliche Milliarden ersparen.

    Um den Bitcoin brauchen wir uns wohl nicht zu sorgen, der hat schon Börsenpleiten, Cloud-Miner-Abstürze und Verbote in China überlebt. Es rappelt halt manchmal im Kasten, aber wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner.

  6. Viel zu viel Idealismus in der Debatte um den Euro und Bitcoin.
    Es ist nicht der Drang zur Alternative, wodurch der Bitcoinkurs beflügelt wird, sondern die Innovation, die er in sich trägt. Dies erkennt man u.a. am langfristigen Chart, wie unbedeutend Krisen wie Griechenland sind.

  7. Name required // 16. Juli 2015 um 13:39 // Antworten

    Zitat:
    “Und, merke: der von Millionen von Menschen geteilte Traum, ein Europa der in Freundschaft und Respekt verbundenen Nationen, wurde erheblich beschädigt.”

    Wieso? Nur weil man den Griechen endlich klipp und klar gesagt hat, dass sie selbst für sich verantwortlich sind? Daran kann ich nichts, aber auch gar nichts verwerfliches finden. Man kann ihnen helfen. Aber man MUSS ihnen sagen, dass das Leben auf Kosten anderer ab jetzt vorbei ist.

    Zitat:
    “… wenn internationale Ökonomen aller Schulen diese Politik für gescheitert erklären.”

    Eigentlich haben nur linksorientierte Keynesianer das getan.

    Und “dass der Euro in Bausch un Bogen gescheitert” sei, entspringt wohl auch nur der Fantasie des Autors. Eigentlich ist es eher ein Zeichen der Stärke, dass Griechenland nun eingelenkt hat und sinnvolle Maßnahmen durchführt, um die Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Denn das ist bitter nötig, ob mit oder ohne Euro, mit oder ohne bitcoin.

    • Mir ist klar, dass es dazu mehrere Meinungen gibt. Leider 🙂

      Schon alleine an der Perspektive, was man den Griechen gesagt hat. Meiner Meinung nach war das eher ein: Mir egal was ihr über das Sparprogramm denkt, es wird gemacht. Und wenn ihr dagegen seid, dann wird es nur noch ärger. Wen ihr wählt und wie ihr über euer Problem denkt, spielt keine Rolle, da unser Geld im Spiel ist.

      Dass sich in Griechenland etwas ändern muss, ist klar. Ist aber halt die Frage, ob es sinnvoll ist, jemandem die letzten Anzüge zu zerreissen udn ihn auf die Straße zu setzen, damit er endlich einen Job findet.

      Wir werden sehen, wie es weitergeht. Vielleicht haben Sie recht, und Griechenland wird sich jetzt endlich gesundsparen und Europa wird all das gut überstehen.

      Möglich ist aber auch, dass Griechenland endgültig kollabieren wird und dass die Abneigung gegen die deutsche Dominanz in anderen Ländern Europas zu einer Rückbesinnung auf mehr Nationalismus führen wird. Die Parteien mit dem U sind ja ganz gut darin, gegen alle Andersdenkenden zu stänkern … Oder es kommt zu einer weiteren Gleichschaltung der Politik, da es nun offensichtlich ist, dass jede Regierung dieselbe Finanzpolitik zu machen hat, egal ob link oder rechts oder liberal oder keynesianisch.

      Auf der einen Seite steht halt die Vernunft für deutsche Sparer, die mit diesem Abkommen nicht eben sonderlich glücklich bedient wurde, da man von dem Geld niemals wieder etwas sehen wird, wenn man seine Vergabe an die Demolierung der griechischen Wirtschaft bindet. Auf der anderen Seite steht der europäische Gemeinsinn, in welchem demokratische Entscheidungen, das Zuhören sowie die Rücksicht auf Bedürfnisse und Notlagen einen hohen Wert bildet. Auch diese Seite kam entsetzlich schlecht weg. Von daher ist der Kompromiss, egal wie man ihn sieht, scheußlich. Sowohl für die deutschen Steuerzahler als auch für Europa an sich.

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