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MIT-Gruppe versucht vergeblich, sich von Bitcoin-Regulierungsplänen zu distanzieren

"Handcuffs" von Victor via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

AMA bedeutet “Ask me anything” (frag mich was du willst) und meint ein Veranstaltungsformat, bei dem sich jemand auf reddit den Fragen einer Community stellt. Als einige Mitarbeiter des MIT in einem AMA versuchten, die Vorwürfe zu entkräftigen, sie planten, den Bitcoin zu regulieren, entpuppte sich das AMA jedoch als ein “Ask me what I want” (frag mich, was ich will). Überzeugend geht anders.

Wie vor kurzem berichtet hat Kern-Entwickler Peter Todd harte Vorwürfe gegen das Massachusetts Institute of Technologie (MIT) erhoben: Laut einem ihm zugespielten Paper entwickelt die Gruppe ChainAnchor ein kryptographisches Verfahren, das Identitäten mit Bitcoin-Adressen verbinden kann. Der Plan ist, die Kryptowährung zu regulieren – und dafür sogar die Miner zu bestechen.

Die Empörung der in Sachen Privatsphäre sehr sensiblen Community war natürlich groß. Ein Sprecher des MIT und ein Mitarbeiter des entsprechenden Instituts dementierten zwar prompt die Vorwürfe, doch weil das von Peter Todd online gestellte ursprüngliche ChainAnchor Whitepaper sehr konkret sagt, dass man durch das Verfahren Bitcoin regulieren kann, war dies nicht sehr überzeugend. Man könnte weiterhin meinen, dass ChainAnchor im geheimen dafür gemacht ist, Bitcoin zu unterwandern, indem es ein AML/KYC einführt.

Gewissheit über die lauteren Motive der MIT-Gruppe sollte ein AMA sowie eine FAQ bringen. Teilgenommen am AMA auf r/bitcoin haben David Shrier, Managing Director am MIT Connection Science, wo die Arbeitsgruppe ChainAnchor angesiedelt ist, der CTO des Instituts, Thomas Hardjono, sowie John Clippinger, ebenfalls Wissenschaftler am MIT Connection Science. Einige Dialoge zeigen, warum das AMA zum Desaster wurde:

Evolvem: Niemand hier glaubt, dass Bitcoin irgendeine Art von erfolgreicher Regulierung haben sollte oder kann. Es vereitelt das ganze Konzept dahinter.

David Shrier: ChainAnchor ist nicht für Bitcoin gemacht.

Als Gregory Maxwell anmerkte, dass in dem von Peter Todd veröffentlichten Paper explizit steht, wie die Technologie auf Bitcoin angewandt werden kann, um eine Regulierungsschicht zu bilden, antwortete Shrier nur:

Und ich sagte, ich werde keine Fragen über ChainAnchor beantworten, die sich auf das Paper vor Version 9 beziehen.

Es handelte sich bei der Veransaltung also nicht um ein “Frag-mich-was-du-willst, sondern um ein “Frag-mich-was-ich-will”. Gerade die Fragen, die den ganzen Trubel erst ausgelöst hatten, musste außen vor bleiben. Plant die ChainAnchor Gruppe des MIT, den Bitcoin zu regulieren, wie es im Whitepaper stand? Und wenn nicht – warum war dies dann im Paper zu lesen? Und warum sollte man darauf vertrauen, dass mit dem Löschen der Passagen auch wirklich die Absicht verschwindet? Dass das MIT es ablehnt, auf solche Frage zu antworten, legt nahe, dass ein Teil der Antworten uns nur verunsichern würde.

Shrier verwies dabei immer wieder auf ein eigens erstelltes FAQ, das solche Fragen adressiert. Vielleicht finden wir dort ja Antworten?

5. Aber stand im ursprünglichen ChainAnchor Whitepaper nicht etwas von sowohl genehmigungspflichtigen (“permissioned”) als auch zugangsfreien (“permissionless”) Blockchains?

Das ursprüngliche Paper beschreibt ChainAnchor in Beziehung zu Blockchains und hat Bitcoin an mehreren Stellen erwähnt, um das Verständnis zu erleichtern. Wir haben jedoch das Feedback bekommen, dass dies verwirrend ist, da wir ChainAnchor nicht für Bitcoin konzipiert haben und es keinen Sinn macht, es für Bitcoin zu nutzen. […] ChainAnchor ist für genehmigungspflichtige Blockchains, nicht für die Bitcoin Blockchain.

11. Aber mein Lieblingsblogger sagt, ChainAnchor ist im geheimen dafür gemacht, Bitcoin zu unterwandern, indem man AML/KYC einführt. Ist das nicht eure echte Agenda?

(a) ChainAnchor ist für genehmigungspflichtige Blockchains, nicht für Bitcoin. (b) Wir haben kein Bedürfnis, Bitcoin zu unterwandern.

Dann kann man ja beruhigt sein, oder?

Natürlicht nicht! Wenn überhaupt, dann bekräftigen sowohl Shier als auch das FAQ diese Sorgen. Warum versuchen Sie, so zu tun, als habe etwas niemals im ursprünglichen Paper gestanden, obwohl das Paper öffentlich ist? Es war klar zu lesen, dass Chain-Anchor als semi-genehmigungspflichtige Schicht des Bitcoins helfen kann, die Menge von im Bitcoin-Netzwerk gewaschenen Geldern zu reduzieren. Warum weigern sich die Mitarbeiter des MIT, die entsprechenden Absätze überhaupt nur zu erwähnen oder zu kommentieren? Dürfen sie nicht? Und wenn ja – warum nicht?

Nachdem also diese Fragen vielsagen unbeantwortet geblieben sind, ging dem AMA ein wenig das Thema aus. Natürlich hätte man fragen können, welchen Nutzen das zugegeben clevere Verfahren von ChainAnchor auf einer Blockchain haben kann. Könnte man eine solche “anonyme Identifizierung” nutzen, um etwa ein elektronisches Wahlsystem aufzubauen? Man hätte auch fragen können, ob die Gruppe eine Softfork braucht, um das Ding durchzusetzen, oder ob es bereits Blockchains gibt, die Interesse gezeigt hätten.

Stattdessen drehte sich alles eher unmotiviert um die Regulierung – ein Thema, bei dem die Bitcoin-Szene bekanntlich allergisch-extremistisch reagiert. Die Beteiligten vom MIT hatten in einer Einführung folgendes Statement zu Regulierung kundgegeben, die in der Szene nur auf Ablehnung stoßen konnte:

Wir denken, dass die Regulierer dich regulieren werden, ohne dich zu fragen, wenn du dich nicht bemühst, früh mit ihnen zu reden.

Bekanntlich denkt eine lautstarke Gruppe in der Bitcoin-Szene, dass man Mathematik nicht regulieren kann und Bitcoin außerhalb der Gesetze steht. Dementsprechend fielen die Dialoge aus:

Denkst du, Satoshi sollte “frühzeitig mit Regulierern geredet” haben?

Ein Hinweis auf die korrekte Antwort: egold, liberty reserve und viele andere.

Auch zu diesem Thema konnte Shrier nicht gerade brillieren:

Wie viele Leute nutzen diese?

Die Attitüde von Regulierern ist es, meiner Erfahrung nach, etwas ins Visier zu nehmen, wenn es groß genug ist, um Bedeutung zu haben. Regulierung folgt der Technologie.

Die genannten Zahlungs-/Währungssysteme – egold, liberty reserve – werden von niemandem genutzt, da sie allesamt von den Regulierern ausgeschaltet wurden – was mit ein Grund war, warum Satoshi eine virtuelle Währung dezentral aufbauen wollte. Shriers Antwort stellt neben diesem Unwissen eine fast unverhohlene Drohung zur Schau: Entweder wir regulieren proaktiv, oder wir lassen uns regulieren, ohne dabei mitzureden.

Etwas später fragte ein Teilnehmer, was die ganze Geschichte mit Bitcoin zu tun habe, da es doch um “private Blockchains” gehe.

Shrier: “Yup. Ich konnte daher auch nicht verstehen, weshalb Peter Todd so viel Aufregung hervorrufen konnte.”

Und Gregory Maxwell: “Möglicherweise weil das Dokument, das er erhalten hat, ausführlich beschreibt, wie die Arbeit auf Bitcoin angewandt werden kann.”

pizzaface18: “Das ist Phase 2, und eigenlich sollte niemand davon wissen.”

Shrier: “Phase 3: Und dann landen die Raumschiffe für die Invasion. Oops! Ich wollte das nicht leaken. /s”

Womit wir wieder beim Anfang wären. Die MIT-Mitarbeiter scheinen einfach nur schlecht darin zu sein, ihre potenzielle Agenda kleinzureden. Zum Glück.

Über Christoph Bergmann (2638 Artikel)
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