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Wie die Bitcoin-Blockchain lernen soll, auf andere Blockchains zu hören

Sidechains könnten eine wundervolle Innovation sein, die Bitcoin innovativer, flexibler, schneller und privater machen. Doch solange die Bitcoin-Blockchain blind dafür ist, was auf der Sidechain passiert, endet das Konzept in einer schrecklich zentralistischen Veranstaltung. Rootstock-Entwickler Sergio Lerner versucht nun, eine Änderung im Protokoll durchzusetzen, die das ändert – stößt dabei jedoch auf politisch motivierten Widerstand.

Die Bitcoin-Blockchain ist groß, schwer und mächtig geworden. Schätzungen von blockchain.info zufolge prozessiert die Blockchain am Tag Bitcoins im Wert von gut 100 Millionen Dollar. Für die Kryptowährung ist dies ein strahlender Erfolg – der jedoch nicht ganz ohne Komplikationen daherkommt.

Denn während Bitcoin vor einigen Jahren noch offiziell ein „Experiment“ war, hält heute keiner mehr ernsthaft an dieser Definition fest. Bitcoin ist längst aus dem Stadium des Experimentierens hinausgewachsen. Es wurde Geld, eine Währung, ein Zahlungsnetzwerk. Dass jeder Fehler nun gigantische verheerende Folgen haben kann, macht es für die Entwickler schwer, innovativ zu sein.

Unter Entwicklern herrscht weitgehend Konsens, dass auf der Bitcoin-Blockchain die Vorsicht zu regieren hat. Um die Innovation aber nicht vollständig Altcoins wie Ethereum oder Monero zu überlassen, haben einige Bitcoin-Entwickler schon 2014 das Konzept der Sidechains formuliert. Die Idee ist nicht schwer zu umfassen: Man nimmt einen Bitcoin, friert ihn auf der Mainchain – der Blockchain – ein und erweckt ihn auf einer anderen Blockchain – der Sidechain – zum Leben. So bleibt der Wert des Bitcoins erhalten, aber er kann über Sidechains auf experimentellen Spielfeldern verwendet werden.

Wie die Blindheit der Bitcoin-Blockchains Sidechains unter eine Föderation zwingt

Neben Blockstream – der umstrittenen Firma einiger Core-Entwickler – arbeitet auch Rootstock seit längerem an einer Sidechain. Rootstock ist das Unternehmen von Sergio Lerner, einem argentinischen Bitcoin-Entwickler, der gemeinsam mit dem Mathematiker Timo Hanke das Konzept von Asicboost entwickelt (und als Patent eingereicht) hat. Mit der Rootstock-Sidechain möchte Lerner den Bitcoin beliebig skalierbar und so flexibel programmierbar wie Ethereum machen. Rootstock soll das beste aus allen Welten vereinen.

Wie Paul Sztorc, der ebenfalls seit einigen Jahren an Sidechains arbeitet, in seinem Drivechain-Post schreibt, ist es relativ einfach, einen „1-way-peg“ einzurichten: Man überweist Bitcoins auf der Mainchain an eine bestimmte Adresse und bekommt dafür auf der Sidechain Side-Bitcoins gutgeschrieben. Prinzipiell wurde genau dies von Counterparty mit Proof-of-Burn gemacht, indem Token auf der Counterparty-Blockchain durch die Vernichtung von Bitcoins erzeugt wurden.

Wenn wir jedoch wollen, dass die Bitcoins von der Sidechain wieder zurück auf die Mainchain hüpfen, beginnen die Probleme. Denn Bitcoin an sich ist blind für das, was auf einer anderen Blockchain passiert. Es gibt daher keine Möglichkeit, die Bedingung zu formulieren, dass Bitcoins freigegeben werden, wenn ein bestimmtes Ereignis auf der Sidechain passiert (beispielsweise dass die Side-Bitcoins vernichtet werden).

Aus diesem Grund ist es bislang unmöglich, Sidechains dezentral zu organisieren. Solange die „echte“ Blockchain blind für das Treiben auf den Sidechains bleibt, braucht man jemandem, der die Bitcoins verwahrt – also jemandem, dem man vertrauen muss. Wie einer Bank. Dies ist der Fall, wenn Blockstream seine Elements-Sidechain baut, und dies ist bislang der Fall bei Sergio Lerners Rootstock-Projekt, das vorsieht, die auf die Sidechain verfrachteten Bitcoins durch eine Föderation von Bitcoin-Unternehmen verwalten zu lassen. Ein solches Modell hat letzten Endes kaum mehr etwas mit Bitcoin zu tun.

Miner taggen Sidechain-Transaktionen

Sergio Lerner versucht nun mit einem Vorschlag, Sidechains ähnlich dezentral zu machen wie Bitcoin oder andere Kryptowährungen. Er hat ein BIP eingereicht, das einen Plan skizziert, wie die Bitcoin-Blockchain lernen kann, Sidechains zu verstehen. Und zwar soll per Softfork ein neuer op-code OP_COUNT_ACKS eingeführt werden, durch den die Miner „Blöcke mit kleinen Daten-Tags markieren können, um anzuzeigen, dass sie anerkennen, dass die zweite Blockchain die Freigabe von Funds verlangt. Wenn die Anzahl von Anerkennungs-Tags eine bestimmte Schwelle übersteigt, wird einer spezifischen Transaktion erlaubt, in einen Block zu gehen.“ Die Miner sollen also in einer fortlaufenden Abstimmung darüber sein, wann die Bitcoins von der Sidechain auf die Mainchain übertragen werden können

Der Vorschlag hat, so Lerner, eine Reihe von Vorteilen: Er ist interoperabel mit Script-Systemen, beschädigt keine Blöcke, beeinträchtigt nicht die Sicherheit des Bitcoins, benötigt wenig Platz und keine weitere Rechenkraft und bietet zudem einen starken Schutz gegen DoS-Angriffe. Dennoch stieß Lerner auf Widerstand, als er sein BIP in der Mailing-Liste angekündigt hat.

Dieser Widerstand war weniger technisch als politisch motiviert. Peter Todd antwortete: „Ich denke, dass du in der Vergangenheit konsensrelevante Technologie patentieren lassen hast, ist an sich ein ausreichender Grund, um extreme Zweifel an jedem Vorschlag zu haben, der von dir und deinen Kollegen kommt […] Ich persönlich lehne den Vorschlag allein aus diesen Gründen ab.“ Todd spielt damit auf das Asicboost-Patent an, das Lerner mit Timo Hanke angemeldet hat. Er verlangt von Lerner, dass Rootstock dasselbe defensive Patent-Modell wie Blockstream verwendet, das rechtlich bindend in fast allen Fällen die Möglichkeit ausschließt, gegen Patentverletzungen zu klagen.

In der folgenden Diskussion erklärte Lerner, derzeit kein Patent auf Rootstock angemeldet zu haben, und dass er Todds Vorschlag mit seinem Team besprechen werde. Die weitere Diskussion seines BIP wurde danach vertagt. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis wir wirkliche Sidechains in Aktion erleben.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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11 Kommentare zu Wie die Bitcoin-Blockchain lernen soll, auf andere Blockchains zu hören

  1. Heiner Müller // 4. Oktober 2016 um 15:03 // Antworten

    Danke für den interessanten Artikel. Dein Blog wäre noch etwas besser, wenn Du endlich mal die Mindermeinung zu Blockstream, Blockgrößen usw. für dich behalten würdest und nicht hinter jeder Diskussion gleich eine politisch motivierte Weltverschwörung witterst.

    • Danke. Darf ich fragen, wo hier (m)eine „Mindermeinung zu Blockstream und Blockgrößen“ enthalten ist? Die Diskussion ist politisch motiviert, weil es um die Patentierung von Software im Bitcoin-Umfeld geht, Lerners Vorschlag also nicht aus technischen, sondern anderen – politischen! – Gründen zurückgewiesen wurde. Abgesehen von den Protanisten (Peter Todd) hat dies nichts mit Blockgrößen etc. zu tun.

      • Jens K. // 4. Oktober 2016 um 16:22 //

        Die Ablehnung Todds gegenüber Lerner ist doch weniger politisch, als einfach nur vorsichtig!? Ich denke, es ist für einen BTC-Entwickler nicht zu viel verlangt, sich von proprietärer Software zu distanzieren.

        Asicboost kann – speziell von solch Hardcore-Security-Researchern – als Angriff auf das Netzwerk empfunden werden. Ich teile diese Auffassung.

        Sidechains kommen bestimmt schneller, als es den meisten Altcoinern lieb ist. 😀

      • Todd lehnt proprietäre Software ab. Das ist in Ordnung und lobenswert. Ich selbst finde das Blockstream’sche Patentmodell gut und habe es in meinem Artikel auch ehrlich gelobt.

        Aber: Sergio Lerner hat ein Proposal eingereicht, das von Todd nicht aufgrund irgendwelcher eigenen Eigenschaften abgelehnt wird, sondern weil es von Lerner kommt und Lerner sich in einem anderen Projekt dafür entschieden hat, ein Patent anzumelden. Das ist so ähnlich als würde man Todds Vorschläge mit der Begründung ablehnen, dass Todd sich in der Vergangenheit durch die Entwicklung eines Altcoins bereichert hat. Oder als würde man GMaxwells Vorschläge ablehnen, weil er mit seiner alten Software-Firma an proprietärer Software gearbeitet hat. Oder …

        Ich weiß, die Beispiele sind überspitzt. Aber die Ablehnung von Ideen aufgrund anderer, vergangener, thematisch nicht direkt in Beziehung stehender, Aktionen der Leute, die die Idee einbringen, ist nicht vorsichtig oder technologisch, sondern politisch.

        Es ist wichtig und notwendig, dass Software und Ideen, die zu Bitcoin gehören, nicht patentiert werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Firmen, die mit Bitcoin arbeiten, kein Patent einreichen dürfen. Das, was Peter Todd aber macht, ist, dass er Sergio Lerner mit einem thematisch uninteressierten Veto erpresst, eine bestimmte Form der Monetarisierung seiner eigenen, privaten, vielleicht durch Kredite finanzierten Arbeit an Rootstock zu unterlassen. Was geht es Todd an, ob Lerner sein eigenes Projekt patentieren lässt oder nicht? Das ist reine Politik.

      • btcchangor // 4. Oktober 2016 um 23:16 //

        CB hat aber Recht, dass Freie Software vs. Proprietär eine politische Dimension ist. Und nichts anderes steckt hinter der Ablehnung von Patenten als einseitige Durchsetzung von IP. Immerhin gibt es offenbar eine gewisse Einsicht wenn der Vorschlag von den Patenteinreichern diskutiert wird.

      • Ich weiß zwar nicht, was Heiner Müller genau meint, aber vielleicht ging es ihm hierdrum:
        „Blockstream – der umstrittenen Firma einiger Core-Entwickler“. Blockstream, umstritten, Core. Na klar. Welche Firma ist denn bitte nicht umstritten in Bitcoinland?

        Ich finde auch, dass es langsam Zeit ist, r/btc vom Blog zu entfernen. Sind doch nur noch ewig Gestrige dort, die sich gegenseitig daran aufgeilen, einzelne Personen von Blockstream oder Core zu diffamieren. Aktuell zwei Hate Posts gegen Theymos. Warum gibt man dieser unversöhnlichen Minderheit so eine große Bühne?

      • Ja, möglich, dass es darum geht. Man muss tatsächlich nicht permanent erwähnen, dass Blockstream umstritten ist. Werde ich zukünftig darauf achten.

        r/btc werde ich auf keinen Fall entfernen, solange auf r/bitcoin in diesem Ausmaß zensiert wird. Unabhängig davon, dass die Qualität der Resultate zum Teil grottig ist. Warum eine Community um eine „unzensierbare“ Währung ein derartiges Maß an Zensur erträgt, ohne in die unzensierte Alternative auszuwandern, geht nicht in meinen Kopf hinein.

      • Jens K. // 5. Oktober 2016 um 15:03 //

        Todd will hier doch niemanden erpressen, sondern legt einfach eine gesunde Skepsis an den Tag. Lass mich auch mal ein überspitztes Beispiel bringen:
        Ein verurteilter Kinderschänder bewirbt sich auf eine Stelle in einem Kindergarten.

        Stark überspitzt.

        Weder Lerner noch der Kinderschänder, werden aus politischen Gründen abgewiesen.

        Todd verlangt ja bloß, dass man sich ausdrücklich von für den Bitcoin schädlichen Lizenzmodellen distanziert, bevor solche Vorschläge ernsthaft in der Developement-Community besprochen werden. Absolut nicht zu viel verlangt. Todd will und kann niemanden davon abhalten, für den Bitcoin zu entwickeln.

        Ich fände es schlimm, wenn man solche „Sünder“ einfach so wieder mit offenen Armen empfangen würde bzw. wenn man den Zusammenhang überhaupt nicht herstellt. Von daher bin ich froh, jemanden wie Todd zu haben. Das spricht alles für ihn.

      • Ich empfinde es als höchst gefährlich, Worte wie „Sünder“ dafür zu verwenden, dass ein unabhängiger Entwickler für seine eigenen Software-Projekte Patente anmeldet, oder dass man pauschalisiert sagt, welche Lizenzmodelle für Bitcoin „schädlich“ sind, selbst wenn sie sich nicht auf Bitcoin-Software erstrecken.

        Das Kinderschänder-Beispiel ist tatsächlich sehr überspitzt. Es trifft imho nicht, da Lerners Vorschlag ihm keinerlei Einfluss darauf gibt, im Kindergarten (Bitcoin-Protokoll) zu schänden. Er möchte lediglich einen OP_Code implementieren, der dezentrale Sidechains wie sein Projekt ermöglicht. Ihm zu diktieren, wie er sein eigenes Projekt patentieren lässt (oder auch nicht) ist nicht viel anders, als wenn die Bitcoin-Entwickler einer Börse sagen, wie sie ihre Software patentieren lassen. Oder jemandem, der eine Wallet entwickelt … ist natürlich gut, wenn man es nicht patentieren lässt, aber es geht nur denjenigen etwas an, der das Projekt schreibt.

        Anderes Gegenbeispiel, genauso überspitzt: Ein Bürger wird trotz technisch korrekter Vorlage seines Ausweises nicht zur Wahl zugelassen, weil der Wahlaufseher seine vorherige Wahlentscheidung „mit einer gesunden Skepsis“ betrachtet. Oder: ein Anliegen eines Mitarbeiters wird zurückgewiesen, obwohl es gut ausgearbeitet ist, weil dem Chef die Zeitung nicht gefällt, die der Mitarbeiter vor einigen Tagen gelesen hat …

  2. Die Idee ist interessant, auch um Bitcoin-Zahlungen von externen Ereignissen abhängig zu machen (Eigentumsübertragung, Übergabe eines digitalen Gutes, Gewährung von Lizenzrechten, …). Allerdings muß dazu die Sidechain genauso (a) unveränderlich und (b) für Bitcoin-Nodes verfügbar sein, wie Bitcoin selbst. Sonst würde die Integrität von Bitcoin leiden. Beispielsweise, wenn sich nachträglich die Bedingung ändert, die eine Bitcoin-Zahlung ausgelöst hat. Wie das sichergestellt werden soll, konnte ich aus dem Artikel nicht herauslesen.

  3. Es ist für mich als Bitcoin der frühen Stunde unerträglich wie nahezu imperialistisch und arrogant ein Peter Todd auftritt.
    Er tut so als würde er für Offenheit und Dezentralisierung einstehen, doch schaut man sich die Entwicklungsabteilung um Bitcoin an, so ist dies alles Andere als dezentral, offen und freiheitlich organisiert. Es gibt wenn man so will keine Alternative zu Blockstream. Jede aufkeimende Alternative wird mit Panikmache und Bashing im Keime erstickt.

    Es ist auch nicht belegbar, dass Bitcoin nach oben hin nicht ausreichend skalierbar wäre. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen im Jahre 2013 ( ist also bereits einige Jahre her ) wäre die Blockchain bis zu einer Blockgröße von 12MB theoretisch skalierbar. Eine Blockgröße die wir selbst bei weiter anhaltend großen Wachstum vermutlich erst in einigen Jahren erreichen würden.
    Dennoch werden Bitcoiner mit Horrorszenarien konfrontiert, dass der Bitcoin nicht skalierbar sei und Bitcoin damit zur Ideologie erklärt.

    Für mich gehört Peter Todd eher in die Politik als in die Entwicklung, wo meiner Meinung nach Politik und Ideologien fehl am Platz sind.

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