Mammutprojekt: IBM, DTCC, Axoni und R3 wollen 12-Billionen-Dollar Blockchain schaffen
Das weltweit größte Clearinghaus will eine Blockchain nutzen, um die Abwicklung des Derivatehandels zu optimieren, und hat dafür IBM, Axoni und R3 engagiert. Wird die Blockchain nun tatsächlich Teil des weltweiten Finanzwesens?
Die Pressemitteilung, die DTCC vor kurzem herausgegeben hat, liest sich wie ein Bericht von einer Elefantenhochzeit auf Chinesisch.
Die Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC), die wichtigste Nach-Handels-Infrastruktur der globalen Finanzindustrie, hat angekündigt, dass sie IBM zusammen mit Axoni und R3 ausgewählt hat, um die Distributed Ledger Technologie (“DLT”) zu entwickeln, die weitere Verbesserungen im Post-trade lifecycle von Derivaten ermöglichen soll. Die Unternehmen werden zusammenarbeiten, um DTCCs Trade Information Warehouse (“TIW”) neu zu gestalten, indem eine Distributed Ledger Lösung für die Nachhandels-Abwicklung von Derivaten zu gebildet wird.
Puh. Lasst uns das ganze Stück für Stück aufziehen.
DTCC ist eine amerikanische Firma, die im Wertpapierhandel die Rolle des Clearings und Settlements nach dem Handel übernimmt. Der Handel an sich bedeutet, dass sich Käufer und Verkäufer treffen und beschließen, miteinander zu handeln. Oft geschieht das auf einer Handelsplattform wie einer Börse. Wenn sich beide Parteien auf einen Handel geeinigt haben, kommen Clearinghäuser wie DTCC ins Spiel, die die “post-trade activity” (Post-Handels-Ereignisse) abwickeln. Sie sorgen dafür, dass die Daten für Zahlungen und Wertpapierübergaben übermittelt werden, prüfen, ob eine Zahlung angekommen ist und verwahren treuhänderisch (als custodian) die Wertpapiere, bis die Zahlung beglichen ist. Clearinghäuser ermöglichen den sicheren Handel mit Wertpapieren.
Mit einem Settlement-Volumen von fast 1,7 Billiarden Dollar (1.700.000.000.000.000 Dollar) ist die DTCC die mit Abstand größte Payment-Firma der Welt, und wenn es eine Firma gibt, die sich angesichts der Blockchain-Technologie Sorgen machen muss, dann ist das DTCC. Denn Assets auf einer Blockchain brauchen kein Clearinghaus mehr, und wenn, dann kann eine Börse, wie es bereits bei Altcoin-Börsen geschieht, die Rolle des Clearinghauses übernehmen. Für Clearinghäuser kann die Blockchain-Revolution existenzgefährdend sein.
Aber weiter in der Erklärung: Das Produkt von DTCC, das nun eine Blockchain bekommt, ist das Trade Information Warehouse. Dieses ist, so die Webseite von DTCC, “eine robuste Infrastrutur, die für Marktteilnehmer weltweit eine Vielzahl von automatischen Operationsmöglichkeiten bereitstellt.” Mit dem Warehouse können so gut wie alle weltweiten Transaktionen rund um Derivate abgewickelt werden, weshalb es von allen großen globalen Derivatehändlern benutzt wird. Insgesamt wurden im vergangen Jahr rund 12 Billionen Dollar über das TIW prozessiert.
Derivate, um nun auch das zu klären, bezeichnet eine Gruppe von Finanzprodukten, die im Grundsatz nur ein Vertrag sind, dessen Wert von einem zeitbezogenen Referenzwert eines anderen Marktgutes abhängt. Zum Beispiel sichere ich Ihnen per Vertrag zu, am 01.02. den Preis für ein Kilogramm Gold zu bezahlen. Man kann das ganze auch als regelmäßigen Austausch gestalten, als Option, die mir die Wahl gibt, ein solches Geschäft abzuschließen oder auch nicht, und man kann einen sogenannten Hebel drauflegen, der Kursveränderungen potenziert. Derivate sind eine kunterbunde Klasse von Finanzprodukten, die vorwiegend der Absicherung von Risiken, etwa für Anleger oder auch große Handelsgeschäfte, dienen, aber auch als Spekulationsobjekt eingesetzt weren. Der Markt für Derivate ist das am schnellsten wachsende Segment der Finanzwirtschaft; im Jahr 2011 umfasste er den irren Wert von 700 Billionen Dollar, was deutlich mehr ist, als das Bruttosozialprodukt der gesamten Erde, weshalb die als “Zockerpapiere” verschrieenen Finanzprodukte oft dafür kritisiert weren, als “gefährlichste Finanzprodukte der Welt” die ganze Weltwirtschaft zu destabilisieren.
Also, fassen wir zusammen: Der weltgrößte Abwickler des Derivatehandels möchte diesen auf eine Blockchain bringen; DTCC plant, eine 12-Billionen-Dollar-Blockchain aufzubauen. “Die Lösung wird es DTCC und ihren Kunden ermöglichen, die Abwicklung des Derivatehandels weiter zu straffen, zu automatisieren und die Kosten weiter zu reduzieren, indem die Notwendigkeit von getrennten, redundanten Abwicklungskapazitäten und der damit verbundenen Kosten beseitigt wird.” DTCC hat diese Lösung entwickelt, nachdem sie mit einer Reihe von wichtigen Akteuren diskutiert und verhandelt hat, darunter Barclays, Citi, Credit Suisse, die Deutsche Bank, J.P. Morgan, UBS und Wells Fargo, also die üblichen Großanken, sowie einige Infrastruktur-Anbieter wie IHS Markit und Intercontinental Exchange.
Im Januar wird die Entwicklung der Blockchain für die Derivate beginnen. IBM wird das Projekt leiten, die Entwicklung der Blockchain wird durch Axoni geleistet, die bereits eine “distributed ledger infrstruktur” sowie “smart contract applications” anbieten. R3 wird als Berater dienen. Die von Axoni erbeitete AxCore-Blockchain wird Teil des von der Linux-Foundation geleiteten Hyperledger-Projektes werden, wenn sie live geht, was voraussichtlich im Frühjahr 2018 sein wird.
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