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Studie: Entspringen 70% des Wertes aller Ethereum-Transaktionen einem Mixer?

Himbeeren im Mixer. Bild von Crosa via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Seit einiger Zeit prozessiert das Ethereum-Netzwerk mehr Transaktionen als Bitcoin. Eine neue Analyse zeigt allerdings, dass 68 Prozent des Wertes aller Transaktionen zu einem riesigen Mixer gehört, der die Herkunft von Ether verschleiert. Der Grund könnte jedoch relativ langweilig sein …

Eigentlich genoss Ethereum den Nimbus der weißen Blockchain. Während Bitcoin den schlechten Ruf der Währung des Darknets hat, gilt Ethereum als gute Währung der Banken und Nerds.

Dieses Image kam mit dem ICO-Hype bereits ins Schwanken. Es zeigte sich, dass unreguliertes Crowdfunding die erste Killer-App von Ethereum ist. Eine neue Analyse der Transaktionsverläufe hat das Zeug, weiter am Saubermann-Image von Ethereum zu kratzen. Zumindest behaupten die Autoren der Analyse, entdeckt zu haben, dass im Zentrum der ökonomischen Aktivität von Ethereum ein „Mixer“ steht. Und wo Mixer draufsteht, ist meist Geldwäsche drin, oder?

Lasst uns aber zunächst die Analyse ansehen, bevor wir übereilte Urteile abgeben.

Wegwerfadressen im Transaktionsgraph

Das Team von Cyber Blog hat alle Ethereum-Transaktionen vom Genesis-Block bis zum 15. September 2017 analysiert. Dabei haben sie Cluster in den Transaktionsverläufen herausgearbeitet – sie haben nach Mustern gesucht, die zeigen, dass Transaktionen zusammengehören. Wir kennen dieses Prinzip von Bitcoin, wo verschiedene Adressen oder Transaktionen relativ einfach miteinander verbunden und zu einer Wallet geclustert werden können.

Die Cluster-Analyse der Ethereum-Blockchain führte nun zu einer bemerkenswerten Erkenntnis: Es gab eine Klasse von Adressen, die als „Wegwerfadressen“ verwenden werden. Sie erhielten Geld, das Geld wurde weiterüberwiesen, und danach wurde die Adresse nie wieder benutzt.

Das Erstaunliche ist nicht, dass es solche Adressen gibt. Das Erstaunliche ist die Masse. „Die temporären Adressen machten 46% aller aktiven Adressen aus und prozessierten 65% des absoluten Transaktionsvolumens im untersuchten Zeitabschnitt.“ Man muss kurz durchatmen, um sich diese Werte zu veranschaulichen. Fast die Hälfte aller Ethereum-Adressen und rund zwei Drittel aller überwiesenen Werte!

Allerdings verwenden die Analysten wohl nicht ganz ohne Absicht diese dramatisch klingenden Zahlen. Weniger extrem ist die Rolle des Mixers, wenn man seinen Anteil nicht am Wert, sondern an der Anzahl der Transaktionen betrachtet. Dieser ist mit 10 Prozent noch immer hoch, aber doch schon deutlich überschaubarer. Der Mixer hat dementsprechend kaum einen Einfluss auf die seit 2016 rasant gestiegene Anzahl an Ethereum-Transaktionen, die mittlerweile zwischen 300.000 und 500.000 am Tag liegt.

Ein Mixer zwischen Börsen

Aber kommen wir zurück zu dem, was die Analysten gefunden haben. Sie haben untersucht, was die Ausgangspunkte und Ziele der Transaktionen um die Wegwerfadressen herum waren. Herausgekommen ist diese interessante Illustration:

Zum größten Teil sind es sechs Börsen, die 31 Millionen Ether in einen Mixerkreislauf jagen, von dem aus sie wieder zu sechs Börsen gehen. Zwischen den Börsen sind die Ether 80 Mal um sich selbst rotiert und haben dabei Blockchain-Transaktionen im Volumen von 2,5 Milliarden Ether (entspricht 700 Milliarden Euro) erzeugt. Zwischen den Börsen und dem Kern des Mixers befindet sich eine Schale, die aus temporären und permanenten (mehrfach benutzten) Adressen besteht. Die Wegwerfadressen im Kern des Mixers empfangen in der Regel Beträge von etwa 500, 1.000, 2.000, 3.000, 5.000 oder 10.000 ETH.

Eine weitere Grafik zeigt, wie der Anteil der Transaktionen des Mixers am Wert der Ethereum-Transaktionen im Lauf der Zeit zunahm.

Offenbar lief der Mixer schon seit Mitte 2015 auf kleiner Flamme. Nach einem Test im Spätsommer 2016 setzte er dann Ende 2016 zur vollen Aktivität an.

Die genaue Analyse der beobachteten Adressen offenbart ein bestimmtes Schema. Die Forscher haben die Adressen in sechs Gruppen eingeteilt: Adressen, die per Transaktion 500, 1.000, 2.000, 3.000, 5.000 oder 10.000 Ether empfangen. „Der Chart zeigt, wie diese Sets von Adressen sich gegenseitig beinah eins zu eins ersetzen. Nimm‘ ein Set von Adressen, etwa welche die etwa 1.000 Eth empfangen. Nachdem sie eine Weile aktiv sind, werden sie inaktiv, und ein anderes Set setzt ein, etwa eines mit Adressen, die 3.000 ETH je Transaktion empfangen. Es wirkt, als werde das Verhalten der Adressen orchestriert, was uns zu der Vermutung veranlasst, dass es ein bestimmtes System gibt, dass diese Aktivitäten koordiniert.“

Mixer heißt nicht automatisch kriminelle Geldwäsche!

Die Cyber Blog Analysten nennen ihren Fang „Mixer“, weil dies offenbar genau das ist, was die Adressen machen – sie vermischen Ether verschiedener Herkunft, so dass es kaum bis gar nicht mehr zu bestimmen ist, woher welche Ether stammen. Allerdings bedeutet „Mixer“ an sich noch nicht, dass eine kriminelle Aktivität vorliegt. Kryptowährungen zu mixen darf nicht mit Geldwäsche gleichgesetzt werden, sondern ist angesichts der hohen Transparenz einer Blockchain ein nötiges Unterfangen, um zumindest ein Stück finanzielle Privatsphäre zu erreichen.

Daher spekulieren die Analysten noch, welchen Zweck dieses mächtige Konstrukt haben könnte, das sie auf der Blockchain gefunden haben. Sie haben mehrere Vermutungen: Erstens könnte es sein, dass Kryptobörsen die Kundenguthaben mixen, um ihren Kunden „sauberes Geld“ auszuzahlen, das nicht mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden kann; zweitens könnte dieser Mechanismus US-Bürger davor schützen, in unerwünschten Kontakt mit den strengen US-Regulierern kommen; drittens könnten die verschiedenen Börsen diesen Mixer benutzen, um sicher Geld von Börse zu Börse überweisen; und viertens schließlich ist auch denkbar, dass die Analysten auf ein System der organisierten, massiven Geldwäsche durch Ethereum gestoßen sind.

Für die vierte Alternative spricht, dass einige der vom Mixer verwendeten Adressen offenbar in Zusammenhang mit gehackten Coins stehen, etwa diese hier. Andererseits dürften gehackte Coins über kurz oder lang unvermeidbar auf Börsen landen.

Die Ethereum-Community bringt nun noch eine fünfte Vermutung ins Spiel: Die Analysten sind auf die Wallets von Coinbase bzw. GDAX gestoßen. Die größte Börse für Ether in den USA fehlt nämlich in dem Diagramm über die Ein- und Ausgänge in bzw. aus dem Mixer. Daher ist es gut möglich, dass der vermeintliche Mixer lediglich die Wallet von Coinbase ist. Diese Vermutung ist relativ plausibel; sie macht den Fang der Blockchain-Analysten viel weniger aufregend, als eigentlich gedacht. Es ist ein wenig so, als hätte man ein riesiges, dunkles, seltsam verschnörkeltes, rätselhaftes Gebäude mitten in Köln entdeckt, und meint, daraus eine Nachricht machen zu müssen …

Vitalik Buterin von der Ethereum Foundation kommentiert die Analyse dementsprechend kritisch. Der Ethereum-Chefentwickler klagt, dass die Verwendung von „Transaktionsvolumen“ in dem Artikel irreführend ist; tatsächlich ist es leicht, dies mit der Anzahl der Transaktionen zu verwechseln. Sogar Zooko von Zcash brachte das durcheinander. Für Vitalik Buterin ist der Wert aller Transaktionen ein relativ unnützer Chart, da man ihn beliebig manipulieren kann, indem man größere Beträge oft hin- und herschiebt. 68 Prozent des Transaktionsvolumens sind nicht mit 68 Prozent der wirtschaftlichen Aktivität gleichzusetzen.

Es ist also gut möglich, dass in der Analyse von Cyber Blog viel weniger Krimi steckt, als der Titel vermuten lässt. Es ist auch möglich, dass der Anteil des Mixers an der ökonomischen Aktivität auf Ethereum deutlich geringer ist, als die Darstellung im Artikel vorgibt. Spannend ist die Analyse dennoch.

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7 Kommentare zu Studie: Entspringen 70% des Wertes aller Ethereum-Transaktionen einem Mixer?

  1. Allein schon Mixer in die Nähe von Geldwäsche zu rücken zeigt welche Haltung der Autor vertritt. Schade…

    • Bitte den ganzen Beitrag lesen. Ich schreibe explizit, dass dem nicht so ist.

      Allerdings bedeutet “Mixer” an sich noch nicht, dass eine kriminelle Aktivität vorliegt. Kryptowährungen zu mixen darf nicht mit Geldwäsche gleichgesetzt werden, sondern ist angesichts der hohen Transparenz einer Blockchain ein nötiges Unterfangen, um zumindest ein Stück finanzielle Privatsphäre zu erreichen.

  2. a wie astronaut // 28. September 2017 um 23:54 // Antworten

    Wozu soll der Artikel jetzt gut sein?
    Was haben wir gelernt? Und wenn ja warum?

  3. Noch ein Erklärungsvorschlag: Bots schieben einige Ethereum-Coins hin und her, um ein großes Transaktionsvolumen vorzutäuschen (Vitalik Buterin scheint das ähnlich zu sehen), um Ethereum gegenüber anderen Kryptowährungen besser aussehen zu lassen und so den Wechselkurs nach oben zu treiben.

    Die Wallet einer Börse entdeckt zu haben und nur weil man das nicht bemerkt hat eine große Geschichte daraus zu machen, das halte ich schon deshalb für die wahrscheinlichste Erklärung, weil das der Qualität heutiger Berichterstattungen, insbesondere aus dem wirtschaftlichen Bereich und ganz besonders über Kryptowährungen am ehesten entspricht. Wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre es richtig amüsant.

    Die Möglichkeit zur Geldwäsche ist allerdings etwas, das von jeder Alternative, die bisheriges Geld verdrängen will, ganz dringend gebraucht wird. Sonst ist die Alternative doch gerade für die ganz großen Tiere (CIA, NSA usw.) völlig nutzlos!
    らんま

  4. Sehr interessanter Artikel!
    „Allerdings bedeutet “Mixer” an sich noch nicht, dass eine kriminelle Aktivität vorliegt.“ Ganz gleich ob man damit Ether waschen möchte oder nicht: Ether werden durch den Mixer de facto gewaschen (auch wenn die immer ähnlichen Beträge und Muster nicht unbedingt gut dafür geeignet sind). Wenn das allein nicht das Hauptziel des Mixers sein sollte, ist es trotzdem mit Sicherheit ein für die Börsen angenehmer Nebeneffekt (wie du selbst auch schreibst: „… könnte es sein, dass Kryptobörsen die Kundenguthaben mixen, um ihren Kunden “sauberes Geld” auszuzahlen…“). Keine Börse möchte den Ruf bekommen, „nicht sauberes Geld“ auzuzahlen (könnte ja auch rechtliche Folgen haben), aber jede Börse besitzt eben zwangsläufig früher oder später auch (ungewollt) Kundenguthaben, die aus kriminellen Quellen stammen.
    Interessant wäre dann mal eine Analyse, ob es solche Mixer-Muster analog bei anderen Kryptowährungen gibt (oder zumindest bei anderen Kryptowährungen mit relativ geringen Transaktionsgebühren).

  5. Also, Geldwäsche wird auch mit Banknoten betrieben. Ich schätze mal, das an jeder zweiten Banknote Heroin zu finden ist. Wenn jedoch der Mixer dies tut wie hier beschrieben, dann ist es doch genau das, was die Nutzer einer Cryptocurrency benötigen. Darum haben doch die Cryptos so einen Erfolg. Nämlich, keine Banken und keine Regierung, die den Bürger bestiehlt. Aber was weiß ich schon.

    Tester

  6. Noch eine Theorie: Ethereum-Coins werden von Bot-Netzen hin und her geschoben, aber diese Bot-Netze werden nicht von den Proof-of-Stake-Profiteuren betrieben, sondern von Proof-of-Work-Profiteuren. Das dient dazu, die Fees nach oben zu treiben. Aus der Sicht eines Proof-of-Work-Profiteurs sollte das eine sinnvolle Anpassung an eine Umstellung von Proof-of-Work zu Proof-of-Stake sein.
    らんま

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