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Fast die Hälfte des Drogenhandels auf Darknet-Schwarzmärkten entfällt auf die EU – aber ist im Gesamtbild noch immer unbedeutend

Tablette, vielleicht illegale Drogen. Bild von Ernest Duffoo via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Das Europäische Zentrum für Drogen und Drogenmissbrauch (EMCDDA) hat gemeinsam mit Europol einen ausführlichen Bericht über den Drogenhandel auf Darknet-Märkten im Deepweb geschrieben. Der Bericht zeigt, dass die EU das Zentrum des Online-Drogenhandels ist – aber dass dessen Anteil am gesamten Drogenhandel eher irrelevant ist. Dennoch wittert die Behörde die Chance, das Phänomen im Keim zu ersticken, bevor es groß wird.

Der gemeinsam von der EMCDDA und Europol veröffentlichte Bericht analysiert den Drogenhandel auf den Darknet-Märkten im Lichte der neusten Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien und der Arbeit der internationalen Strafverfolger. Er beleuchtet ein spannendes Phänomen, das ansonsten eher im Dunkeln stattfindet, und über dessen Bedeutung für Bitcoin die Meinungen sehr weit auseinandergehen.

Ein bequemer Verkaufskanal

Der Bericht sieht die Darknetmarkets als ein neues, aber bereits gefestigtes Phänomen im Schmuggel und Handel von Drogen. Die Darknetmarkets sind auf anonymen Servern gehostet, können nur mit dem TOR-Browser anonym angesurft werden, und bezahlen kann man auf ihnen nur mit Bitcoins oder anderen Kryptowährungen, vor allem Monero. Gehandelt werden auf ihnen verschiedenste illegale Waren, doch hier geht es nur um Drogen.

Der Bericht liest sich streckenweise wie eine Werbung für diese Märkte. Sie haben für Käufer und Verkäufer eine Reihe von Vorteilen. Diese “beinhalten die Auswahl an Produkten, die einfache Verfügbarkeit, die Bequemlichkeit, wie auch Preis und Qualität.” Dazu kommt noch ein “relativ geringes Risiko, aufgespürt zu werden, Gewalt zu erfahren oder ‘abgezogen’ zu werden.” Kurz gesagt: “Darknetmarkets bieten einen bequemen Verkaufskanal für Kunden technisch versierte Kunden.”

So ähnlich, wie der E-Kommerz die Märkte für legale Güter aufgewirbelt hat, könnten die Märkte im Darknet den Drogenhandel erschüttern. Dies allerdings geschah, allen Vorteilen zum Trotz, bislang nicht. “Im Vergleich mit dem gesamten Verkauf im Drogenmarkt der EU sind die Verkaufszahlen auf den Darknetmarkets relativ gering.” Doch ein solcher Handel geschieht in signifikantem Ausmaß “und hat das Potenzial, weiter zu wachsen.”

Während es den Behörden gelungen ist, viele Informationen zu sammeln und viele Aspekte der Darknetmarkets zu beleuchten, bleibt immer noch unklar, ob das organisierte Verbrechen bereits begonnen hat, die Märkte für den Schmuggel und die Distribution von Drogen zu verwenden.

Darknet-Drogenhandel in der EU

Weite Teile des Berichts widmen sich der Aktivität der von Dealer und Käufern in der erweiterten EU (inklusive Großbritannien, Norwegen und der Türkei). Um diese zu beurteilen, haben die Autoren die “Schnappschüsse” des Handels auf 16 großen Marktplätzen zwischen dem 22. November 2011 und dem 16. Februar 2015 analysiert. Die Erkenntnisse sind interessant und dürften auch informativ sein, wenn es um die generellen Konsummuster von Drogen in Europa geht.

Zunächst zeigen die Daten, dass die EU ein Hotspot der Drogenkriminalität im Darkweb ist. Mit 46 Prozent geschieht fast die Hälfte des Umsatzes des Online-Drogenhandels durch Dealer aus der EU. Interessanterweise deckt sie aber nur 34 Prozent des gesamten Gewichts ab. Dies kann dadurch erklärt werden, dass EU-Dealer proportional wenig Cannabis verkaufen – das günstig je Gewichtseinheit ist – während häufiger teure chemische Aufputscher vercheckt werden.

Am populärsten bei den Europäischen Darknet-Deals sind die sogenannten “Stimulanzmittel außer Kokain”, was wohl Wachmacher wie Ecstasy oder Crystal Meth beinhaltet. Danach folgen Kokain und Cannabis. Halluzinogene, wie magische Pilze oder LSD, spielen ebenso wie Opiate wie Heroin eher eine geringe Rolle.

Das Land mit dem höchsten Volumen gibt die allgemeine Wirtschaftsordnung der EU wieder: Es ist Deutschland, die größte Volkswirtschaft des Kontinents, mit einem Volumen von 26,6 Millionen Euro in der beobachteten Zeit. Überraschender ist, dass auf Deutschland nicht Länder wie Frankreich oder Italien folgen, sondern Großbritannien, die Niederlande und dann Belgien.

Noch klein, aber eine Bedrohung mit Potenzial

Auch sechs Jahre, nachdem die Silk Road 2011 das Zeitalter der Darknetmarkets eingeläutet hat, sind die digitalen Schwarzmärkte ein Nischenphänomen im europäischen Drogenhandel.

“Forschungen zeigen, dass die gesamten monatlichen Einnahmen durch den Handel mit illegalen Drogen auf den acht Top-Märkten zwischen 10,7 und 18,7 Millionen Euro liegt,” so der Bericht. “Die Proportion von online gehandelten Drogen bleibt klein, wenn man sie mit der Menge vergleicht, die durch traditionelle Schmuggel- und Verteilernetzwerke gehandelt werden.”

Allerdings notiert der Bericht, dass die Darknetmarkets eine Drohung mit einem bemerkenswerten Potenzial darstellen. So wie bei einem Startup ist es möglich, dass ihre Geschichte erst begonnen hat. Vor allem zwei Eigenschaften der Märkte sind für den Bericht relevant:

Erstens, “bieten sie eine ideale Umgebung für die Distribution von allen Arten von illegalen Gütern, einschließlich Drogen, Waffen, gefälschten Produkten und Dokumenten.” Die Märkte sind “eine maßgeschneiderte polykriminelle Umgebung.” Die Auswahl an Drogen “übersteigt deutlich das, was Usern auf der Straße angeboten wird”, was eine Bedrohung für die Gesundheit der EU-Bürger darstellen kann.

Zweitens gibt es Hinweise, dass das organisierte Verbrechen begonnen hat, die Märkte zu benutzen. Aber diese Hinweise sind vage, und beziehen sich etwa auf die Distribution von Cannabis an die Straßendealer. Laut dem Bericht besteht die Möglichkeit, dass die Darknetmarkets die etablierten Drogen-Unternehmer herausfordern, da sie es Individuen ohne kriminelle Netzwerke ermöglichen, Drogen mit relativ wenigen Zwischenhändlern zu verkaufen. Allerdings ist das bislang noch wenig spürbar.

Herausforderungen für die Strafverfolgung

Für die Polizei stellt der mögliche Aufstieg der Darknetmarkets eine nennenswerte Herausforderung dar. Um Verbrechen in diesem Umfeld aufzuspüren, müssen die Strafverfolger mit verschiedenen Themen arbeiten, die in der Drogenkriminalität ansonsten eher selten vorkommen: Zahlungen mit Kryptowährungen, verschlüsselter Internettraffic und eine steigende Anzahl an mit der Post ausgelieferten illegalen Waren.

Die meisten Online-Drogendealer nehmen nur Zahlungen in Kryptowährungen wie Bitcoin an, tauschen diese jedoch gegen Euro um. Dank der Transparenz der Blockchain und der fortgeschrittenen Regulierung der Börsen kann die Polizei die Spuren des Geldes mittlerweile relativ gut verfolgen. “Das Wissen und die Erfahrung, wie man virtuelle Währungen verfolgt, aufspürt und konfisziert, steigt weiterhin unter den Strafverfolgern und wird durch verschiedene Tools aus der Privatwirtschaft gestärkt,” so der Bericht. Allerdings räumt er ein, dass dies “oft auf Bitcoin begrenzt ist und nicht andere Kryptowährungen abdeckt, die beginnen, sich auf diesen Märkten zu auszubreiten.” Problematisch sind vor allem Währungen wie Monero oder Zcash, die “Kriminellen eine größere Anonymität bieten”. Deren Verbreitung könnte zunichte machen, was bisher erreicht wurde.

Weiter sind viele konventionelle Methoden, mit denen die Polizei Drogendealer jagt, nutzlos, wenn es um die Darknetmarkets geht. “Die Drogenfahndung ist oft schlecht darauf vorbereitet, mit dem Handel im Darknet umzugehen. Dieser fordert Ermittlungs-Techniken und -Erfahrungen, die man normalerweise eher bei Einheiten findet, die Cyberkriminalität bekämpfen.”

Eine Schlüssel-Schwäche des Online-Drogenhandels ist dort zu finden, wo dieser die echte Welt berührt: Wenn die Drogen mit der Post versendet werden. “Die Strafverfolger beobachten Entwicklungen in diesem Gebiet genau und arbeiten mit Akteuren der privaten Wirtschaft zusammen, darunter große Transport- und Logistik-Dienstleister, um Drogen, die per Post versendet werden, aufzuspüren und zu verfolgen.” Ein Problem ist hier allerdings das generell gesteigerte Aufkommen von Paketsendungen, unter denen nicht nur die Postboten ächzen, sondern auch die Drogenfahnder, da dieses es unmöglich macht, “systematische und effektive Kontrollen durchzuführen, um mehr als vereinzelte verdächtige Pakete zu identifizieren.”

Mehr Kooperation

All dem zum Trotz sind die Strafverfolger Europas äußerst erfolgreich darin, die Darknet-Markets zu bekämpfen. Neben den beinah täglichen Festnahmen von Online-Dealern, über die das “Branchemagazin” Deepdotweb.com in schöner Regelmäßigkeit berichtet, zeigen sie sich auch wiederholt in der Lage, die Märkte selbst vom Netz zu nehmen.

Am bemerkenswertesten dürfte der Shutdown von Alphabay und Hansa Anfang August zu sein. Der Bericht nennt diesen Fall als eine Erfolgsgeschichte. Nicht nur, weil man damit “bedeutende Elemente der Infrastruktur des kriminellen Undergrounds ausgeschaltet”, kriminelle Unternehmungen erschüttert, Schlüsselfiguren verhaftet und massenweise Daten gesammelt hat.

Am wichtigsten bei diesem Paradefall war etwas anderes: Nämlich dass es gelang, die Kontrolle über den Hansa Market zu übernehmen. Als die Polizei die Server von Alphabay konfiszierte, strömten die Kunden und Dealer zu Hansa – das schon längst in den Händen der holländischen Polizei war. Diese wartete genüsslich einige Wochen ab, sammelte noch mehr Daten, und schaltete dann auch Hansa aus. In der Szene verbreitete dies Schrecken und Paranoia.

Allerdings sind die Darknetmärkte “eine sehr resiliente Umwelt sind, die rasch Aktionen der Strafverfolgung absorbieren kann, etwa den Shutdown der größten Marktplätze.” Wenn ein Markt verschwindet, nimmt zwar der Handel für eine kurze Zeit ab. “Doch die Händler und ihre Kunden migrieren rasch zu alternativen oder neuen Märkten.” Darüber hinaus entwickeln die Märkte und ihre User ihre Techniken weiter. So werden etwa Nachrichten immer besser verschlüsselt, die allgemeinen Sicherheits- und Anonymisierungspraktiken werden geschärft, und zum Graus der Strafermittler scheint eine Migration auf dezentrale Marktplätze wie OpenBazaar möglich zu sein.

Um den Online-Drogenhandel auf den Darknetmarkets zu bekämpfen, empfiehlt der Bericht, “Darknet Ermittlungs-Teams” zu bilden. In diesen sollen verschiedene Behörden, sowohl national als auch international, kooperieren und Wissen und Kompetenz austauschen.

Zwar spielen die Darknetmarkets noch keine erste, zweite oder dritte Geige im Orchester des europäischen Drogenhandels. Doch der Bericht fordert die Polizei dazu auf, nicht denselben Fehler zu wiederholen, den man mit dem Cybercrime gemacht habe – nämlich erst zu reagieren, wenn es zu spät ist und das kriminelle Phänomen bereits einen signifikanten Einfluss auf die Sicherheit der Bürger und Unternehmen genommen hat. Es gebe “ein Zeitfenster der Chance, zu reagieren, bevor die Märkte sich sollständig ausgebildet haben und zu einem wichtigen Verteilungsmechanismus illegaler Drogen in der EU geworden sind.” Mit anderen Worten: Man soll das Phänomen im Keim ersticken.

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3 Kommentare zu Fast die Hälfte des Drogenhandels auf Darknet-Schwarzmärkten entfällt auf die EU – aber ist im Gesamtbild noch immer unbedeutend

  1. pharma-Drogen sind aber natürlich ok..welches phänomen lasst menschen eigentlich drogen nehmen? Das Phänomen des im keim erstickens? ….


    ..die guten Drogen erkennt man natürlich daran, das sie besteuert werden.(Vor der Verhaftung)
    (..bei schlechten Drogen wird bei der Verhandlung das illegale Einkommen geschätzt, dann musst der Angeklagte darauf steuern nachzahlen)

    PS:Glyphosat ist keine Droge!

    jaja, ironie, alles nur ironie.

    Everybody, Have fun today.

  2. Ja wo kämen wir denn da hin wenn traditionelle Drogenmärkte wie Bahnhöfe und Stadtparks sterben würden. Da könnten die Bürger ja glatt ein Gefühl gestiegener Sicherheit bekommen. Man stelle sich vor das dies zu einer Ablehnung der flächendeckenden Massenüberwachung führt. Nicht aus zu malen wie das noch enden könnte.

  3. Der Bericht ist erhellend. Offenbar geht es in Wirklichkeit viel mehr darum, Daten zu sammeln, nicht so sehr um die Bekämpfung von Kriminalität. Interessant ist auch, daß Deutschland, wo einst die Metamphetamine für die Wehrmacht entwickelt wurden, heute noch führend im Handel mit chemischen Drogen ist während natürliche nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das bildet wohl nicht so sehr Wirtschaftsverhältnisse oder Digitalkompetenz oder gar Infrastruktur ab als vielmehr deutsche Geschichte und naturwissenschaftliche Bildung.

    Wollte man Kriminalität bekämpfen, dann würde man ganz einfach die Beschaffungskriminalität durch Legalisierung beseitigen. Steuereinnahmen vermehren sich dadurch auch noch.
    乱馬

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