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Ripple: Ist die Kryptowährung nun zentral oder dezentral?

Und im Zentrum sitzt die ... Bild von Martin Malec via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Eine der langanhaltenden Fragen im Krypto-Universum ist, ob Ripple zentralisiert oder dezentral ist. Die einen sagen, Ripple sei scheußlich zentralistisch, die anderen, es sei dezentraler als Bitcoin. Wir versuchen, der Frage auf den Grund zu gehen.

Wenn über Ripple (XRP) geschrieben wird, heißt es oft im gleichen Atemzug, die Kryptowährung sei hochgradig zentralisiert. Diese Feststellung ist so gängig, dass sie von vielen unterhinterfragt wiederholt und nur selten begründet wird. Zur gleichen Zeit erklären viele Ripple-Fans, dass Ripple nicht nur nicht zentralisiert sei, sondern sogar noch viel dezentraler als Bitcoin. Womit die Verwirrung vollständig wäre. Was denn nun?

Wir versuchen hier, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Dafür werden wir viele verschiedene Faktoren anschauen, uns den Konsens-Mechanismus von Ripple vornehmen und versuchen, irgendwie zu einer einigermaßen anständigen Bewertung zu kommen.

Die einen hui, die anderen pfui

Wer sich fragt, ob eine Kryptowährung dezentral ist, hat das Glück, dass es eine Webseite gibt, die eine erste Antwort auf diese Frage gibt: Arewedecentralizedyet.com (awdy?). Hier schneidet Ripple ziemlich mies ab:

Es gibt nur einen Client, der von der Firma Ripple (früher: Ripple Labs) herausgegeben wird; eine einzelne Entität hat die Kontrolle über mehr als 50 Prozent der Voting-Power (die Firma Ripple); 78 Prozent der verfügbaren Coins sind im Besitz der reichsten hundert Adresen (ein Großteil davon dürfte die Firma Ripple ausmachen), und es gibt keine nativen Anreize für Nodes, wie den Mining-Reward bei Bitcoin. Die Kryptowährung Ripple, könnte man nach diesen Werten sagen, ist fast vollständig unter der Kontrolle der Firma Ripple.

Die finnische Börse Coinmotion hat, nachdem sie Anfang des Jahres Ripple aufgenommen hat, die Kryptowährung in einem Blogpost als „extrem zentralisiert“ beschrieben: „Das Ripple Netzwerk ist ein Set von verschiedenen Anwendungen von Ripple Labs.“ Die Börse beschreibt die Stellung der Firma im Ripple-Universum als die eines Monopolisten. Und BitMex-Research, der Forschungsarm einer Börse für Bitcoin-Derivate, der für seine ausführlichen Berichte zu verschiedenen Aspekten im Krypto-Ökosystem bekannt ist, schließt eine Analyse von Anfang 2018 mit diesen Worten ab: „Das Ripple-System erscheint für alle praktischen Zwecke zentralisiert zu sein. Es ermangelt daher vermutlich vieler interessanter technischer Eigenschaften, über die Bitcoin verfügt, etwa die Resistenz gegen Zensur.“ Das Standard-Verhalten von Nodes gebe „dem Server von Ripple.com effektiv die volle Kontrolle über das Update des Ledgers.“ Ledger ist bei Ripple das Kontobuch, in dem die Guthaben der User stehen.

Auf der anderen Seite sagte Brad Carlinghouse, der CEO von Ripple, bereits im Oktober 2017: „Ripple ist nicht zentralisiert. Um es klar auszudrücken: Wenn Ripple heute verschwinden würde, würde XRP weiterhin funktionieren. Für mich ist das der wichtigste Indikator dafür, dass etwas dezentralisiert ist.“ Und David Schwartz, der CTO von Ripple, erklärte im August 2018, das Thema, ob Ripple dezentral sei, sei „in wildester Weise nuanciert und missverstanden.“ Ripple basiere auf einem „inhärent dezentralen und demokratischen Konsens-Mechanismus, den keine Partei kontrollieren könne.“ Ripple sei sogar sehr viel dezentraler als Bitcoin und Ethereum, wo eine Handvoll von Mining-Lords die Kontrolle über die Blockchain hätten. Und während Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum im Lauf der Zeit immer zentralistischer werden, werde Ripple immer dezentraler.

So. Da wären wir also. Die einen sagen, total zentralistisch, die anderen, total dezentral. Wie gehen wir von hier aus weiter?

Was bedeutet es eigentlich, wenn man von „Dezentralität“ spricht?

Ein guter Anfang wäre es vermutlich, die Frage zu besprechen, was „dezentral“ eigentlich meint. Wenn wir davon keinen klaren Begriff haben, ergibt es auch keinen Sinn, zu fragen, ob etwas dezentral ist. Ohne ihn wäre jede Antwort – „zentral“ oder „dezentral“ – gleichzeitig richtig und falsch, weil sie ja davon abhängt, wie wir Dezentralität definieren. Also: Was meint Dezentralität?

Vermutlich ist es unmöglich, darauf eine definite Antwort zu geben. „Dezentralisierung“ ist ein eher philosophisch-politisches Konzept. So ähnlich wie „Gerechtigkeit“ oder „Freiheit“, und damit immer im Auge des Betrachters. Aber man kann ein paar mögliche Anhaltspunkte dafür festhalten:

  • Kein „Single-Point-of-Failure“: Ein zentrales Netzwerk operiert um einen Kopf herum. Wenn man diesen Kopf abschlägt, funktioniert das Netzwerk nicht mehr. Er ist der „einzelne Punkt des Scheiterns“ (Single Point of Failure). Wenn ein Netzwerk einen solchen Punkt nicht hat, ist es dezentral. Eine Schlange ist zentralisiert, weil man ihr den Kopf abschlagen kann. Eine Hydra ist es nicht.
    In ähnlicher Weise darf keine zentrale Partei in der Lage sein, das System zu verändern oder das Kontobuch mit vergangenen Transaktionen zu manipulieren. Einige Leute gehen dabei auch so weit, von einem dezentralen System zu verlangen, dass selbst die Mehrheit dazu nicht in der Lage ist, sondern man einen „Konsens“ braucht, was wieder ein schwammiges Konzept ist, das man in „absolute, überwältigende Majorität“ übersetzen könnte.
  • Artistokratie oder Gleichheit: Manchen Leuten ist es genug Dezentralisierung, wenn es keinen Kaiser gibt, sondern nur Könige. Für sie war beispielsweise die Machstruktur des frühmittelalterlichen Europas, in dem die Könige, Großherzöge und Fürstbischöfe der verschiedenen Territorien ihre Machtspielchen gespielt haben, dezentral. Andere dagegen verlangen, dass es auch keine Aristokratie gibt, sondern dass alle Knoten im Netzwerk gleichberechtigt sind.
  • Erlaubnisfreiheit und Verifizierung: Ein Aspekt von Dezentralisierung könnte es sein, dass das Netzwerk erlaubnisfrei sein muss: Jeder muss in der Lage sein, teilzunehmen, unabhängig davon, wer er ist und woher er kommt. Es muss ohne Vertrauen funktionieren. Einige verlangen auch, dass jeder in der Lage sein muss, die gesamte Geschichte der Transaktionen von Anfang bis Heute selbst zu verifizieren, um absolut sicher festzustellen, dass eine Transaktion, die er erhalten hat, korrekt ist.
  • Fairness: Die Coins sollten einigermaßen fair verteilt sein. Wo fair beginnt und aufhört, ist dabei eine Frage, die ziemlich unmöglich zu beantworten ist. Aber klar dürfte sein, dass eine Kryptowährung kaum als dezentral gelten kann, wenn eine einzelne Partei die Hälfte aller Coins hat. Ebenso sollte die Macht im Ökosystem fair verteilt sein. Eine Kryptowährung kann kaum dezentral sein, wenn eine Partei die Kontrolle über alle relevanten Bestandteile des Ökosystems hat.

Damit hätten wir einige Indikatoren. Es ist klar, dass eine Kryptowährung „dezentraler“ ist, wenn diese Indikatoren besser erfüllt sind, und „zentraler“, wenn sie weniger erfüllt sind. Dies bedeutet aber nicht, dass sie eine eindeutige Grenze markieren, ab wann etwas dezentral oder zentral ist. Wo man diese Grenze setzt, hängt von den eigenen Ansprüchen ab. Dem einen reicht es, wenn ein Coin keinen zentralen Kopf hat; für den anderen ist alles zentralisiert, bei dem er nicht die Blockchain auf einem Mikrocomputer von Genesis an durchrechnen kann.

Um diese Kategorien jetzt auf Ripple anzuwenden, müssen wir uns zunächst noch einmal anschauen, wie Ripple funktioniert.

Wie Ripple einen Konsens im Netzwerk schafft

Wenn man an Kryptowährungen wie Bitcoin gewöhnt ist, bei denen ein Proof of Work durch die Miner über die gültige Chain entscheidet, ist es sehr kontra-intuitiv, zu verstehen, wie Ripple funktioniert. Dabei ist es eigentlich recht simpel.

Im Kern beruht der Konsens bei Ripple auf Vertrauen. Jeder Knoten ist mit anderen Knoten verbunden, und sobald eine Transaktion von einer bestimmten Anzahl dieser Knoten akzeptiert ist, akzeptiert man sie auch. Auf diese Weise kommt das Netzwerk zu einem Konsens. So einfach ist das. Dabei zählt nicht jeder Knoten, sondern nur sogenannte „Validatoren.“ Jeder Knoten im Netzwerk verbindet sich zu einer frei wählbaren Anzahl von Validatoren, und sobald mehr als 80 Prozent eine übereinstimmende Ordnung der Transaktionen signalisieren, akzeptiert er diese Ordnung.

Wenn das Netzwerk keinen Konsens hat – wenn also weniger als 80 Prozent der Knoten der Ordnung der Transaktionen zustimmen – stoppt es. Hier habe ich noch nicht ganz verstanden, wie dieser Mechanismus funktioniert, also, woher das Netzwerk zum Konsens kommt, dass es keinen Konsens hat, wie die Abschaltung funktioniert und wie es wieder reaktiviert werden kann.

Dabei sollte man noch wissen, dass Ripple ein etwas anderes Buchungssystem als Bitcoin verwendet. Während bei Bitcoin die Transaktionen über sogenannte „UTXOs“ (Unspent Outputs) abgewickelt werden – was man sich wie Münzen vorstellen kann – gibt es bei Ripple „Accounts“. Eine Adresse verfügt nicht über eine Menge an „Coins“ (das sind die UTXOs), sondern über ein Guthaben, wie beim Bankkonto. In gewissen Zeitabständen wird die Gesamtheit dieser Guthaben mit einem Schnappschuss als „Ledger“ abgespeichert und im Netzwerk geteilt. Als Beweis dafür wird ein Hashtree dieses Schnappschusses im Netzwerk geteilt. Dieser hilft, ein Update des Ledgers zu prüfen. Mit diesem System sind Ripple-Nodes in der Lage, alte Transaktionen einfach wegzuwerfen, da die aktuellen Guthaben durch den Hashtree bestätigt werden.

Die XRP genannten Token sind die native Währung von Ripple. Sie sind mengenmäßig begrenzt, können nicht mehr geschaffen werden und Transaktionen mit ihnen sind, so die Firma Ripple, unzensiersierbar. Die XRP dienen als Spamschutz. So braucht man eine geringe Menge XRP, um einen Account zu eröffnen, der im Ledger eingetragen wird, und man muss auch eine kleine Menge XRP vernichten, wenn man eine Transaktion zeichnet. Dieser Betrag steigt an, wenn es eine Spamwelle auf Ripple gibt. Damit sind die XRP-Token langfristig deflationär.

Ihnen gegenüber stehen andere Token, die beispielsweise Dollar, Euro oder Bitcoin repräsentieren. Sie werden durch sogenannte „Gateways“ geschaffen, die dafür die entsprechenden Werte vorrätig halten. Solche Token können durch die Gateways zensiert und eingefroren werden.

Der riesige Einfluss von Ripple Labs

Nun zur Rolle der Firma Ripple in all dem. Diese erstreckt sich auf mehrere Kernbereiche von Ripple: Erstens die Distribution der XRP-Token, zweitens die Entwicklung der Software, und drittens die Schaffung des Konsens.

Schöpfung und Distribution der XRP-Token
Ripple war ursprünglich ein Zahlungssystem ohne die XRP-Token, das einen eher überschaubaren Erfolg hatte. Irgendwann 2012 oder 2013 hat sich Ripple dann neu erfunden und die XRP Token eingeführt. Von diesen wurden 100 Milliarden geschaffen. 80 Milliarden davon wurden an die nun gegründete Firma Ripple Labs gegeben, 20 Milliarden an die drei Gründer Chris Larson (9,5 Milliarden), Jed McCaleb (9,5 Milliarden) und Arthus Britto (1 Milliarde). Während Jed McCaleb einen Großteil seiner XRP mittlerweile auf den Markt geworfen hat, hat Chris Larson diese gehortet. Als XRP im Januar 2019 ein Allzeithoch von beinah drei Dollar erreicht hatte, stieg das Vermögen von Chris Larson kurzzeitig auf mehr als 50 Milliarden Dollar, was ihn zu einem der reichsten Menschen der Erde machte. Einem (nicht mehr verfügbarem) Graphen zufolge hat auch CTO David Schwartz im Jahr 2013 gut eine Milliarde XRP erhalten; bekannt ist, dass er im April dieses Jahres ungefähr 2,8 Millionen XRP verkauft hat.

Die Firma Ripple kümmert sich seitdem darum, diese Coins weise und gerecht zu verteilen. Bisher hat die Firma rund 25 Milliarden XRP in Umlauf gebracht. Ende 2017 hat sie dann 55 Milliarden XRP in einen Treuhandfonds gesteckt, um „die Menge der XRP mit Sicherheit zu jedem Zeitpunkt bestimmbar zu machen“, wie die Firma auf ihrem Blog schreibt. Dafür hat Ripple ein Treuhand-Feature der XRP-Ledger genutzt, das die XRP für eine vorher bestimmte Zeit einfriert. Mit 55 Verträgen wurde je eine Milliarde XRP eingefroren, von denen jeden Monat eine freigegeben wird, um wohl von Ripple nach eigenem Ermessen verteilt oder verkauft zu werden. XRPs, die dabei übrig bleiben, werden erneut eingefroren. Die Analyse-Firma CoinMetrics berichtet, dass es Unstimmigkeiten zwischen dem gibt, was Ripple für das Treuhand-System angekündigt und wie es umgesetzt wurde, sowie wie Ripple die Erlöse verbucht und wie sie tatsächlich verwendet wurden.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Geldschöpfung von XRP absolut zentralisiert vonstatten ging. Der Großteil der Coins wurde in einem geschlossenen Zirkel von Gründern verteilt, die massiv von jeder Wertsteigerung seitdem profitiert haben bzw. profitieren. Auch die weitere Ausschüttung der Coins obliegt der Firma Ripple, auch wenn sich diese selbst auf eine Milliarde XRP je Monat beschränkt. In diesem Sinne ist die Geldschöpfung bei Ripple um ein vielfaches zentraler, als sie es beim politischen Fiat-Geld jemals war. Das Ergebnis ist eine der ungleichsten Verteilungen von Coins im Krypto-Universum.

Die Entwicklung der Software
Die Ripple-Software – also die Node-Implementierung – obliegt zu 100 Prozent den Software-Entwicklern der Firma Ripple. Die Firma wirbt damit, einige der besten Entwickler der Welt dafür angestellt zu haben.

Ripple schreibt dazu: „Ein Team von Vollzeit- und Weltklasseentwickler bei Ripple wartet und verbessert die dem XRP Ledger unterliegende Software. Ripple agiert als ein Wächter und Steuermann der Technologie (‚Steward‘) und als ein Berater für deren beste Interessen, während die Firma konstruktive Beziehungen zu Regierungen und Finanzinstitutionen auf der ganzen Welt knüpft.“ Die Software ist Open Source und kann von jedem heruntergeladen und, theoretisch, verändert werden. Allerdings dürfte es praktisch unmöglich sein, Änderungen einzuführen, die nicht von Ripple abgenickt werden.

Man kann festhalten, dass sich die Entwicklung der Ripple-Software vollständig auf die Firma Ripple konzentriert.

Der Konsens
Als BitMex einen Ripple-Validator gestestet hat, haben die Autoren der Analyse die folgende Feststellung gemacht: „Der Node operierte, indem er eine Liste von fünf öffentlichen Schlüssel vom Server v1.Ripple.com herunterlud. Diese fünf Schlüssel sind Ripple.com zugeschrieben. Die Software weist darauf hin, dass vier der fünf Schlüssel notwendig sind, damit ein Vorschlag akzeptiert wird. Da die Schlüssel alle vom Ripple.com Server heruntergeladen werden, hat Ripple essenziell die volle Kontrolle darüber, wie der Ledger vorwärtsbewegt wird.“

Dieser Absatz bezieht sich darauf, wie die Nodes die Validatoren aussuchen, denen sie vertrauen: Sie besuchen eine Liste auf dem Server von Ripple und bekommen von diesem öffentliche Schlüssel. Die von ihnen so ausgewählten Validatoren signieren ein Update des Ledger mit diesem Schlüssel, so dass der Node von BitMex weiß, dass sie von ihnen sind. Natürlich liegt es dem User frei, sich andere Validatoren auszuwählen, aber solange die Standardeinstellung zu Ripple hinweist, hat die Firma faktisch eine beinah unbegrenzte Macht.

Noch Ende 2017 hätte die Firma Ripple dem Befund von BitMex zugestimmt. In einem Post schreibt die Firma, dass sie „sich bewusst entschieden hat, der am meisten vertraute Validator-Betreiber im Netzwerk zu sein, um die erste Phase der Entwicklung des XRP-Ledgers zu durchlaufen.“ Diese Entscheidung basiere auf einer Entscheidung für Sicherheit und Skalierbarkeit zuungunsten der Dezentralität. Im Frühjahr 2017 hat Ripple mit 25 Validatoren die Mehrheit dieser Knoten gestellt.

Allerdings hat die Firma Mitte 2017 eine „Strategie zur Dezentralisierung“ eingeleitet. Diese beinhaltet, dass Ripple auch externe Validatoren in die „Unique Node Lists“ (UNLs) aufnimmmt, in denen die vertrauenswürdigen Ripple-Nodes stehen, sofern diese Nodes bestimmte, von Ripple diktierte Bedingungen erfüllen. Zu Beginn der Dezentralisierungs-Kampagne wurde diese Liste von Ripple herausgegeben und enthielt nur Nodes von Ripple. Die Firma plant aber, dies zu ändern; für alle zwei neuen Nodes, die die Kriterien von Ripple erfüllen, wird die Firma einen eigenen Node entfernen. Das Ziel ist es, überhaupt keinen Validator mehr selbst zu betreiben.

Die Liste der UNLs, aus der sich neue Knoten vertrauenswürdige Validatoren aussuchen, wird aber offenbar weiterhin von Ripple gestellt. Bis heute ist die Anzahl der Validatoren im Netzwerk auf 199 angewachsen, von denen laut Charts nur noch etwa sechs von Ripple stammen. Von diesen haben aber nur etwa 30 einen Rang in der UNL-Liste; nur ein ähnlich kleiner Anteil der Knoten hat laut einem Node-Explorer eine Anzahl von mehr als 100 Inbound-Connections und mehr als 40 Outbound-Connections. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass diese kleine Gruppe von Knoten den Konsens im Ripple-Universum unter sich ausmacht.

Es ist hier also positiv festzustellen, dass Ripple seinen Einfluss auf die Konsens-Bildung tatsächlich eigenmächtig zurückgefahren hat. Die Gruppe der Knoten, die den Konsens bestimmen, ist aber weiterhin relativ klein; und der Einfluss von Ripple darauf, welche Knoten das Vertrauen der anderen genießen, weiterhin immens, da die Firma mit der Herausgabe der Software deren Standardeinstellung bestimmt und auch weiterhin die wichtigste Liste mit Validatoren führt.

Kann der Konsens-Mechanismus von Ripple überhaupt dezentral sein?

Natürlich ist der Einfluss von Ripple, der Firma, riesig. Das dürfte niemand bestreiten. Allerdings dürfte es zutreffen, was CEO Garlinghouse sagt: Selbst wenn die Firma verschwände, würde das Ripple-Netzwerk weiter existieren. Damit ist zumindest eine sehr grundlegende Anforderung an Dezentralität erfüllt. Zudem ist der Einfluss eines einzelnen Akteurs keine systemische Eigenschaft einer Kryptowährung, sondern lediglich ein temporärer Zustand. Dass die Firma Ripple einen so großen Einfluss hat, bedeutet nicht, dass das immer so sein muss. Die interessantere Frage ist daher: Ist Ripple, das System, in der Lage, ein dezentrales Netzwerk anzutreiben?

Für manche ist der große Einfluss, den das Vertrauen bei Ripple genießt, schon ein Grund an sich, das Netzwerk für nicht fähig zur Dezentralität zu halten. Bei Bitcoin gibt es einen harten, kryptographischen Beweis dafür, welche Kette gültig ist: Die schiere Menge an Energie, die für Proof of Works verwendet wurde. Jeder kann das für sich selbst nachprüfen. Bei Ripple gibt es dafür lediglich das Vertrauen in die Mehrheit der Knoten. Dies könnte das System anfällig für Korruption, Missbrauch von Vertrauen und so weiter machen. Wie es schon Friedrich von Hayek sagte: Die Regierungen dieser Welt haben zu allen Zeiten das Vertrauen der Völker in sie missbraucht, um das Geld zu manipulieren. Warum sollte es mit Ripple anders laufen?

Andererseits könnte es durchaus sein, dass Ripple es geschafft hat, eine mathematische Funktion zu entwickeln, die sehr resistent gegen Missbrauch ist bzw. dessen Folgen drastich einschränkt. Der kontinuierliche Strom an durch Hashtrees geprüfte Ledgers (also Guthabenstände) dürfte es selbst für eine Mehrheit sehr schwierig machen, das System zu manipulieren. Aber hier muss ich einräumen, die Grenze meiner Kenntnis erreicht zu haben. Ich kann es nicht einschätzen, welche Macht ein Kartell der Validatoren hat, und es fällt mir auch schwer, etwas darüber zu sagen, wie und was einzelne Knoten verlieren können, wenn 80 Prozent der von ihm ausgewählten Validatoren ihn hintergehen. Eine schwierige Frage ist auch, wer bestimmt, dass sich das Netzwerk abschaltet, wenn es keinen Konsens mehr hat, und wer es wieder anschaltet. Ist das überhaupt möglich, ohne einer zentralen Stelle die Kontrolle zu übergeben?

Für viele Bitcoiner dürfte noch eine weitere Eigenschaft des Systems gegen Dezentralität sprechen: Die Knoten und Validatoren laden in der Regel lediglich eine Reihe aktueller Ledgers herunter. Das ist praktisch, weil man sich dafür die langwierige Synchronisierung eines Nodes, wie man sie von Bitcoin kennt, spart. Die volle Blockchain – die mit der Schöpfung der 100 Milliarden Ripple beginnt – benötigt bereits jetzt neun Terabyte. Und das, wo Ripple noch gar nicht im Ansatz so benutzt wird, wie viele Ripple-Fans es für die Zukunft versprechen. Es wird relativ rasch ein Punkt erreicht werden, an dem es mehr oder weniger unmöglich sein wird, die aktuelle Ledger von Anfang an durchzurechnen, selbst für große Institutionen mit mächtigen Supercomputern und Lagerhallen voll SSD-Festplatten. Wird man es dann überhaupt noch feststellen können, ob die Historie der Transaktionen – und das gesamte Guthaben von XRP – korrekt ist?

Schließlich bleibt noch die Frage nach den Anreizen für Nodes. Bei Bitcoin haben die Mining-Nodes massive Anreize, ehrlich zu sein und in starke Systeme zu investieren. Diese Anreize gibt es bei Ripple nicht. Die Nodes werden auf mehr oder weniger freiwilliger, ehrenamtlicher Basis betrieben. Manchmal heißt es, ein solcher Node hilft beispielsweise Institutionen wie Banken, einen flüssigen Kontakt zum Ripple-Netzwerk zu bekommen und gleichzeitig dessen Stabilität und Sicherheit zu helfen. Aber ob das wirklich ausreicht? Braucht Dezentralität nicht Anreize, die ein Gleichgewicht bilden? War nicht genau das der spieltheoretische Geniestreich von Satoshi?

Der Kreis schließt sich …

Ein wenig enden wir dort, wo wir angefangen haben: Dezentralität ist subjektiv. Ripple erfüllt sicherlich einige Anforderungen an ein dezentrales System, insbesondere wenn man den gigantischen Einfluss von Ripple Labs als eine temporäre Phase begreift, die womöglich vorübergehen kann, wenn der XRP-Ledger wie geplant das Kontobuch des Planten Erde wird. Dann werden womöglich Banken und Zentralbanken in XRP-Entwickler investieren, eigene Node-Listen führen und in Validator-Farmen investieren – während die Geldmenge der XRP längst in viele Hände verteilt ist. Die Firma Ripple hätte dann ihren Job getan und sich selbst unnötig gemacht. Es wäre denkbar, muss aber nicht so sein.

Für Leute, die strengere Anforderungen an Dezentralität haben, ist Ripple im derzeitigen Zustand trotz unverkennbarer Fortschritte ein Alptraum an Zentralismus. Für viele dürfte das Konsens-Modell von Ripple es auch aus mehreren Gründen unmöglich machen, dass Ripple jemals die hohen Anforderungen an Dezentralität erfüllt. Bei weiter Nutzung und hoher Skalierbarkeit würde Ripple demnach in den Händen eines kleinen Kartells liegen, und es wäre vollkommen undurchsichtig, ob dieses die Öffentlichkeit betrügt.

Es liegt also, wie wir schon am Anfang bemerkt haben, im Auge des Betrachters.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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16 Kommentare zu Ripple: Ist die Kryptowährung nun zentral oder dezentral?

  1. Maidsafe und parsec, dass wäre interessant wenn du das aufgreifen könntest.

    Ripple meh ..

    Aber guter Artikel 🙂

  2. Wer mit klarem Verstand würde das gesamte Geld des Planeten in die Hände einer einzigen Firma geben? Da wäre das aktuelle Bankensystem ja extrem dezentralisiert dagegen. Mehr muss man zu diesem Thema nicht sagen…

  3. Muss zustimmen: Sehr guter Artikel, bei dem alle Arten von Alarmglocken schrillen. Ich bin sehr froh, dass mir mein Bauchgefühl seit jeher geraten hat, die Finger von Ripple zu lassen.

  4. herzmeister // 28. Mai 2019 um 2:30 // Antworten

    > Im Kern beruht der Konsens bei Ripple auf Vertrauen. Jeder Knoten ist mit anderen Knoten verbunden, und sobald eine Transaktion von einer bestimmten Anzahl dieser Knoten akzeptiert ist, akzeptiert man sie auch. Auf diese Weise kommt das Netzwerk zu einem Konsens.

    „Im Kern“ ist das genau der Punkt von Satoshi’s Erfindung und die Raison d’Être von Bitcoin, dass das solch ein Vertrauen nicht funktionieren kann. Satoshi hat im Prinzip fast nichts neues eingebracht, außer dieses Vertrauensproblem zu lösen, eben mit dem Proof-of-Work-Prinzip.

    Wenn ripple.com und die wichtigsten Validatoren etwa zur Zensur angehalten werden, wird es sehr schwierig werden, noch Knoten zu finden, die dem Zensieren entgehen können, und gleichzeitig noch vertrauenswürdig sind. Mit dem Verlust der Vertrauensbasis werden Sockenpuppen-Knoten immer einfacher.

    Immer mehr Knoten werden den Ledger dann immer öfter versuchen zurückzuschreiben in einer Weise, die ihnen wirtschaftlichen Vorteil verschafft (i.e. Double-Spend-Versuche).

    (Die Datenstruktur und die „Mathematik dahinter“ ist vollkommen irrelevant, ohne PoW *kostet* es einen Knoten nichts, den Ledger umzuschreiben, egal wie er strukturiert ist.)

    Dann wird es immer mehr Validatoren geben, die den Ledger zwecks Double-Spends umschreiben werden, und es wird schwierig bis unmöglich werden, sich dann noch auf eine gültige Version zu einigen.

    Es gibt hier dann weder einen Anreiz noch eine Möglichkeit (mittels Mining o.ä.) für die ehrlichen Knoten, die unehrlichen im Netzwerk zu überstimmen. Das Netzwerk wird instabil.

    (Und das dann alles abgesehen von der Einsicht, dass alle Coins, die mit Tausenden Transaktionen pro Sekunde angeben, schon allein aufgrund dieser Tatsache zur Zentralisierung führen, da immer weniger Knoten die Konsens-Regeln selbst validieren können und werden.)

    • Ich weiß leider nicht, ob du den Konsensmechanismus richtig verstanden hast.

      „Immer mehr Knoten werden den Ledger dann immer öfter versuchen zurückzuschreiben in einer Weise, die ihnen wirtschaftlichen Vorteil verschafft (i.e. Double-Spend-Versuche).“

      –> Warum sollten sie das versuchen, wenn es nicht geht?

      „Wenn ripple.com und die wichtigsten Validatoren etwa zur Zensur angehalten werden, wird es sehr schwierig werden, noch Knoten zu finden, die dem Zensieren entgehen können, und gleichzeitig noch vertrauenswürdig sind.“

      –> es gibt ca 1000 Validatoren (nur 7 von Ripple). Die Anzahl wächst. Sie sind weltweit verteilt. Eine Zensurgefahr sehe ich nicht. Die zensierten Validatoren würden durch andere ersetzt werden.

      „ohne PoW *kostet* es einen Knoten nichts, den Ledger umzuschreiben, egal wie er strukturiert ist.)“

      –> Doch. Es kostet seine Glaubwürdigkeit im Netzwerk. Er wird von der Validierung ausgeschlossen. Er selbst kann auch den Ledger nicht umschreiben…

      „Dann wird es immer mehr Validatoren geben, die den Ledger zwecks Double-Spends umschreiben werden, und es wird schwierig bis unmöglich werden, sich dann noch auf eine gültige Version zu einigen.“

      –> das ist falsch. Validatoren können den Ledger nicht umschreiben… Es wird auch keine verschiedenen Versionen geben…

      „Und das dann alles abgesehen von der Einsicht, dass alle Coins, die mit Tausenden Transaktionen pro Sekunde angeben, schon allein aufgrund dieser Tatsache zur Zentralisierung führen, da immer weniger Knoten die Konsens-Regeln selbst validieren können und werden.)“

      –> nur zum Verständnis… Willst du grad sagen, dass Geschwindigkeit zur Zentralisierung führt?

  5. Nixgeschenkt // 28. Mai 2019 um 9:23 // Antworten

    Ich fände eine Gegenüberstellung von Ripple und SWIFT wesentlich interessanter. Da dürfte Dezentralität eher eine untergeordnete Rolle spielen.

    • Wird man halt auf einem Kryptowährungsblog vergeblich suchen.

      • Nixgeschenkt // 29. Mai 2019 um 8:17 //

        Nun ja wenn es um bestehende, reale Prozesse und deren Ersatz durch Krypto, welcher Art auch immer, geht sollte man sowas evtl. schonmal in einem Blog wie diesem betrachten dürfen. Schließlich geht es ja bei allem darum irgendwann mal eine breite Anwendung zu finden.

      • Wenn, dann hier. Und wäre in der Tat sehr interessant, aber wahrscheinlich auch sehr aufwendig in der Vorbereitung, da SWIFT für Unbeteiligte eine ähnliche Blackbox ist wie Ripple… *duckundweg*

  6. Hans Frosch // 28. Mai 2019 um 22:43 // Antworten

    Wie geil ist das denn? IOTA wird dezentral!!!

  7. @paulJanowitz

    Leider kann ich nicht auf deinen Kommentar antworten.

    Ich schreie sehr laut FUD. Der Autor blendet die bereits starke Verwurzelung von Ripple im bestehenden Finanzsystem aus. Wenn Ripple ein Scam ist, dann einer, auf den wöchentlich 2-3 Banken und Finanzinstitute reinfallen, auf den die Weltbank, der IWF und diverse Zentralbanken reinfallen. Weiterhin fällt die FED drauf rein und einige der größten Banken weltweit.

    Wenn ich dann auch noch darauf reinfalle, dann ist das wirklich ok 👌

    Infos hier: XRParcade.com

    Zur Frage, ob jemand von Ripple antworten hätte müssen, die Gegenfrage: Wer von Bitcoin hätte geantwortet? Ist Bitcoin ein Scam? Nein.

    • Reden wir gerade von den gleichen Banken, die bis 2008 die Bündel von Mistkrediten gekauft haben und die Immobilienblase aufgepustet haben? Nicht? Na dann bin ich ja beruhigt – die fallen dann bestimmt nicht auf irgendeinen Humbug herein.

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