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Wird Paraguay der neue Top-Standort fürs Bitcoin-Mining?

Der Itaipu Staudamm. Bild von Nico Kaiser via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Die günstigen Strompreise aus erneuerbaren Energien machen das kleine südamerikanische Paraguay zu einem der aktuell attraktivsten Orte für das Mining von Kryptowährungen. Grund ist ein gigantisches Wasserkraftwerk, das viel mehr Strom produziert, als das Land braucht.

Mit rund 7 Millionen Einwohnern ist Paraguay eines der kleineren Länder Südamerikas. Es gibt zwar seit 2004 ein ordentliches Wirtschaftswachstum und ein zunehmendes Interesse internationaler Investoren, doch insgesamt lebt ein großer Teil der Einwohner Paraguays weiterhin in Armut.

Einer der interessantesten volkswirtschaftlichen Eigenheiten von Paraguays liegt in der Stromversorgung. Beinah 100 Prozent des Stroms entsteht durch ein einziges Wasserkraftwerk: Den
Itaipú Damm. Das 1974 begonnene Gemeinschaftsprojekt von Paraguay und dem großen Nachbarn Brasilien ist nach dem Drei-Schluchten-Damm in China das größte Kraftwerk der Welt; es hat eine Kapazität von 14 Gigawatt bzw. 95 Terawattstunden. Das ist beinah doppelt so viel, wie das Bitcoin-Netzwerk im Jahr verbraucht.

Per Vertrag teilen sich die beiden Länder den Ertrag des an der Grenze errichteten Megakraftwerks. Paraguays benötigt von seinem Teil allerdings nicht mal 15 Prozent; der 1973 abgeschlossene Vertrag verpflichtet das Land, seinen Überschuss an Brasilien weit unter dem Marktpreis abzutreten. Mittlerweile denken die meisten Einwohner Paraguays, dass man sich übervorteilen hat lassen, und dass dem Land durch das Abkommen gigantische Einnahmen von mehr als 50 Milliarden Dollar im Jahr entgehen – was erheblich mehr ist das das Nationaleinkommen des Landes. Ab 2023 wird der Vertrag neu ausgehandelt, was unter Umtsänden zu einem gewaltigen Einnahmeschub des kleinen Landes führen könnte.

Aufgrund des großen Überschusses sind die Stromkosten in Paraguay extrem niedrig. Im Durchschnitt beträgt der Preis nur 5 Cent je Kilowattstunde; für industrielle Großabnehmer dürften noch bessere Tarife drinliegen. Für die Miner von Kryptowährungen macht dies den Standort attraktiv.

So bietet etwa Bitcoin.com.py einen Mining-Service mit Strompreisen von 5 Cent je Kilowattstunde an. Ein Bericht im Guardian schreibt von rund 20.000 Mining-Geräten in der Grenzstadt Ciudad del Este. Einer der Betreiber erzählt, dass die Mining-Geräte vor allem Brasilianern, Europäern und Nord-Amerikanern gehören, die in Paraguay minen lassen. Er schwärmt davon, dass Paraguays „der einzige Ort der Welt mit überschüssiger Energie“ sei und „das Zentrum des globalen Bitcoin-Minings“ werden könne. Die Strompreise, so der Betreiber einer Bitcoin-Mine, könnten dank des Staudamms noch tiefer gesenkt werden, um die 150.000 Mining-Geräte, die derzeit in China stehen, nach Paraguay zu locken.

Allerdings gibt es bislang noch nicht sehr viele Berichte über Miner in Paraguay. Möglicherweise liegt es daran, dass das Land als demokratisch weniger weit entwickelt gilt als die Nachbarländer Brasilien und Argentinien und bekannt ist für seine starke Schattenwirtschaft und Korruption. Immerhin scheinen mehr und mehr Mining-Anbieter den Reiz des südamerikanischen Landes zu entdecken.

So haben Ende Januar die Mining-Firma Bitfury sowie die südkoreanische Commons-Foundation eine Partnerschaft gegründet, um in Paraguay die größte Bitcoin-Mine der Welt aufzubauen. Dafür sollen Bitfurys mobile Mining-Datencenter BlockBox eingesetzt werden, während gleichzeitig Investments und Gründungen wie die einer Börse helfen sollen, ein Ökosystem von Kryptowährungen und Blockchains in der Region hochzuziehen.

Gleichzeitig sind die Bitcoin-Miner aber nicht die einzige Branche, die auf den günstigen Strom aus dem Wasserkraftwerk linst. So gibt es auch Vorschläge, Paraguay zur Heimat der Datencenter großer Internetkonzerne wie Google oder Netflix oder zur Basis energiehungriger Industrien wie der Produktion von Lithium-Batterien zu machen. Manche Bürger Paraguays erhoffen sich, dass die intensivere Nutzung des überschüssigen Stromes Paraguay zum reichsten Land Südamerikas machen wird – was angesichts der Grundlagen sowie des stetig steigenden Hungers der Welt nach Strom gar nicht mal so unrealistisch ist.

Es könnte also sein, dass solche Branchen in Zukunft in Konkurrenz zum Mining von Kryptowährungen auf der Suche nach Strom treten. Während bei diesen die Produktionskosten bei variablen Umsätzen jedoch von vielen Faktoren abhängen, sind die Stromkosten für das Bitcoin-Mining – das einen für alle gleichen Umsatz einfährt – der absolut essentielle Faktor. Dies macht die Bitcoin-Miner zwingendermaßen zu Pionieren bei der Suche und Ausbeutung besonders günstiger Standorte für Energie. Auf diese Weise könnte dass Mining für Paraguay noch einen weiteren positiven Effekt haben: Es hilft, die Infrastruktur aufzubauen, um Datencenter mit internationaler Reichweite aufzubauen, auf deren Basis sich dann später zahlreiche weitere Industrien ansiedeln können.

Über die Bitcoin-Branche in Paraguay ist nicht viel bekannt. Vermutlich sind die Anreize, sich der Kryptowährung zuzuwenden, dank der relativ stabilen Währung im Vergleich zu den Nachbarländern Brasilien und vor allem Argentinien eher gering. Stärker als auf hartem Geld liegt hier der Fokus darauf, mit Bitcoin die zum Teil problematischen internationalen Überweisungen zu verbessern. Ein Pilotprojekt Anfang des Jahres hat das Potential ausgeleuchtet: Ein argentinischer Hersteller von Schädlingsbekämpfungsmitteln hat Güter im Wert von 7.100 Dollar nach Paraguay exportiert und die Rechnung mit Bitcoin bezahlen lassen. Ob dies jedoch nur eine Marketing-Aktion war oder der Anfang von etwas großem, lässt sich von hier aus allerdings kaum beurteilen.

Über Christoph Bergmann (2802 Artikel)
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