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Ist Bitcoin ein “sicherer Hafen” in Krisenzeiten?

Collage: Aaron Koenig – Source: Pxfuel / vicschwarz.com

Diese Frage bewegt derzeit jeden in der Krypto-Szene und auch darüber hinaus. Bitcoin gilt seit langem als ein Geld für die Krise. Nun ist die Krise da: welche Rolle spielt die Kryptowährung nun? Der Autor Aaron Koenig hat darüber nachgedacht und gleich eine Reihe von Gründen gefunden, weshalb Bitcoin heute wichtiger denn je ist.

Als die Regierungen begannen, mit Ausgangs-  und Kontaktsperren auf die Corona-Virus-Pandemie zu reagieren, stürzten die Aktienmärkte massiv ab, da die Anleger davon ausgehen, dass diese Maßnahmen zu einer weltweiten Rezession führen werden. Der Dow Jones verlor im März 2020 mehr Punkte als je zuvor. Zur Überraschung vieler crashte auch Bitcoin zeitgleich mit den traditionellen Anlageklassen. Am 12. März fiel der Bitcoin-Preis von etwa 8.000 US-Dollar auf weniger als 4.000 US-Dollar – der größte Tagesverlust seit April 2013.

Bitcoin-Crash im März 2020 – Quelle: Coinmarketcap

Ist dies das Ende von Bitcoin als “sicherer Hafen”, wie manche behaupten? Sollte Bitcoin nicht unabhängig vom alten Finanzsystem sein? Müsste er nicht an Wert zulegen, wenn alles andere zusammenbricht? Aber so einfach ist es nicht. Selbst der Preis von Gold, dem traditionellen “Safe Haven”, fiel in der zweiten Märzwoche von rund 1.670 USD auf 1.470 USD. Wenn Menschen in Panik geraten, handeln sie offensichtlich nicht rational. Sie verkaufen alles, nur um Bargeld in ihre Hände zu bekommen, selbst Vermögenswerte mit einem hohen langfristigen Potenzial wie Gold und Bitcoin.

Bitcoin ist knapper als Gold

Gold hat sich jedoch schnell von seinen Verlusten erholt und fast wieder das Niveau von vor dem Crash erreicht. Mittlerweile ist Gold angesichts der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise bei vielen Goldhändler ausverkauft, so dass ein weiterer Preisanstieg zu erwarten ist. Auch Bitcoin ist seit seinem Absturz am 12. März stetig gestiegen und hat die 7.000-Dollar-Marke übersprungen, doch  im Gegensatz zu Gold liegt er immer noch deutlich unter seinem Vor-Corona-Niveau von etwa 10.000 US-Dollar.

Bitcoin ist für die meisten Investoren noch immer eine neue und ungewohnte Sache. Man kann nicht erwarten, dass es sich wie Gold verhält, das seit mehr als 5000 Jahren zur Wertaufbewahrung dient. Bitcoin mit seinen gerade einmal 11 Jahren steckt immer noch in den Kinderschuhen. Er ist noch zu neu, um ein sicherer Hafen für Investoren zu sein – aber er hat das Potenzial, es in naher Zukunft zu werden.

Satoshi Nakamoto hat Bitcoin nämlich so konzipiert, dass er noch seltener als Gold ist. Neue Goldminen werden immer wieder entdeckt. Im 16. Jahrhundert führte die Entdeckung der Goldminen Südamerikas zu einem Überangebot und damit zu einem Rückgang des Goldpreises. Theoretisch könnte sogar ein Meteorit aus reinem Gold die Erde treffen und zu einer neuen Goldflut führen – äußerst unwahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen. Solche unvorhersehbaren Ereignisse sind bei Bitcoin jedoch unmöglich. Die maximale Menge an Bitcoin ist mit 21 Millionen bekanntlich fest vorgegeben und kann praktisch nicht verändert werden.

Die Stock-to-Flow-Ratio

Die Stock-to-Flow-Ratio von Bitcoin – Quelle: lookintobitcoin.com

Der Wert von Edelmetallen wie Gold, Silber oder Platin ist eng mit ihrer Stock-to-Flow-Ratio verbunden. Darunter versteht man das Verhältnis der bereits geförderten Gesamtmenge („Stock“) zu den jährlich neu geförderten Einheiten („Flow“). Je höher das Verhältnis von Stock zu Flow eines Rohstoffes ist, desto wertvoller ist er. Bisher galt Gold als der Asset mit der höchsten Stock-to-Flow-Ratio. Die bisher geförderte Menge beträgt etwa 178.000 Tonnen, jedes Jahr kommen etwa 2700 Tonnen neues Gold hinzu. Die Stock-to-Flow-Ratio von Gold liegt also bei etwa 66.

Wenn wir dieses Modell auf Bitcoin anwenden, sehen wir, dass Bitcoin in naher Zukunft noch knapper sein wird als Gold. Nach der bevorstehenden Halbierung im Mai 2020 werden alle zehn Minuten 6,25 neue Bitcoins geschürft, d.h. 37,5 pro Stunde, 900 pro Tag, 328.500 pro Jahr. Die Gesamtmenge aller bisher geschürften Bitcoins beträgt etwa 18,5 Millionen, so dass seine Stock-to-Flow-Ratio 56 beträgt und damit fast die von Gold erreicht. Nach der nächsten Halbierung, die voraussichtlich Ende 2023 stattfinden wird, werden jedes Jahr nur noch 164.250 neue Bitcoins hinzukommen. Bitcoins Stock-to-Flow-Ratio wird dann bei etwa 116 liegen und damit die von Gold deutlich übertreffen. Dies wird sich bis zur letzten Halbierung im Jahr 2140 fortsetzen. Die Stock-to-Flow-Ratio von Bitcoin wird dann um ein Vielfaches höher sein als die von Gold.

Bislang hat das Stock-to-Flow-Modell den Anstieg des Bitcoin-Preises überraschend gut erklärt. Wenn wir die bisherige Kurve extrapolieren, dürfte er noch deutlich zulegen. Nach diesem Modell könnten wir im Jahr 2022 einen Preis von 100.000 US-Dollar pro Bitcoin erwarten, langfristig sogar eine Million US-Dollar. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Investoren an die Idee von Bitcoin als sicheren Hafen gewöhnen. Doch es ist sehr wahrscheinlich, denn Bitcoin ist das knappste und damit härteste Geld der Welt.

Bitcoins Nutzen in Krisenzeiten

Knappheit allein reicht jedoch nicht aus, damit ein Gut einen hohen und wachsenden Wert erzielt. Genauso wichtig ist sein Nutzen. Und genau hier kann Bitcoin seine wahren Stärken zeigen, insbesondere in den vor uns liegenden Krisenzeiten.

Bitcoin ist bekanntlich nicht nur eine digitale Währung, sondern vor allen Dingen ein globales Zahlungssystem, das seit mehr als 11 Jahren zuverlässig und fast ohne Ausfallzeiten funktioniert. Es ist völlig unabhängig vom traditionellen Bankensystem und so aufgebaut, dass es ohne Mittelsmänner auskommt und man niemandem vertrauen muss. Wenn das Finanzsystem zusammenbricht, was wohl unvermeidlich ist, wird Bitcoin weiterhin funktionieren. Sie werden immer noch in der Lage sein, Geld zu geringen Kosten in alle Länder der Welt zu überweisen, selbst in solche die über traditionelle Kanäle unerreichbar sind, etwa wegen Wirtschaftsembargos.

Das Zahlungssystem namens Bitcoin können Sie jedoch nur verwenden, wenn Sie die eingebaute Systemwährung mit dem gleichen Namen besitzen. Je mehr Menschen die Vorteile eines solchen digitalen Bargeldsystems für sich entdecken, desto wertvoller wird diese Währung also sein.

Bitcoin ist inflationssicher

Die Bitcoin-Inflation

Die Regierungen und ihre Zentralbanken schöpfen neues Geld, indem sie immer mehr Schulden anhäufen. Gegenwärtig tun sie dies in einem noch nie dagewesenen Tempo. Aufgrund der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen geben sie Kredite an Unternehmen, deren Umsätze durch die staatlichen Maßnahmen weggebrochen sind, oder zahlen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, ihr Gehalt weiter. Das ist verständlich und wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, soziale Aufstände und gewalttätige Ausschreitungen zu vermeiden. Aber auf lange Sicht wird der starke Anstieg der Geldmenge die Kaufkraft des Geldes und den Wert aller Ersparnisse verwässern.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Länder eine Hyperinflation erleben werden, so wie Deutschland in den 1920er Jahren oder aktuell Venezuela. In einem solchen Szenario wird Bitcoin äußerst nützlich sein, da seine Geldmenge nicht beliebig inflationiert werden kann. Bitcoin inflationiert ebenfalls, aber auf eine sehr langsame und absolut vorhersehbare Weise. Keine Regierung, keine Zentralbank und auch kein Bitcoin-Core-Entwickler hat die Macht, neue Bitcoins aus dem Nichts heraus zu schaffen.

Wenn staatliche Währungen ihren Wert verlieren, werden sich Bitcoins-Nutzer vermutlich ähnlich privilegiert fühlen wie Besitzer von US-Dollar im Deutschland der 1920er Jahre oder im heutigen Venezuela. Ich habe selbst in Brasilien gelebt, als das Land eine Hyperinflation von mehr als 1000 % pro Jahr durchmachte. Damals hatte ich ein bescheidenes Stipendium einer deutschen Stiftung, das in DM ausbezahlt wurde, sodass es mir im Vergleich zur brasilianischen Bevölkerung recht gut ging. Die Verbraucherpreise wurden etwa einmal pro Woche erhöht, doch meine D-Mark stieg jeden Tag gegenüber der brasilianischen Währung im Kurs.

Eine Schweizer Bank in der Tasche

Collage Aaron Koenig, unter Verwendung eines Bildes von Pixabay

Ein weiteres großes Plus für Bitcoin: In Krisenzeiten werden die Regierungen wahrscheinlich Kapitalkontrollen und Obergrenzen für das Abheben an Geldautomaten einführen. Wenn Banken in Schwierigkeiten geraten, werden die Regierungen versuchen, sie zu „retten“, indem sie das Geld auf den Konten der Kunden beschlagnahmen – diese kriminelle Handlung nennen sie „Bail-in“. Doch wer sein Geld in Bitcoin aufbewahrt, ist davor geschützt. Keine Regierung kann eine Bitcoin-Zahlung stoppen, Ihr Konto einfrieren oder Ihr Geld beschlagnahmen. Barack Obama wurde zitiert, dass Bitcoin „wie ein Schweizer Bankkonto in der Tasche“ sei. Aber das ist nicht ganz korrekt. Wenn Sie Bitcoin besitzen, haben Sie eine Schweizer Bank in der Tasche, nicht nur ein Konto, das von jemand anderem geführt wird.

Die Regierungen werden versuchen, Sie daran zu hindern, Geld ins Ausland zu transferieren, doch mit Bitcoin können Sie dies immer noch tun. Und wenn Sie ein Land mit all Ihrem Geld verlassen wollen, kann die Regierung Sie nicht aufhalten, selbst wenn sie an den Grenzen und Flughäfen Spürhunde und Metalldetektoren einsetzt. Zwölf englische Wörter, die Sie auf einem Blatt Papier oder sogar in Ihrem Kopf speichern können, sind alles, was Sie brauchen. Aus dieser so genannten Seed Phrase lassen sich alle privaten Schlüssel ableiten, die Ihnen Zugang zu Ihren Bitcoins geben.

Bild von Aaron Koenig

Diese Eigenschaften machen Bitcoin zu einem wirklich sicheren Hafen für Ihr Geld. Es ist wichtig, den Regierungen dieser Welt die Kontrolle über das Geld zu nehmen, denn sie haben damit nur Schaden angerichtet. Wer das Geldsystem kontrolliert, kontrolliert unser Leben. Wir sollten daher aufhören, von Regierungen ausgegebenes Geld zu verwenden und nur noch dezentralisiertes digitales Bargeld wie Bitcoin für alle Zahlungen benutzen.

Aaron Koenig ist Unternehmer, Berater, und Filmproduzent, spezialisiert auf Bitcoin- und Blockchain-Technologie. Er ist der Autor der Bücher Bitcoin – Geld ohne Staat, Cryptocoins – Investieren in Digitale Währungen und Die Dezentrale Revolution.

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11 Kommentare zu Ist Bitcoin ein “sicherer Hafen” in Krisenzeiten?

  1. Peter Neuer // 7. April 2020 um 20:42 // Antworten

    Sehr guter Artikel!!!

  2. Sehe ich genauso 🙂

  3. you lost me at „… angebliche Corona-Virus-Pandemie …“

  4. „Angeblich“ ist schon korrekt. Es ist ja noch überhaupt nicht klar, wie schädlich dieser neue Virus ist. Bisher sieht es wohl so aus, dass nur Leute daran sterben, die schon erhebliche Vorerkrankungen hatten. Sars-CoV-2 mit der Pest oder der Spanischen Gruppe in eine Liga zu tun, halte ich für sehr vermessen, insofern ist „angeblich“ als Einschränkung durchaus gerechtfertigt. Wer wegen dieser Wortwahl gleich „lost“ ist, sollte besser ARD und ZDF gucken, als einen anspruchsvollen Blog lesen.

  5. Viel Vergnügen!

    https://youtu.be/PBAyoSHEnC4

  6. Was bei dem Stock-to-Flow-Modell nicht gesehen wird: Die Menge an Bitcoin ist zwar begrenzt, aber nicht die Menge an möglichen Kryptowährungen. Falls eine andere Kryptowährung einmal mehr Vertrauen gewinnt, mehr genutzt wird und ebenso einen Netzwerkeffekt aufbaut, kann Bitcoin auch stark an Wert verlieren.

  7. @Jue: das gilt doch für Gold genauso. Die Menge an Gold ist begrenzt nicht jedoch die Menge aller möglichen Edelmetalle Gold, Silber, Kupfer …

    • Hans Knallfrosch // 12. April 2020 um 12:53 // Antworten

      Jay, bitte guck dir mal die Periodentabelle chemischer Elemente an und denke nochmal über dein Kommentar nach.

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