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Türkischer Verband von Immobilienhändlern fordert, dass die Türkei eine Bitcoin-Bank eröffnet

Turkish Smiley, Foto von kayugee via flickr.com. Lizenz. Creative Commons

Für türkische Unternehmen, die Immobilien ins Ausland verkaufen, wird Bitcoin immer wichtiger: Mehr und mehr Kunden bezahlen mit der Kryptowährung, weshalb den Maklern das Handelsvolumen auf den Börsen des Landes zu gering wird. Trotz des steigenden Interesses und der starken Inflation ist Bitcoin in der Türkei weiterhin unbekannter, als manchmal behauptet wird.

Die türkische Firma Tekçe Overseas Gayrimenkul verkauft Immobilen an Ausländer über Büros in der Türkei und Spanien. Einer Meldung vom 24. November zufolge finden bereits 25 Prozent der Zahlungen in Bitcoin statt.

Die Meldung ist auf türkisch, und die Online-Übersetzer, die ich gefunden habe, können nicht besonders gut türkisch, so dass die Ergebnisse nicht ganz eindeutig ausfallen. Dennoch möchte ich diese Nachricht aufbereiten, da sich in ihr ein wichtiger Trend zeigt – in einem Land, von dem man manchmal hört, dass in ihm Bitcoin immer wichtiger werde.

Jeden Monat acht bis neun Transaktionen

Also: Der Geschäftsführer von Tekçe Overseas Gayrimenkul, Bayram Tekçe, erklärt, dass die Firma schon seit 2017 Bitcoins akzeptiert, um Immobilien ins Ausland zu verkaufen. Der Grund sei, dass Transaktionen auf normalem Wege oft sehr lange dauern. Von den Kunden wird die Option zunehmend genutzt: “Im Jahr 2017 haben wir eine Villa gegen Bitcoin verkauft. Im Jahr 2018 waren es neun Objekte, jetzt sind es jeden Monat acht bis neun.”

Ein großer Teil des Umsatzes komme aus Gründen der Staatsbürgerschaft zusammen: Leute kaufen eine Immobilie in der Türkei und erwerben damit wohl auch die Staatsbürgerschaft. Auch hierfür ist Bitcoin als Zahlungsmittel zunehmend populär.

Laut dem Geschäftsführer ist er nicht der einzige Immobilienunternehmer, der Bitcoins akzeptiert. Einige Makler in Dubai oder Amerika haben ihm zufolge ebenfalls begonnen, Wohnungen gegen Bitcoins zu verkaufen. Je nach Ort bietet es sich ja auch an.

Regulierung und Inflation

Wenn die Zahlungskanäle ins Ausland gestört sind – oder zumindest teuer und langsam werden – kann Bitcoin die Transaktion bequemer machen. Vielleicht erspart Bitcoin es den Käufern auch, bei ihrer Bank die für Auslandsüberweisungen notwendigen Formulare auszufüllen; die Kryptowährung könnte auch eine sogenannte “regulative Arbitrage” ermögliche – die Umgehung von Regulierungsbestimmungen. Dahinter muss nicht einmal kriminell erworbenes Geld stehen, das sich vor dem Auge des Gesetzes verbirgt, sondern lediglich das Bedürfnis, sich die Kosten und Mühen zu sparen, die die Auflagen nach sich ziehen.

Unter Umständen kann auch die Inflation eine Rolle spielen: Die Verkäufer haben Sorge, dass die eigene Währung ihren Wert nicht behält, finden es aber zu mühselig, beispielsweise Gold oder Dollar zu verwahren. Bitcoin könnte eine einfach zu handhabende Alternative sein, die gerade in Hinblick auf künftige Geschäfte mit dem Ausland enorm praktisch ist.

Die Lira im Sturzflug

In der Türkei dürfte in jedem Fall das Inflationsargument gültig sein. Die Türkische Lira hat gegenüber dem Euro in den letzten Jahren erheblich an Wert verloren: Bekam man 2016 für einen Euro noch rund 3,5 Türkische Lira, waren es Anfang 2020 schon 6,5. Nachdem das Jahr 2020 deutliche Einstürze mit sich brachte, erhält man heute für einen Euro 9,4 türkische Lira. Der Tiefpunkt für die Währung der Türkei war Anfang November erreicht, als man für einen Euro mehr als zehn Lira bekam.

Insgesamt ist der Wert der Lira seit 2016 in Euro auf gut ein Drittel gefallen, in Gold etwa auf ein Viertel, ebenso im Dax-Index. In Bitcoin – davon wollen wir gar nicht erst anfangen. Lassen wir es dabei, dass ein Türke, der seine Lira 2016 in Dax-Aktien oder Gold gesteckt hat, heute in Lira viermal so reich ist. Das ist noch keine Hyperinflation, aber es dürfte schon deutlich spürbar sein.

Inwieweit das den Bürgern schadet, ist schwer zu sagen. Während der Standard, der Spiegel und die FAZ eine weitflächige Verarmung feststellen – und die Schuld vor allem bei Präsident Erdogan sehen – erkennt das Handelsblatt an, dass die lockere Geldpolitik die Türkei ein beneidenswertes Wirtschaftswachstum bescherte.

Wie dem auch sei: Bitcoin als Wertspeicher ist für Türken um ein Vielfaches attraktiver als für uns Eurozönler. Der Preis hat schon im Juli ein neues Allzeithoch erreicht und ist derzeit fast doppelt so hoch wie Ende 2017. Dementsprechend findet man viele Hinweise und Berichte über eine steigende Beliebtheit von Bitcoin in der Türkei.

Steigendes Handelsvolumen, aber schwache Umfragen

Bitcoin.com berichtet etwa im Oktober, dass das Handelsvolumen des P2P-Marktplatzes Paxful in der Türkei um 274 Prozent während der letzten 12 Monate gestiegen sei. Schon im August hatte Coindesk geschrieben, dass das Volumen auf der BTCTurk, der größten Börse des Landes, sich im Lauf des Jahres sogar vervierfacht habe.

Chainalysis stellt in seinem im September erschienen Bericht über Bitcoin in allen Weltregionen fest, dass die Türkei der führende Kryptomarkt für den Mittleren Osten ist. Im “Adoption-Ranking” von Chainalysis landet die Türkei auf dem 29. Platz.

Allerdings relativiert sich das Handelsvolumen auf den türkischen Börsen, wenn man auf den gesamten Markt schaut: Anfang des Jahres lag das Volumen des Bitcoin-Handels bei 20 Milliarden Dollar am Tag; heute bewegt es sich zwischen 40 und 60 Milliarden. Schaut man sich gar das Volumen auf LocalBitcoins in Bitcoin gemessen an, erkennt man sogar eine Stagnation mit abnehmender Tendenz. So extrem hebt sich die Entwicklung in der Türkei nicht vom Rest des Marktes ab.

Auch einige andere Hinweise zur Kryptobegeisterung der Türkei entblößen sich als heiße Luft. So hatte Statista schon 2019 aus Umfragen gefolgert, dass in keinem Land der Welt so viele Leute Erfahrung mit Bitcoin hätten wie in der Türkei; und noch 2020 präsentiert die Datenplattform ein Diagramm, laut dem 16 Prozent aller Türken schon einmal Kryptowährungen benutzt haben.

Paribu, eine weitere türkische Börse, wollte diese Umfrage prüfen und suchte nach 1.000 Leuten, die schon einmal von Bitcoin gehört hatten. Dafür mussten sie mehr als 6.000 Türken befragen. Die Prozentzahl derer, die von Bitcoin nicht nur schon mal gehört, sondern die Währung auch benutzt haben, liegt der Börse zufolge eher bei einem Prozent.

Zu geringes Volumen für die Immobilienhändler

Man sollte also nicht zuviel in einen angeblichen Bitcoin-Hype in der Türkei hineininterpretieren. Auch Volumen und Liquidität auf den Börsen sind, trotz eines deutlichen Anstiegs, offenbar noch relativ gering. Zumindest zu gering für den Immobilenhändler Tekçe Overseas. Das Unternehmen hatte mit seinen Verkäufen rasch einen Umsatz erreicht, den es auf den Börsen der Türkei nicht effizient wechseln konnte.

Daher beauftragte die Firma ein “Unternehmen in Amerika”, die Umsätze sofort in Dollar oder türkische Lira zu wechseln. Offenbar scheint die Lust, Bitcoins zu halten, weniger ausgeprägt zu sein, als man vermuten könnte. Während man im Westen Bitcoins eher als Sparanlage benutzt und weniger als Zahlungsmittel, scheint es für das türkische Unternehmen trotz der starken Inflation umgekehrt zu sein.

Ähnlich geht es wohl auch anderen Immobilienunternehmern. Der Verein zur Internationalen Immobilenförderung der Türkei (GİGDER), eine Interessenvertretung für Händler, die Immobilien ins Ausland verkaufen, fordert schon, dass die Türkei eine Bitcoin-Bank gründet, die weltweit ein Volumen von 360 Milliarden Dollar aufbringt. Die Übersetzung ist an dieser Stelle leider etwas ungenau bzw. fällt je nach Übersetzungsprogramm leicht anders aus. In jedem Fall scheint bei vielen Immobilenunternehmen ein großes Bedürfnis zu bestehen, Bitcoins zu empfangen.

Über Christoph Bergmann (2561 Artikel)
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3 Kommentare zu Türkischer Verband von Immobilienhändlern fordert, dass die Türkei eine Bitcoin-Bank eröffnet

  1. Bei dir findet man Artikel über spannende Themen die man in der sonstigen Crypto-Medien Landschaft nicht findet, einfach toll!

    Weiter so 🙂

  2. > Inwieweit das den Bürgern schadet, ist schwer zu sagen. Während der Standard, der Spiegel und die FAZ eine weitflächige Verarmung feststellen – und die Schuld vor allem bei Präsident Erdogan sehen – erkennt das Handelsblatt an, dass die lockere Geldpolitik die Türkei ein beneidenswertes Wirtschaftswachstum bescherte.

    Ich denke, dass eine kaputte Währung immer netto Schaden anrichten muss. Vielleicht sind Schaden und Nutzen dann sehr ungleich verteilt. Das könnte sich zeigen in einem tollen Wachstum aber in einer Vernichtung von Guthaben, Assets und allgemeiner Kaufkraft für normale Bürger. Es kann auch zu Asset-Blasen kommen, die dann ihren Schaden erst in einigen Jahren bewirken. In der EU werden wir das schon noch zu spüren bekommen.

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