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“Mehr als die nächste materielle Inkarnation des Dollars”

Das Auge der Vorsehung auf einem Dollar-Schein. Bild von adrian8_8 via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

USDC, der führende vollständig regulierte Stablecoin, ist im Aufwind. Das Dollar-Token kann zum großen Profiteur der Dematerialisierung des Geldes werden.  In einem Jahresbericht legt die Herausgeberin Circle dar, wie sich das USDC-Ökosystem entwickelt – und warum.

Josh Burek, Senior Direktor of Strategic Positioning bei Circle, berichtet auf dem Firmenblog vom Weltwirtschaftsforum in Davos. Dabei schafft er es, mit zwei Zitaten auf den Punkt zu bringen, was Kryptowährungen und Stablecoins wie Circle so mächtig macht.

Am Rande des Forums trafen sich der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson und Circle CEO Jeremy Allaire auf der Bühne eines Events der Financial Times. Ferguson prophezeite, dass man in fünf Jahren nicht mehr Kreditkarten auf Webseiten eingeben und Geldscheine sowie Schecks benutzen werde. Diese “Dematerialisierung des Geldes”, so Burek “kann den Weg ebnen für die fundamentale Vision von Circle”: den reibungsfreien Austausch von Werten. USDC sei nicht nur die nächste Inkarnation des Dollars. Es sei eine “neue Art der finanziellen Infrastruktur”, eine “einheitliche Schicht für Geld, Kommerz und Kapitalmärkte, die direkt ins Internet eingebaut ist.”

Kryptowährungen machen die traditionelle Definition von Geld – als Zahlungsmittel, Rechnungseinheit und Wertspeicher – hinfällig. Dies erklärte Circles Chefökonom Gordon Liao, ebenfalls in Davons, allerdings auf einem Event der Circle Lounge. “Die Programmierbarkeit des Geldes […] wird ein Schlüsselfeature des Geldes der Zukunft sein.” Smart Contracts machen Geld intentionaler und korruptionsresistenter. Sie erlauben “vielversprechende Anwendungen die Finanzen transzendieren, wie die bessere Sichtbarkeit in globalen Lieferketten.”

Die hierfür angemessene Definition von Geld setzte der deutsche Soziologe Niklas Luhmann bereits 1988: Geld löse nicht das Problem der Knappheit, “es wird nur in eine andere Form gebracht, die mit höherer Komplexität kompatibel ist: in die Form von Geldknappheit.”

Der Erfolg scheit Circle recht zu geben. “In nahezu jeder Metrik und jedem Trend wächst die USDC-Ökonomie auf gesunde Weise auf ihrem Weg, eine primäre Kraft zu sein, die ökonomische Aktivität des Internets zu skalieren,” schreibt CEO Jeremy Allaire auf dem Circle-Blog. Er kündigt den ersten jährlichen Bericht zum Zustand des USDC-Ökosystems an. Während “die Ära der Spekulation auf Bitcoin und andere Krypto-Assets” durch ein tumultuöses Jahr gegangen seien, “läuten digitale Währungen wie USDC den notwendigen Wandeln hin zu einer Phase der Nützlichkeit und Programmierbarkeit von Blockchains.”

Händler seien bereit, so Allaire weiter, USDC zu akzeptieren, und viele traditionelle Zahlungsanbieter – checkout.com, Mastercard, Plaid, Stzripe, Visa, Worldpay – arbeiten bereits mit USDC daran, den Stablecoins zu den Händlern zu bringen. Öffentliche Blockchains werden “beinah-augenblickliche, hoch-sichere, programmierbare und kostengünstige Zahlungen” ermöglichen.

Im Bericht findet man dann einige Fakten, die Allaires Optimismus decken. Seit dem Start 2018 ist die Anzahl von Circle-Dollar um 860 Prozent je Jahr gewachsen. Heute zirkulierten bereits 45 Milliarden USDC, und die Dollartoken kursieren auf acht Blockchains. Mit einer erst vor kurzem veröffentlichten Cross-Chain-API unterstützt Circle diesen Trend, das Token unabhängiger von der konkreten Blockchain zu machen. Idealerweise weiß der User gar nicht, auf welcher Blockchain das Token läuft, da die Wallet sie alle unterstützt.

Allein auf Ethereum wurden 2022 USDC im Wert von 4,5 Billionen Dollar überwiesen. Etwa 60 Prozent des Volumens – 2,7 Billionen Dollar – standen mit Smart Contracts in Verbindung. Mehr als 200 Protokolle interagieren mit USDC, wodurch die User Geld leihen und verleihen, Token traden, um NFTs bieten und für wohltätige Zwecke spenden können. Auch Blockchain-basierte Spiele wie Axie Infinity oder NBA Top Shot haben USDC integriert. Die Programmierbarkeit von Geld ist ein Killer-Feature. Stablecoins und Smart Contracts bringen Geld auf eine neue Stufe der Komplexität.

Die Autoren des Berichts schätzen, dass Circle im Jahr 2022 eine ökonomische Aktivität im Umfang von 30 Milliarden Dollar ermöglicht habe. Diese Aktivititäten sind vielfältig, “sie reichen von digitalem Kommerz und unternehmerischen Schatzkammern zu Auslandshilfe in von Konflikten geplagten Ländern.” Auf verschiedenen Blockchains gebe es 2 Millionen Wallets, die mit USDC gearbreitet haben, von denen mehr als 75 Prozent weniger als 100 Dollar halten.

Was die User genau mit den USDC machen, kann selbst Circle nur aus den öffentlichen Blockchain-Daten erraten. So fließen 15 Prozent aller Transaktionen von Wallet zu Wallet, was wesentlich mehr sei als bei traditionellen Zahlungssystemen. “Dies weist drauf hin,” folgert der Bericht, “dass USDC zu einem signifikanten Teil realwirtschaftlichen Transaktionen unterliegt.” Circle treibt diesen Trend voran, indem die Firma strategische Partnerschaften mit Unternehmen im Zahlungswesen eingeht und mit Wohltätigkeitsorganisationen zusammenarbeitet, etwa der UN-Flüchtlingshilfe UNHCR.

In gewisser Weise könnte man sagen, dass Circle ein wesentliches Element der Blockchain-Revolution verschenkt – die Schaffung eines neuen, von Zentralbanken unabhängigen Geldes, wie es Bitcoin ist. Dafür entledigt sich der USDC der Volatilität von Bitcoin und anderen Kryptowährungen sowie der existenziellen Abhängigkeit von einer primären Blockchain. Man muss dieses Programm nicht mögen, um anzuerkennen, dass es eine Fortentwicklung des gegenwärtigen Geldsystems verspricht. Und abgesehen davon scheint es auf dem Markt gut anzukommen. Blockchains begraben den Dollar nicht – sie beleben ihn neu.

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1 Kommentar zu “Mehr als die nächste materielle Inkarnation des Dollars”

  1. Interessante Entwicklung. Was ich mich gerade frage: wie funktioniert das mit der ganzen Regulierung, Travel Rule etc. in Zukunft eigentlich?

    Aktuell sind ja für den Handel mit Kryptowährungen die diversen Börsen massgeblich als On-Off-Ramp für Fiat. Da kann man natürlich als Regierung/Strafverfolgungsbehörde (USA) gut die Hand drauf haben und die bösen Buben identifizieren, wenn sie versuchen ihr durch kriminelle Aktivitäten erlangtes Kryptoguthaben in Fiat umzutauschen.

    Was aber, wenn es irgendwann gar nicht mehr nötig ist, in Fiat zu tauschen, weil es genügend Akzeptanz in USDC, BTC etc. gibt? Dann können die Kriminellen ja die Börsen links liegen lassen. Ist das nicht ein für die Regulatoren/Strafverfolgungsbehörden ungünstiger Zustand? Ich meine: BTC wird ja von den Regulatoren gerade deshalb “wohlwollend” gesehen, weil man eben über die Blockchain die Transaktionen nachverfolgen kann und über die Börsen so die Urheber ausfindig machen kann. Das wird in Zukunft möglicherweise nicht mehr funktionieren, oder doch? Wie schätzt ihr die Auswirkungen ein? Übersehe ich etwas?

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